Neo Noir
| USA
| 2006
| William Monahan
| Martin Scorsese
| Michael Ballhaus
| Alec Baldwin
| Jack Nicholson
| Mark Wahlberg
| Martin Sheen
| Ray Winstone
Bewertung
****
Originaltitel
The Departed
Kategorie
Neo Noir
Land
USA/HK
Erscheinungsjahr
2006
Darsteller
Leonardo DiCaprio, Matt Damon, Jack Nicholson, Mark Wahlberg, Martin Sheen
Regie
Martin Scorsese
Farbe
Farbe
Laufzeit
145 min
Bildformat
Widescreen
© Warner Bros.
Boston, Massachusetts: Der irische Gangster Frank Costello (Jack Nicholson) ist im Süden der Stadt der unumstrittene Alleinherrscher. Schon früh hat er sich den Teenager Colin Sullivan (Conor Donovan) ausgesucht und zu einem seiner Begünstigten erkoren, denn Costello hat ein Auge für seine Landsleute und Widerspruch duldet er eh nicht… Als der erwachsene Sullivan (Matt Damon) dank Hilfe seines Mentors Frank Costello schließlich von der Polizei-Akademie graduiert, ist er Costello treu ergeben. Als Mitglied der Massachusetts State Police erklimmt Sullivan die Karriereleiter und gehört bald zur Special Investigation Unit, darin er zugleich ein Maulwurf in Diensten Frank Costellos ist. Auf den wiederum hat es Sullivans Vorgesetzter Captain George Ellerby (Alec Baldwin) seit langem abgesehen. Zeitgleich steht der aus kriminellen Verhältnissen stammende Bill Costigan (Leonardo DiCaprio) kurz vor Verlassen der Akademie, als er von Captain Oliver Charles Queenan (Martin Sheen) und dessen Staff Sergeant Sean Dignam (Mark Wahlberg) zu einem Gespräch geladen wird, das sich als entwürdigend und ernüchternd erweist. Sie machen Costigan klar, dass für einen Wurm wie ihn in der Polizei keine Zukunft bestünde, es sei denn, er wäre in der Lage, sich das Vertrauen seiner Vorgesetzten hart zu erkämpfen. Queenan leitet die isoliert und anonym agierende Abteilung für verdeckte Ermittlungen. Er will Costigan als Informanten in Frank Costellos Bande einschleusen, um den Mobster hochgehen zu lassen…
“I don't want to be a product of my environment. I want my environment to be a product of me.” Das sind die ersten Sätze des Films, die sein Zuschauer vom Erzähler aus dem Off zu hören bekommt - von dem irischen Mobster Frank Costello. Departed - Unter Feinden ist das US-Remake eines Neo-Noir-Klassikers, nämlich des in Hongkong entstandenen Thrillers Infernal Affairs - die achte Hölle (HK 2002) der Regisseure Alan Mak und Wai-Keung Lau. Das mit Andy Lau und Tony Leung Chiu Wai kongenial besetzte, auf einem perfide perfekten Drehbuch basierende und in seiner Dramaturgie exzellent umgesetzte Werk avancierte zum Kultfilm des Genres und inspirierte einen Martin Scorsese, der sich mit Kap der Angst (USA 1991) schon einmal an einem Film-Noir-Remake (im Original Ein Köder für die Bestie, USA 1962) versucht hatte, und dem nach Goodfellas (USA 1990) der Erfolg an der Kinokasse versagt geblieben war. Das Ergebnis feierte im September 2006 seine Premiere und erwies sich als ein mit hochkarätigen Filmstars besetzter, opulenter Mainstreamthriller von 2 ½ Stunden Spieldauer, bei dem sich Autor William Monahan treu an Alan Maks und Felix Congs Skript zu Infernal Affairs - die achte Hölle hält und lediglich durch die Rolle der Psychotherapeutin und via Einführung der Figur Sergeant Dignams Modifikationen der Handlung entstehen lässt. Schnell gab es von Martin-Scorsese-Fans, die an ihrem Idol den Independentfilmer der 70er/80er am meisten schätzen, einen Shitstorm der Entrüstung, weil Scorsese nämlich die Ideen ausgegangen seien und er das mit einem 90 Millionen US-Dollar teuren Remake zu kaschieren suche, das ihn scheinbar zu seinen Anfängen, zum harboiled crime drama zurückbringe, doch in Wirklichkeit den Studiobossen bei Warner Bros. die Taschen fülle. Um es kurz zu machen: Infernal Affairs - die achte Hölle ist ein Meisterwerk, Departed - Unter Feinden ist keins. Doch ist das Remake alles andere als ein schlechter Film.
„Im Grunde behandelt Scorsese seine chinesische Vorlage (…) als etwas Fernes, aber ewig Gültiges, das von Zeit zu Zeit modern umgedichtet werden muss, damit wir die Botschaft wieder verstehen,“ schrieb Jens Jessen unterm Titel Spitzel in der Hölle für die Wochenzeitung Zeit. Das zeugt vom sicheren Blick in die Werkstatt des Regisseurs und Cineasten, der Scorsese immer auch ist und der in Sachen Schauspielerführung, Inszenierung und Dramaturgie so ziemlich alle Register zieht. Departed - Unter Feinden ist ein zupackendes und hartes Drama an Schauplätzen inmitten der urbanen Tristesse der heutigen USA und eins, das sich stark auf seine Akteure und deren Können fokussiert. Wo die Produktion in dem keineswegs überblasenen Film 90 Millionen US-Dollar versenkt hat, ist mir ein Rätsel. Aber trotz eines Spannungsbogens, der über die beachtliche Dauer kaum durchhängt, zeigen sich an den charakterbezogenen Änderungen des Skripts auch Schwächen. Vera Farmiga agiert als Psychotherapeutin Dr. Madolyn Madden in ihren Sitzungen mit Bill Costigan schmerzhaft dilettantisch. Man muss nicht Psychologie studiert haben, um das sofort zu erkennen. Mark Wahlberg ist als Sgt. Dignam für einen veränderten Schlussakzent verantwortlich, und genau der ist im direkten Vergleich zu Infernal Affairs - die achte Hölle deutlich mehr "Hollywood“ und weit schwächer als das Ende des Originals. Beides klingt nach wenig, verwässert aber die Stärke des Ausgangsmaterials spürbar. Departed - Unter Feinden lässt sich auf jeden Fall genießen. Er ist alles in allem ein starkes Stück US-amerikanisches Kino, aber für Liebhaber des Hongkong-Originals ist er trotz seines Oscars als “Bester Film“ (2007) nicht unbedingt ein Muss.
Erstklassige BD- und DVD-Editionen (2007) von Warner Home Video Germany mit dem Film ungekürzt im Originalformat, Tonspuren auf Deutsch und Englisch (letztere unbedingt zu empfehlen), optional Untertitel auf Deutsch, Englisch, Arabisch, Griechisch, bei der 2DVD auch reichlich Extras, nämlich den US-Kinotrailer, zusätzliche Szenen und zwei Dokumentationen zu den Einflüssen auf den Film und aufs Kino Martin Scorseses.