Film Noir
| USA
| 1950
| Ernest Hemingway
| Michael Curtiz
| Ted D. McCord
| John Alvin
| John Doucette
| John Garfield
| Peter Brocco
| Ralph Dumke
| Victor Sen Yung
| Wallace Ford
| William Campbell
| Phyllis Thaxter
Bewertung
****
Originaltitel
The Breaking Point
Kategorie
Film Noir
Land
USA
Erscheinungsjahr
1950
Darsteller
John Garfield, Patricia Neal, Phyllis Thaxter, Juano Hernandez, Wallace Ford
Regie
Michael Curtiz
Farbe
s/w
Laufzeit
97 min
Bildformat
Vollbild
© Verlag für Filmschriften Christian Unucka © Warner Bros.
In den Hafen von Newport Beach nördlich von San Diego, Kalifornien, fährt die Motorjacht Sea Queen ein, deren Kapitän Harry Morgan (John Garfield), ein Kriegsveteran, das Boot zusammen mit seinem Helfer Wesley Park (Juano Hernandez) an Sportfischer verchartert. Aber das Geschäft läuft schlecht, und Morgan hat sich nicht nur um seine Frau Lucy (Phyllis Thaxter) sondern auch um seine kleinen Töchter Amelia (Sherry Jackson) und Connie (Donna Jo Boyce) zu kümmern. Als er heute einmal mehr seine Sorgen mit Lucy teilt, gibt die ihm zum wiederholten Mal den Ratschlag, das Boot zu verkaufen und sich andernorts eine Anstellung zu suchen. Aber davon will der impulsive und sture Harry Morgan nichts wissen, der mit dem Boot seinen Lebenstraum verwirklicht sieht und entschlossen ist, damit sich und seiner Familie eine Zukunft aufzubauen. Nachdem er sein letztes Bargeld in Benzin investiert hat, laufen er und Wesley Park mit dem vermeintlichen Millionär Hannagan (Ralph Dumke) und dessen 25 Jahre jüngerer Muse Leona Charles (Patricia Neal) zum Schwertfischen in mexikanische Gewässer vor der Küste Baja Californias aus. Die laszive und aufreizende Leona macht Harry Morgan schöne Augen, was Hannagan bemerkt und den verheirateten Skipper sichtlich nervt. Als sie am Abend in einem Ort in Mexiko anlegen, verabschiedet sich Hannagan ins Hotel. Doch später sehen sie sich alle in der örtlichen Bar wieder, in deren Hinterzimmern um Geld gespielt wird und Hahnenkämpfe ausgetragen werden...
“No sooner do I get my head above water than somebody pushes me down again!” Michael Curtiz’ Film Noir aus dem Jahr 1950 ist die zweite Adaption von Ernest Hemingways Roman Haben und Nichthaben (EA 1937). Im Vergleich zu stark verwässerten und bis zur Unkenntlichkeit abgeänderten Fassung mit Humphrey Bogart und Lauren Bacall, - unter der Regie von Howard Hawks und mit William Faulkner als Co-Autor des Drehbuchs - die als Haben und Nichthaben (USA 1944) in die Kinos kam, bringt Menschenschmuggel die ganze bärbeißige Tiefe der Charaktere und die Härten der Schicksale im Roman voll zum Tragen. Natürlich hatten Bacall und Bogart eine ungemein intensive Chemie miteinander, doch Garfield und Patricia Neal sind als Rollencharaktere weit näher am Original und zeigen im Verlauf des Films zunehmend neue Facetten. John Garfield tritt mit der Rolle des Skippers Harry Morgan in die Fußstapfen jener für ihn so typischerweise besessenen und von allerlei Schicksalsschlägen gebeutelten Charaktere, wie Boxer Charly Davis in Robert Rossens Jagd nach Millionen (USA 1947) oder Drifter Frank Chambers in Tay Garnetts Im Netz der Leidenschaften / Die Rechnung ohne den Wirt (USA 1946). Der 37jährige zeigt hier einmal mehr, dass er zu den großen Charakterdarstellern seiner Zeit gerechnet werden muss, bevor dem politischen Freigeist die panische Kommunistenhatz J. Edgar Hoovers und des Komitees für unamerikanische Umtriebe (HUAC) seine Karriere ruinierte und er 1951 einem Herzinfarkt erlag. Menschenschmuggel ist Garfields vorletzter Film, es folgte dem lediglich noch John Berrys Meisterstück Steckbrief 7-73 (USA 1951) mit Shelley Winters und erneut auch mit Wallace Ford.
© Warner Bros.
“But this time, (…) with Michael Curtiz directing in a beautifully crisp, commanding style, the Warners have got a picture that is a credit to all concerned,” schrieb Bosley Crowther 1950 in Anbetracht der Premiere des Films für die New York Times und hat bis heute unbedingt Recht damit. Blickt man auf Michael Curtiz’ Filmkarriere, die von 1912 bis 1961 dauerte und 172 (!) Regiearbeiten umfasst, ist es schier ein Wunder, dass der gebürtige Ungar im Gegensatz zu Howard Hawks, William Wyler oder Frank Capra nie die weltweite Aufmerksamkeit erhielt, die er verdient hätte. Nicht nur Casablanca (USA 1942) zeichnet sein Schaffen aus, sondern gerade jene Serie teils in Vergessenheit geratener Film-Noir-Titel zwischen Solange ein Herz schlägt (USA 1945) und Alle Spuren verwischt (USA 1956). Auch Patricia Neal und Phyllis Thaxter war in den restaurativen 50er Jahren mit ihrem konservativ banalen Sex-Appeal kein Erfolg beschieden. Zu ausdrucksvoll waren diese Frauen, und erst mit Elia Kazans Ein Gesicht in der Menge (USA 1957) konnte sich Neal als Charakterdarstellerin profilieren. Mit einem Finale und einem Schluss, die so konsequent wie anrührend sind, zählt Menschenschmuggel heute zu den letzten starken Film-Noir-Dramen auf der Schwelle zur anachronistisch biederen McCarthy-Ära und ist ein Werk, das allen Liebhabern klassischen Filmschaffens hiermit wärmstens ans Herz gelegt sei.
In den USA gibt es eine gute DVD-R (2012) aus der Warner Archive Collection mit dem Film ungekürzt im Originalformat, mit dem englischen Originalton ohne Untertitel und ohne Extras. Als Golfo del Messico existiert eine italienische DVD (2012) von A & R Productions and Distribution SNC, ebenfalls ungekürzt mit wahlweise der italienischen oder englischen Tonspur und mit optional italienischen Untertiteln.