Jude Law, Rooney Mara, Catherine Zeta-Jones, Channing Tatum, Vinessa Shaw
© Wild Bunch Germany GmbH
New York: Auf dem Küchenboden eines schicken Apartments ist eine Blutlache, und eine Spur von nackten Füßen führt in den Korridor. Auf einem Sessel im Wohnzimmer liegen das Modell eines Segelboots und ein verpacktes Geschenk… Drei Monate zuvor: Emily Taylor (Rooney Mara) besucht ihren Ehemann Martin (Channing Tatum) im Gefängnis, wo der Broker wegen Insiderhandels seit vier Jahren inhaftiert ist. Am Tag vor Martins Entlassung geht Emily in der Werbeagentur, wo sie arbeitet, zu ihrer verständnisvollen Chefin (Polly Draper), um sie daran zu erinnern, dass sie am morgigen Tag nicht zur Arbeit kommen werde. Gemeinsam mit dessen Mutter (Ann Dowd) holt Emily Martin schließlich ab - die drei sind überglücklich und umarmen sich. Beim Sex klappt es zwischen Martin und Emily allerdings noch nicht … Martin erwähnt, dass er im Gefängnis einen Hedgefondmanager namens Marshall Hellman kennen gerlent habe, der ihm womöglich helfen könne, geschäftlich wieder auf die Beine zu kommen. Als Emily in der Tiefgarage zu ihrem Wagen geht, fallen auf der Suche nach dem Autoschlüssel mehre Dinge aus ihrer Handtasche. Ein Angestellter (Haraldo Alvarez), der gerade ein Auto poliert, hilft ihr beim Auflesen. Emily steigt in ihren Wagen, schnallt sich an und beschleunigt, so dass sie frontal gegen die Wand fährt. Im Krankenhaus arbeitet auch der Psychotherapeut Dr. Jonathan Banks (Jude Law). Er befragt die dank ihres Airbags unverletzte Emily, denn es fanden sich keinerlei Bremsspuren…
“Ask your doctor about Ablixa today, and take back tomorrow.“ Seit den späten Achtzigern gehört Steven Soderbergh zu jenen US-Regisseuren, die für Überraschungen zu haben sind und die ihr Wissen über und ihr Gespür für die Geschichte des Mediums Films zu nutzen verstehen. Weil er vordergründige Effekthascherei zugunsten von ausgetüftelten Erzähltechniken und subtil arrangierten Bilderwelten stets zu vermeiden wusste, wird Soderbergh in der Liste jener Erneuerer des Neo-Noir-Kinos gern übersehen. Dabei spielte er während der 90erJahre diesbezüglich eine zentrale Rolle. Mit The Quiet Room (USA 1993) und The Professional Man (USA 1995), eigenständigen Episioden der dem klassischen Film Noir verpflichteten TV-Serie Fallen Angels (USA 1993-1995), und mit Die Kehrseite der Medaille (USA 1995), Out Of Sight (USA 1998) und The Limey (USA 1999) kann er auf einen beeindruckenden Kanon von Beiträgen zum Neo Noir verweisen. Mit Side Effects - Tödliche Nebenwirkungen kehrte der ebenso fleißige wie auch vielseitige Soderbergh aufs Terrain des Neo Noirs zurück und schuf eins seiner besten Werke aus den letzten Jahren. Ein Grund hierfür ist sicher das Drehbuch aus der Feder von Scott Z. Burns, der selbst mit seinem Erstling Pu-239 (USA 2006) zum Kritikerliebling avanciert war und vor Side Effects - Tödliche Nebenwirkungen schon zweimal als Autor mit Soderbergh kooperierte. Auch andere Beteiligte sind zuvor in Steven-Soderbergh-Filmen aufgetreten, etwa Channing Tatum, Catherine Zeta-Jones, Vinessa Shaw und Ann Dowd, die hier allesamt erstklassige Leistungen abliefern.
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“What starts as a taut, topical drama about medicated America becomes a classic, twisted neo-noir”, schreibt Michael Leader für Film4.com. Die erwähnte Überraschung besteht nicht allein im Handlungsverlauf sondern auch in der Tatsache, dass Burns und Soderbergh einer tief in der Kinotradition verwurzelten Formel “Neues“ abringen können. Womöglich liegt neben der stilvollen Eleganz ihrer Filmsprache hierin auch der Grund, warum manche von Soderberghs Thrillern gern mit Werken Alfred Hitchcocks verglichen werden. Auch der englische Meister der Spannung war schließlich eigen typischen Rezepten verpflichtet, die er jedes Mal aufs Neue umwandelte, so dass seine Filme schwer vorhersehbar blieben und ihr Publikum sowohl zu fesseln als auch zu verblüffen wussten. Hervorragendes Schauspiel, exquisit gewählte Schauplätze in einer von glaubwürdigen (obgleich retrospektiv nicht immer wasserdichten) Wendungen getragenen Erzählung lassen Side Effects - Tödliche Nebenwirkungen zu einem Gücksfall der aktuellen Neo-Noir-Tradition werden. Der Film wirkt so frisch und zugleich so unbeeindruckt vom Zeitgeist, dass er stilbildend und wegweisend sein sollte. Stattdessen wurde es Steven Soderberghs bis heute (2016) letzte Arbeit fürs Kino, nachdem er sich über aktuelle Entwicklungen in der US-Filmproduktion enttäuscht und sogar verbittert zeigte. So widmete er sich seither einzig Fernsehfilmen und der TV-Serie The Knick (USA 2014-2015), die seinen Ruf als eigenwilliger Filmschaffender jedoch untermauerten.
Erstklassige BD- und DVD-Editionen (2013) der Senator Home Entertainment GmbH mit dem Film bild- und tontechnisch topp und ungekürzt im Originalformat, Tonspuren auf Englisch und Deutsch, dazu optional deutsche Untertitel, zwei fiktive Medikamenten-Werbespots und ein (überaus witziges) Featurette Steven Soderberghs als Extras. Unbedingt empfehlenswert!