Post Noir
| USA
| 1960
| Robert Bloch
| Alfred Hitchcock
| Anthony Perkins
| John McIntire
| Martin Balsam
| Mort Mills
| Simon Oakland
| Janet Leigh
| Vera Miles
Bewertung
*****
Originaltitel
Psycho
Kategorie
Post Noir
Land
USA
Erscheinungsjahr
1960
Darsteller
Anthony Perkins, Janet Leigh, Vera Miles, John Gavin, John McIntire
Regie
Alfred Hitchcock
Farbe
s/w
Laufzeit
104 min
Bildformat
Widescreen
© Paramount Pictures Corporation
Phoenix, Arizona, an einem heißen Freitagnachmittag im Dezember: Marion Crane (Janet Leigh) und Sam Loomis (John Gavin) verbringen ein Rendezvous in einem billigen Hotel. Allzu gern würde Marion, die sich mit ihrer Schwester Lila (Vera Miles) das Apartment teilt, Sam endlich heiraten und sich zu ihrer Liebe bekennen. Doch der ist mit Schulden und der Zahlung von Alimenten aus erster Ehe belastet. Er findet, dass er für diesen Schritt finanziell nicht genug abgesichert sei und ihr kein würdiges Leben bieten könne. Marion Crane arbeitet als Sekretärin in der Immobilienfirma von George Lowery (Vaughn Taylor). Als sie aus ihrer vermeintlichen Mittagspause zurückkehrt, erklärt ihr der großspurige Tom Cassidy (Frank Albertson), dass er für seine achtzehnjährige Tochter, die am nächsten Tag heirate, ein Haus erworben habe. Er trägt die Kaufsumme von 40.000 US-Dollar als Bargeld in der Tasche und Mr. Lowery bittet seine Sekretärin, diese auf die Bank zu bringen. Aufgrund von Kopfschmerzen verabschiedet sich Marion verfrüht ins Wochenende. Sie verspricht Lowery aber, für das Geld noch Sorge zu tragen. Zuhause packt sie ihre Koffer. Der Umschlag mit dem Geld liegt auf dem Bett. Als sie auf dem Weg aus der Stadt an einer Ampel hält, geht vor ihr ausgerechnet George Lowery über die Straße und erkennt sie. Marion Crane fährt Richtung Norden in die hereinbrechende Nacht…
„As far as ”classic film noir“ is concerned, Psycho was the film that brought down the curtain on that now-lost world”, schreibt Eddie Muller - in Anspielung auf den Duschvorhang jener so legendären Sequenz - im abschließenden Kapitel seines Buches Dark City – The Lost World Of Film Noir (1998). Tatsächlich spricht vieles dafür, Psycho, diesen Meilenstein des Thrillerkinos, der für so viele das Filmschaffen der Sechziger eröffnete, zugleich als letzten Klassiker des Film Noirs zu rechnen. Im Sinn des einen aus Verzweiflung und im Affekt getätigten Schrittes aus dem Regelwerk des Alltags, der über Marion Cranes Leben und dasjenige anderer entscheidet, ist Psychos Prämisse eine für das Film-Noir-Kino ganz klassische. Auch der im tiefsten Schatten der eigenen Vergangenheit lauernde Irrsinn, der mit dem Charakter Norman Bates in der so triftigen Darstellung durch Anthony Perkins zur Ikonografie einer Generation von Hollywoodschockern wurde, hat seine Wurzeln im Film Noir. Bereits 1952 hatte Otto Preminger in Engelsgesicht die Wucht einer plötzlich ausbrechenden, gewalttätigen Irrationalität mit einem unerwarteten Schockeffekt zum Ausdruck gebracht.
