Hans Söhnker, Richard Häussler, Carola Höhn, Inge Landgut, Ilse Steppat
© Verlag für Filmschriften Christian Unucka
Der Zeitungsjournalist Peter Rabanser (Hans Söhnker) tritt im Hamburger Hafen aus einer Telefonzelle in den strömenden Regen einer stets kühlen Aprilnacht. Eine Weile ist er scheinbar ziellos unterwegs, dann winkt er ein Taxi herbei und gibt dem Fahrer als sein Ziel das Polizeipräsidium an. Hier trifft er im Vorzimmer auf den Kriminalassistenten Vogel (Harald Paulsen) und die Sekretärin (Erna Sellmer). Von ihnen lässt sich Rabanser beim Polizeikommissar Schelling (Richard Häussler) anmelden, der stets in seinem Büro ist. Letzterer ist überrascht, seinen Bekannten so spät und in offensichtlicher gedrückter Stimmung anzutreffen, zumal der ihn darum bittet, ihn sofort festzunehmen. Schelling holt eine Flasche Cognac aus der Lade und schenkt sich und Peter Rabanser ein Glas ein, bevor jener mit seinem Bericht beginnt… Er erinnert den Kommissar daran, wie jener ihn einst in die dubiose Halbwelt des auf einem Schiff gelegenen Nachtclubs der Baronin Felten (Ilse Steppat) einführte, wo sie den Kriminalrat Petersen (Franz Schafheitlin) in Gesellschaft der dubiosen Dame vorfanden. Petersen war auf der Suche nach einem Mann, der sowohl bei den Kriminellen Hamburgs als auch im Polizeiapparat über beste Verbindungen verfügte. Da stellte Schelling ihr den Journalisten vor, von dem die Hausherrin bereits gehört hatte. Unter vier Augen erfuhr Rabanser, dass die Baronin sich ihren Adelstitel mit einer Scheinheirat ergaunert und dank ihrer begüterten Kundschaft des Clubs überaus hohe Einnahmen hatte…
Der Verdienst der Wiederentdeckung und -veröffentlichung eines solchen Films liegt darein, dass er auf die Frage nach einem deutschen Film Noir in jenen Nachkriegsjahren zumindest das Teilstück einer Antwort liefert. Obgleich es im deutschsprachigen Raum sicher keine eigenständige und deutlich zusammenhängende Film-Noir-Tradition gab, wie das außer in den USA vor allem in England der Fall war, gab es in der jungen Bundesrepublik Deutschland zumindest Versuche, dem Filmstil nachzueifern und anhand der Verwicklungen einer zunehmend komplexen Gegenwart ein zwar unterhaltsames, aber zugleich ernstzunehmendes Kino zu bieten. Auffällig an Der Fall Rabanser ist von Anbeginn die expressionistische Kamera und jener ernste Tonfall, der dem Zeitkolorit einer um Witz und Verdrängung bemühten Unterhaltungskultur fürs Kinopublikum entgegensteht. Einerseits sollten mit Helmut Käutners Epilog: Das Geheimnis der Orplid (GER 1950) und Peter Lorres Der Verlorene (GER 1951) noch zwei dezidiert vom Film Noir in den USA beeinflusste Dramen folgen. Andererseits war auch diesen seriösen Filmen kommerziell ein Misserfolg beschieden. Insbesondere Werke, die dich mit der jüngsten Vergangenheit Deutschlands, den Schrecken des Dritten Reichs befassten, waren zunehmend unbeliebt. War Wolfgang Staudtes Die Mörder sind unter uns (GER 1946) als erstes Epos eines hiesigen Filmschaffens in Nachkriegsjahren explizit und hauptsächlich damit befasst, war man 1950 schon weit davon entfernt. Der Fall Rabanser zeigt einerseits wenig von jener biederen Heiterkeit an der Schwelle zum Wirtschaftswunder, blendet andererseits den Nationalsozialismus völlig aus. Irgendwo in seiner extrem konstruierten Filmhandlung steckt ein besserer Film, der nicht zum Vorschein kommt und sich mit dem Enttarnen des „wahren Täters“ begnügt.
Hans Söhnker sieht für seine 46 Jahre tendenziell alt aus und wirkt für die Hauptrolle im Grunde als der Falsche. Man nimmt ihm den in Versuchung geratenen und von inneren Stürmen geplagten Hüter seines kriminellen Bruders Georg (Paul Dahlke) keine Sekunde lang ab. Paul Dahlke und seine Partnerin im Film, Carola Höhn, sind mit Abstand die besten Schauspieler in einem Werk, darin nicht nur die teils unfassbar banalen Dialogpassagen dafür sorgen, dass die Darsteller in ihren Rollen lächerlich wirken. Das Schauspiel ist qualitativ uneinheitlich, demgegenüber die Dramaturgie solide, die Kameraarbeit von Albert Benitz (Des Teufels General, GER 1955) oft herausragend ist. So viele wunderbare Schauplätze und exzellente Nacht- und Nebel-Szenarien sind in diesem erschreckend belanglosen und unglaubwürdigen Film verschenkt, dass man es geradezu bedauern müsste. Hätte sich das Drehbuch auf die Bruderbeziehung, auf Peter Rabansers abstruse Falle und die damit verbundene Versuchung, zudem auf die unerfüllte Liebe zu Georgs so sehr getäuschter Ehefrau Dorothea (Carola Höhn) fokussiert, hätte hier etwas herauskommen können. So aber bleibt Der Fall Rabanser trotz seiner Einzelbilder, der Femme fatale Baronin Felten, einer Erzählung in Rückblenden und einiger falscher Identitäten nur ein müder Abklatsch des Film Noirs in den USA und in England, dem das Werk nicht das Wasser zu reichen vermag. Schade!
Bild- und tontechnisch einwandfrei restaurierte DVD-Edition (2016) der Icestorm Distribution GmbH in deren Reihe Krimi-Klassiker, ungekürzt und im Originalformat mit dem deutschen Originalton und (leider) ohne Untertitel und außer einer Trailershow für andere Filme auch ohne Extras.