Chronik einer Liebe

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Film Noir Collection Koch Media GmbH


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Bewertung
****
Originaltitel
Cronaca di un amore
Kategorie
Film Noir
Land
ITA
Erscheinungsjahr
1950
Darsteller

Massimo Girotti, Lucia Bosé, Ferdinando Sarmi, Gino Rossi, Marika Rowsky

Regie
Michelangelo Antonioni
Farbe
s/w
Laufzeit
98 min
Bildformat
Vollbild
 

 

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Der reiche Mailänder Industrielle Enrico Fontana (Ferdinando Sarmi) hat einige Jugendfotos seiner Frau Paola (Lucia Bosé) gefunden, die seine krankhafte Eifersucht anstacheln. Fontana heiratete sie vor 7 Jahren - zwei Monate, nachdem er sie kennen gelernt hatte. Die damals 20jährige Paola hieß Molon und verließ seinetwegen ihre Heimat Ferrara. Enrico Fontana beauftragt ein Mailänder Detektivbüro, mehr über die Jugend seiner Frau herauszufinden. Deren Chef schickt seinen Privatdetektiv Morale Carloni (Gino Rossi) nach Ferrara, um dort mit der Suche zu beginnen. Carloni findet heraus, dass Paolo in der Schulzeit viele Beziehungen zu Männern hatte, doch nur zwei Freundinnen, Giovanna Carlini und Matilde Galvani (Vittoria Mondello), die im Trio unzertrennlich waren. Giovanna starb unter mysteriösen Umständen, worauf Paola verschwand. Nur Matilde lebt noch vor Ort, unverheiratet, doch unter einem Dach mit einem gewissen Herrn Algardi. Der Detektiv sucht ihre Adresse auf und gibt sich als Professor Ferri aus Neapel aus, Freund des verstorbenen Professors Molon, worauf Algardi ihn einlässt, obwohl Matilde nicht Zuhause ist. Von ihm erfährt Carloni, dass Paola ernstlich in einen Studenten namens Guido (Massimo Girotti) verliebt war, der jedoch mit Giovanna liiert war, die wiederum zwei Tage vor ihrer Hochzeit starb. Als Matilde Galvani zurückkehrt, verweigert sie Carloni jegliche Auskunft und macht Algardi später Vorwürfe. Schließlich schreibt sie einen Brief an Guido, um ihn vor dem Schnüffler zu warnen…
 
”After making documentaries, Michelangelo Antonioni (…) makes a film noir gem as his debut feature,schreibt Dennis Schwartz für Ozu’s World Movie Reviews und genau so ist es. Der Film ist weitaus spannender als sein Titel und keineswegs ein Beispiel des damaligen Neorealismus’, vielmehr auch von anderen Strömungen wie zum Beispiel dem US-amerikanischen Film Noir beeinflusst. In seinem Erstlingswerk lässt Michelangelo Antonioni die Zuschauer lange im Unklaren, inwieweit der Sturz Giovanna Galvanis in einen Fahrstuhlschacht, der zu ihrem Tod führte, ein Unfall gewesen sein könnte oder eben nicht. Die Nachforschungen Carlonis, die Enrico Fontana in Auftrag gibt, führen zum Wiedersehen von Paola und Guido nach sieben langen Jahren, was erneut eine Kette von Ereignissen in Gang setzt, darin ein möglicher Todesfall für einige der Beteiligten die Aussicht auf eine neue, sorgenfreie Existenz mit einschlösse. Die Art, wie Antonioni seine Kamera in der Rolle des Beobachters belässt, sorgt mehr als die Bildsprache selbst für ein zunehmend von inneren Turbulenzen geprägtes Film-Noir-Szenario, das nicht von Ungefähr Erinnerungen an die dunklen Geschichten James M. Cains wachruft, vor allem jene, die sich in Billy Wilders Frau ohne Gewissen (USA 1944) und in Tay Garnetts Im Netz der Leidenschaften / Die Rechnung ohne den Wirt (USA 1946) niederschlugen. Niemand als Massimo Girotti spielte in der zweiten Verfilmung von Cains Roman The Postman Always Rings Twice (EA 1934), in dem 1943 von Luchino Visconti inszenierten Ossessione – von Liebe besessen / Besessenheit (ebenfalls ein Erstlingswerk) die Hauptrolle. In der Beziehung von Guido und Paola werden bei Antonioni erneut dessen Züge einer maßlosen Leidenschaft lebendig und fordern notwendigerweise ihren Tribut.
 
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Italien ist keins der Länder, das in Europa Anspruch auf eine eigenständige Film-Noir-Tradition erworben hat. Die Erschütterungen im Kulturschaffen der Nachkriegsjahre, die das Trauma des Weltkriegs und dessen Folgen spiegelten, schlugen sich u.a. im politisch motivierten Neorealismus nieder, daraus große Filme und große Filmschaffende hervorgingen, neben Visconti auch Vittorio de Sica, Roberto Rossellini oder Giuseppe De Santi. Doch ähnlich wie in Deutschland gab es einzelne Werke, die Stilelemente des Film Noirs aufgriffen und deren Regisseure es verstanden, mit ihnen die Entfremdung des Einzelnen in der dem Diktat rapide fortschreitender Zivilisationsprozesse unterworfenen Gesellschaft zu bebildern. Antonioni tut das nicht nur mit der Liebe zwischen Paola und Guido, die allein im Verborgenen seines schäbigen Hotelzimmers erlebt werden kann. Er zeichnet ein Portrait Mailands, in deren Urbanität die Menschen verloren wirken und deren Luxus immerfort mit einer überzüchteten Konversation einhergeht und wo die selbst materialistische, verwöhnte und launenhafte Paola Fontana in ihrer Rolle unglücklich bleibt und sich allen Anderen zu entziehen versucht. Sie erkennt, dass ihr Mann nur dank seiner Rücksichtslosigkeit zu Erfolg und Reichtum gelangte. Und sie weiß, dass Guido, den sie liebt, zuinnerst weich (= schwach) und deshalb eben arm ist. Indem sie selbst eine starke Entscheidung auf den Weg zu bringen meint, hofft sie, ihr beider Schicksal zu wenden und erkennt zuletzt, dass sie damit scheiterte.
 
Die US-amerikanische 2DVD-Edition von Lorber Films (2012) ist bildtechnisch solide und tontechnisch mittelprächtig, zeigt den Film ungekürzt im Originalformat, allerdings soll das Negativ zerstört und der Film anhand minderwertiger Kopien aufwendig restauriert worden sein. Dafür ist das Ergebnis mehr als sehenswert, zumal die zweite DVD einige seltene Extras bereithält. Eine in England von Mr Bongo bereits 2007 veröffentlichte DVD-Edition zeigt den Film in der gleichen Länge und Qualität.
 

Film Noir | 1950 | International | Michelangelo Antonioni | Franco Fabrizi | Massimo Girotti | Lucia Bosé

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