“Roger Ebert loved movies. Except for those he hated.” So schrieb die Chicago Sun-Times in ihrem heutigen Nachruf auf Amerikas Filmkritiker der Filmkritiker, die umstrittene unbestechliche Nummer Eins auf seinem Gebiet. Der 1942 geborene und am 4. April an Krebs verstorbene Roger Ebert war nicht nur seit den Mittsechzigern Filmkritiker sondern trat u.a. als Freund von Regisseur Russ Meyer auch als Drehbuchautor in Erscheinung, z.B. für den legendären Beyond The Valley Of The Dolls (USA 1970). Roger Ebert war bis zu seinem Tod Mitarbeiter der Chicago Sun-Times und betrieb das Portal www.rogerebert.com, darin die Vielfalt seiner Rezensionen - auch zu vielen B-Produktionen und klassischen Film Noirs - versammelt ist. Der 1975 als erster Filmkritiker mit dem Pulitzer-Preis ausgezeichnete Journalist brachte zudem Bücher mit seinen Kritiken heraus und scheute sich keinesfalls, auch einen Titel wie I Hated, Hated, Hated This Movie (EA 2000) zu publizieren. Ohne einen Roger Ebert ist die internationale Kulturkritik um eine wichtige Stimme ärmer. R.I.P.
Gut, aber nicht sehr gut
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Posthume Kritik - Roger Ebert über 'Wolf Creek'
Zwar redet man über Tote gemeinhin nicht schlecht, doch sachliche Hinweise zu Eberts Urteilen und Ansichten über gewisse Filme, über nicht immer nachvollziehbare Lobeshymnen oder Verrisse sind sicher kein Tabubruch. In der Besprechung auf dieser Webseite zu Ida Lupinos Horror-Film Noir 'The Hitch-Hiker' (USA,1953) wird am Rande auch kurz ein moderner Genrebeitrag erwähnt: Greg McLeans 'Wolf Creek' (Australien, 2005).
Dazu konnte sich Ebert in seiner Review im Dezember 2005 gar nicht mehr einkriegen; er verurteilt den Streifen radikal und umfassend als sadistisches, krankes Machwerk für ebensolche Zusachauer. Höhepunkt der Ebert'schen Anmaßung: seine Empfehlung, mit Leuten aus dem Bekanntenkreis zu brechen, denen der Film doch tatsächlich ein zweites Anschauen wert sei: "If anyone you know says this is the one they want to see, my advice is: Don't know that person no more."
Quelle: http://www.rogerebert.com/reviews/wolf-creek-2005
Dabei übersieht Ebert völlig, dass der Film in den ersten 40 Minuten sehr zurückhaltend und ohne Schockeffekte beginnt, sich Zeit für die Entwicklung der Handlung und Einführung der Charaktere nimmt und die Spannung behutsam steigert. Zwar gibt's dann später einige defige Metzel- und Foltereinlagen zu sehen, doch auch die sind im Vergleich zu vielen anderen "modernen" FSK18-Horrorfilmen ab Mitte der 70er Jahre von Tobe Hooper, John Carpenter, Lucio Fulci, George Romero, Dario Argento & Co. absolut im Rahmen und mittlerweile mehr oder weniger branchenüblich.
Verteufelt Roger Ebert 'Wolf Creek' derart, dann müsste er im Grunde rund 50 Prozent aller anderen Horrorfilme aus den vergangenen 40 Jahren aus ähnlichen Günden ablehnen. Was Ebert, der sich selbst als Horrorfilmliebhaber bezeichnet, nachweislich nicht getan hat. Im Gegenteil: ein deutlich mehr auf vordergründige Gewaltszenen bedachter Metzgerfilm wie etwa Regisseur Rob Zombies 'The Devil's Rejects' (USA 2005) bekommt von Maestro Ebert gar drei von vier Sternen.
Wie sehr Roger Ebert offenkundig verschiedene Wertmaßstäbe angelegt und bei seinem Urteil den Überblick verloren hat, erhellt auch die 'Wolf Creek'-Besprechnung von US-Kritiker James Berardinelli, der deutliches Unverständnis für Eberts Einschätzung formuliert und dies auch mit Fakten belegt:
http://www.reelviews.net/php_review_template.php?identifier=751
Barolojoe
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Im Großen & Ganzen hatte Roger Ebert schon Ahnung vom Metier. Ihn im historischen Rückblick unter solch unantastbare Kritiker-Koryphäen und Chronisten wie Siegfried Kracauer, André Bazin, François Truffaut, Enno Patalas, Lotte Eisner oder Ulrich Gregor einzureihen, widerstrebt mir jedoch.
Dazu hat sich Ebert zu viele "Schnitzer" geleistet: Vergessen wir nicht, dass in seinem persönlichen Ranking in der Liste der für ihn bedeutendsten Filme aus den 90er Jahren ein mediokres Machwerk wie "Pulp Fiction" ganz oben steht; dass er überdies übergroße Bewunderung für einen weiteren schwer überbewerteten Streifen der letzten Jahre hegte: "The Wind That Shakes The Barley" - ein klischeehaftes, eindimensionales Drama über den irischen Freiheitskampf unter der Regie von Ken Loach, welches 2006 voreilig die Goldene Palme in Cannes erhielt. (Vermutlich ging diese Auszeichnung in der über 60jährigen Geschichte des Festivals niemals an einen schwächeren Beitrag.)
Zudem hat Mr. Ebert zeitlebens nie so richtig die historische Bedeutung des sogenannten "Cinema Novo" und solch herausragender Repräsentanten & Ausnahmeregisseure wie Glauber Rocha erkannt und gewürdigt...