Liam Neeson, Ed Harris, Joel Kinnaman, Boyd Holbrook, Bruce McGill
© Warner Bros.
New York: In einem Wald in Stadtnähe liegt der irischstämmige Auftragskiller Jimmy Conlon (Liam Neson) mit einer Schusswunde im Bauch und sieht in die Baumkronen. Er erinnert sich daran, wie vor 16 Stunden alles seinen Anfang nahm… In dem Pub, der dem Mobster Shawn Maguire (Ed Harris) als Pforte in die Welt seiner verzweigten Geschäfte dient, erwachte der Alkoholiker Conlon unsanft aus dem Schlaf. Die anwesenden Gäste lachten ihn aus, amüsierten sich darüber, dass er schlafend mal wieder hatte furzen müssen. Conlon verdrückte sich und tauchte bei Maguires Sohn Danny (Boyd Holbrook) auf, der just den Streifenpolizisten Randle (Gavin-Keith Umeh) und Colston (Malcolm Goodwin) ihren Anteil fürs Weggucken zusteckte. Jimmy Conlon erhoffte sich von Danny ein „Darlehen“, wie er selbst sagte, 800 US-Dollar wolle er gern mitnehmen. Und Danny tat erst mal so, als hegte er für den nach wie vor auf der Gehaltsliste seines Vaters stehenden, völlig nutzlosen Veteranen vergangener Jahrzehnte gewisse Sympathien, Dann zog er die Hand mit dem abgezählten Bargeld wieder zurück und wies auf das Kostüm eines Weihnachtsmanns hinter seinem Schreibtisch. Bei Shawn Maguire war eine Weihnachtsfeier anberaumt und der ursprünglich vorgesehene Santa Claus musste vertetren werden. Indessen beendete Mike Conlon (Joel Kinnaman) sein Boxtraining. Jimmy Conlons Sohn hat zu seinem Vater, dem einst als The Gravedigger bekannten Killer des Shawn-Maguire-Clans, schon längst keinen Kontakt mehr…
„Weniger hektisch geschnitten und insofern überraschend, als es sich hier nicht um einen der üblichen Actionfilme handelt, sondern um einen gelungenen Tribut an den Film Noir“, verglich Hans Gerhold in den Westfälischen Nachrichten diese dritte Kooperation des spanischen Regisseurs Jaume Collet-Serras und des irischen Schauspielers Liam Neeson mit den Vorgängern Unknown Identity (UK/GER/FRA/USA 2011) und Non-Stop (UK/FRA/USA/CAN 2014). Das ist insofern richtig, als sich das Werk von Anbeginn an Mühe gibt, durch den abgehalfterten Protagonisten Conlon, der Antiheld schlechthin, als auch durch die atmosphärisch teils brillanten Straßenszenarien bei Nacht seine Zugehörigkeit zum Neo Noir sicherzustellen. Wenn der Erzähler aus dem Off zum Bild des mit einer Schusswunde im Bauch danieder liegenden Jimmie Conlon anhebt, die Geschichte des Auftragkillers und des Vaters zu erzählen, ahnt der Zuschauer schon, wie das wohl ausgehen wird. Run All Night tritt auch in die Fußstapfen zeitgenössischen Film Noirs oder eben Neo Noirs, erinnert an Klassiker wie Gloria / Gloria, die Gangsterbraut (USA 1980) und ist fast schon ein Remake von Sam Mendes‘ Gangsterdrama Road To Perdition (USA 2002), das in den 30er Jahren angesiedelt ist und seine Geschichte im irischen Clan des Mobsters John Rooney (Paul Newman) verortet. Es ist exakt die gleiche Konstellation: Zwei Söhne, zwei Väter, der eine – Tom Hanks als Mike Sullivan - in Diensten des anderen, John Rooney nämlich. Doch als Michael Sullivan jr. (Tyler Hoechlin) zum Zeugen eines Mordes durch Connor Rooney (Daniel Craig) wird, nimmt die Clansfehde den Abzweig ins Unvermeidliche. Der relevante Unterschied der Handlungverläufe: Run All Night spielt innerhalb von 16 Stunden, im Verlauf einer einzigen Nacht.
Aber wie Road To Perdition verliert Run All Night die spannende Ausgsangslage seiner durch die seit langer Zeit geknüpften Bande der zentralen Rollencharaktere aus dem Blick. All diese Figuren - Väter und Söhne - werden sauber eingeführt, erweisen sich als konturiert und dank der überragenden Schauspieler sogar als glaubwürdig. Doch Jimmy Conlons Wandlung vom Antihelden zum strahlenden Supermann der Nacht, von einem Wrack von Alkoholiker, der als Weihnachtsmann übernächtigt und versoffen vom Schemel fällt, zum rasenden Schutzpatron der Familie seines Sohnes – einer, der die Killerelite Shawn Maguires mit bloßen Händen und mit Schusswaffen kaltstellt, der in einer aberwitzigen Verfolgungsjagd durch die Straßen Manhattans einen Streifenwagen in einen Unfall treibt – diese Wandlung ist absurd. Als eine 50 Millionen US-Dollar teure und entsprechend hoch polierte A-Produktion lässt sich Run All Night eben auf kein Risiko ein; die Action dominiert zusehends und produziert Adrenalinkino von der Stange. Dass aufgrund dessen der Part von Onkel Eddie Conlon (Nick Nolte), der nur in einer denkwürdigen Szene auftritt, auf dem Schneidetisch landete und Nick Nolte nicht mal im Abspann genannt ist, erweist sich nur als eines der vielen Zugeständnisse an die Tauglichkeit fürs Mainstream-Publikum. Run All Night ist enorm dynamisch, toll gespielt und dadurch kurzweilig, aber mehr nicht. Schade!
Erstklassige BD- und DVD-Editionen (2015) der Warner Bros. Home Entertainment GmbH mit dem Film ungekürzt im Originalformat, bild- und tontechnisch topp, wahlweise die englische, italienische, französische, spanische oder deutsche Tonspur, optional französische, spanische, dänische, niederländische, finnische, norwegische, isländische und schwedische Untertitel, das Making Of betitelt Shoot All Night, viele geschnittene Szenen und ein Featurette als Extras.