Feuerwerk am helllichten Tage

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Film Noir Collection Koch Media GmbH


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Bewertung
****
Originaltitel
Bai ri yan huo
Kategorie
Neo Noir
Land
CHN
Erscheinungsjahr
2014
Darsteller

Liao Fan, Gwei Lun-Mei, Xuebing Wang, Jingchun Wang, Ai Lei Yu

Regie
Diao Yinan
Farbe
Farbe
Laufzeit
106 min
Bildformat
Widescreen
 

 

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In einer im Nordwesten Chinas gelegenen Industriestadt werden 1999 in mehreren kohleverarbeitenden Werken Leichenteile gefunden. Der Polizeibeamte Zhang Zilli (Liao Fan) wird mit den Ermittlungen betraut und plötzlich gibt es einen Hinweis darauf, dass es sich bei einem der sonst immer anonymen Opfer um den in der Kohleindustrie angestellten Liang Zhijun (Xuebing Wang) handele. Zwei Fahrer für Kohletransporte werden als Hauptverdächtige erkannt und schließlich in einem Friseursalon von Zhang Zilli und mehreren Kollegen gestellt. Die Situation gerät außer Kontrolle, als die unerwartet bewaffneten Ganoven zwei der Polizisten tödlich verletzen. Auch Zhang Zilli, der die beiden erschießt, muss mit einer Schusswunde für eine längere Zeit ins Krankenhaus. Als ihn sein Freund und Kollege Wang (Ai Lei Yu) bei der Entlassung abholt, ist Zilli wortkarg und von Schuldgefühlen belastet. Wang fährt mit Zilli kurz bei der Witwe Liang Zhijuns vorbei, der Wäscherin Wu Zhizhen (Gwei Lun-Mei) in dem kleinen Reinigungsbetrieb von Rong Rong (Jingchun Wang). Vom Auto aus kann Zhang Zilli beobachten, wie die junge Frau die Urne ihres Ehemannes neben dem Geschäft in der Erde vergräbt. Der Fall der Serienmorde ist damit abgeschlossen, doch Zhang Zilli verlässt die Polzei und schlägt sich als Wachmann mehr schlecht als recht durchs Leben. Er beginnt zu trinken und zu verwahrlosen, schließlich ist er arbeitslos… Es ist 2004, fünf Jahre sind vergangen. Eher zufällig begegnet Zhang Zilli seinem ex-Partner Wang und erfährt, dass in Kohletransporten erneut Körperteile gefunden wurden…
 
Das Werk zeige „starke Anklänge an den alten Film noir, aber es ist chinesischer Noir - Obsession und Mord im Widerschein einer flackernden Industriekultur, die das Kino noch längst nicht erforscht hat“, urteilten David Steinitz und Tobias Kniebe anlässlich der Verleihung des Goldenen Bären als Bester Film der Berlinale 2014 in der Süddeutschen Zeitung. Zudem wurde Liao Fan auf diesen Berliner Filmfestspielen als bester Hauptdarsteller ausgezeichnet und der mit dem US-Titel als Black Coal, Thin Ice vorgestellte Neo Noir aus China war plötzlich in aller Munde. Sein in Anlehnung ans chinesische Original eher freundlicher deutscher Kinotitel Feuerwerk am helllichten Tage ist keine schlechte Wahl, aber wie die doppelte Preisverleihung weckte er womöglich falsche Erwartungen. Ein Meisterwerk ist der in mancher Hinsicht beeindruckende chinesische Neo Noir als Filmerzählung nämlich nicht. Unter Umständen zielte die Entscheidung der Berliner Jury auch nicht darauf ab. Es ist die Intensität, die Diao Yinan mit Kameramann Jingsong Dong sowohl den Schauplätzen als auch den Darstellern abgewinnt, die sein Werk auszeichnet und vom Hollywood-Einerlei unterscheidet. Demgegenüber verspricht die Geschichte bis zur Hälfte des Films mehr, als sie am Ende hält. Dieses Ende ist darum bemüht, durch eine detailverliebte Inszenierung die plötzlich fehlende Substanz zu bemänteln. Weniger clever, weniger komplex, weniger liebenswert - die Enttäuschung des Zuschauers kulminiert in der Frage: „Soll das alles gewesen sein?“ Die Charaktere und ihre Beziehungen, ihre jeweilige Tragik und Undurchsichtigkeit hatten auf ein weit größeres Spielfeld und damit eine bessere Strategie der Kontrahenten hingedeutet, die in der Bilanz eher bescheiden ausfällt.
 
Bild Bild Bild
© Studiocanal GmbH
 
Grandios ist die Bühne der oft bei Nacht gezeigten und in Regen und Schneefall getauchten Industriestadt im Nordwesten Chinas, die streckenweise wie der Außenposten eines fremden Planeten anmutet. Der Blick für die Macht der Bilder, darin die Charaktere sich bewähren müssen, ist so scharf wie die Kufen der Schlittschuhe, die im Film eine bedeutende Rolle spielen. So gelingen Diao Yinan reihenweise Szenen und Portraits urbaner Existenz im Zentrum und am Rande gesellschaftlich geprägter Lebensräume, die im Kontext zeitgenössischer Filmkultur einerseits auf Traditionen verweisen, andererseits überraschen und mehr als nur technisch hochwertig sind, nämlich innovativ. Innovationen sind im Kino selten geworden, seitdem der Comic- und Science-Fiction-Mainstream Hollywoods sie durch 3D-Grafik aus dem Computer verdrängte und Filme mit Marketingbudgets, die ihre Produktionskosten übersteigen, in aller Welt in Kinosäle und Wohnstuben pumpt. Vor diesem Hintergrund ist der auf seine Charaktere fokussierte Feuerwerk am helllichten Tage, schöpft er sein Potential auch nicht aus, ein frischer Wind für alle von blanker Effekthascherei übersättigten Cineasten. Er zeigt, dass asiatisches Kino jenseits von der Schonkost Bollywoods viel zu bieten hat und Dramen auf die Leinwand bringt, deren Relevanz auf der Hardware ihrer Geschichten beruht. Folglich ist Diao Yinans Werk nicht primär etwas für Thriller-Fans und ganz sicher, schraubt man seine Erwartungen etwas herunter, alles andere als verschwendete Zeit.
 
Die deutsche Synchronisation hat den Charme von Fernsehnachrichten und so sollte man Feuerwerk am helllichten Tage unbedingt mit Originalton und Untertiteln sehen, der Eindruck ist ein völlig anderer. Dafür gibt es jeweils eine  BD- oder DVD-Edition (2014) von Arthaus / Studiocanal mit dem Film ungekürzt im Originalformat, wahlweise deutscher Ton oder eben Mandarin plus optional deutsche Untertitel, den Kinotrailer als Extra.
 

Neo Noir | 2014 | International | Diao Yinan | Liao Fan | Gwei Lun-Mei

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