© Paramount Pictures Corporation
Orson Welles und Alfred Hitchcock hatten mit ihren Meisterwerken Citizen Kane und Rebecca im Jahr 1940 dem künftigen Film Noir jeweils sein Stilrepertoire an die Hand gegeben. Gewissermaßen brachten sie diese Ära auch gemeinsam zum Abschluss. Hitchcock hatte sich Welles’ Im Zeichen des Bösen (1958) angesehen und schien in mehrfacher Hinsicht davon beeinflusst. So ist belegt, dass die Eingangssequenz mit dem Schwenk über Phoenix und der Fahrt durchs Fenster ins Hotelzimmer von der Eröffnung jenes Film Noirs von Orson Welles inspiriert ist. Und war es nicht Janet Leigh in der Rolle der Susan Vargas, die in eben jenem Im Zeichen des Bösen ins abgelegene Mirador Motel entführt worden war und dort auf ihrem Zimmer… Die offensichtlichen Koinzidenzen schmälern nicht den einen, nicht den anderen Film. Es sind zwei Meisterstücke des Hollywoodkinos, die jeweils Maßstäbe setzten. Psycho ist wie sein Schöpfer Alfred Hitchcock eine Legende zeitgenössischer Kultur. Wer den Film noch niemals sah, täte gut daran, alles zu vergessen, was er je darüber hörte und ihn möglichst ohne jedwede Erwartung einfach bloß anzuschauen.
Universal bringt Psycho seit 2003 in diversen Editionen international als DVD und inzwischen auch als Blu-ray heraus. Dennoch enthält jede FSK-12- bzw. FSK-16-Version bis heute definitiv drei Schnitte gegenüber der deutschen Fernsehfassung und ist lt. www.schnittberichte.com um exakt 18,36 Sekunden kürzer. Auch die Debatten, welches das ursprüngliche und damit richtige Bildformat sei – ob nun 1,66:1 oder 1,85:1 – reißen nicht ab. Bildtechnisch ist die Edition inzwischen einwandfrei und auch mit Blick auf die Extras gibt es nichts zu meckern. Keinesfalls zu empfehlen ist die deutsche Synchronisation, deren Stimmlagen den Charakter des Films entstellen. Hier hilft nur O-Ton, ggf. mit Untertiteln.
Citizen Kane und Rebecca
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Orson Welles’ 'Citizen Kane' (USA 1941)und Alfred Hitchcocks 'Rebecca' (USA 1940) oben in einem Atemzug zu nennen, wenn es darum geht, welche innovativen Werke nachfolgenden Regisseuren wertvolle Stilanregungen gegeben haben, halte ich für eine unglückliche Wahl.
'Rebecca' ist ein eher altmodischer Film, in der Tradition gotischer Schauerschinken nahe an Hitchcocks letztem in England gedrehten Streifen 'Jamaica Inn' (1939) angelehnt. Zwar mit schönen Dekors und üppiger Ausstattung, guten Darstellern und leidlich spannend - aber in (erzähl-)technischer Hinsicht kaum innovativ.
Ganz anders 'Citizen Kane', in welchem Welles die expressionistische Stummfilmtechnik belebt und rasant weiterentwickelt hat, wie die Autoren Heinzlmeier, Menningen & Schulz in ihrem lesenswerten Resümee 'Kino der Nacht - Hollywoods schwarze Serie' (ISBN 3-89136-040-1) detailliert beschreiben:
Tiefenschärfe als Parallelmontage, die den Schnitt ersetzt; Weitwinkelaufnahmen mit einem 18,5 mm-Objektiv, die den Raum verzerren und lebendig machen; "schiefe" Perspektiven, ein erzählender Bildaufbau; extreme Kamerapositionen, die das Bild wie in einem Comic neu konstruieren, eine Beleuchtung, die die Seele aus den Figuren herauzuholen scheint und als Schatten an die Wand wirft; eine überbordende Dingwelt, in der sich Figuren zu behaupten versuchen; Rückblenden, Voice-over-Kommentar aus dem Off, die Erzählperspektive aus der ersten Person Einzahl; eine Tonspur, auf der jedes Bild seine eigene Klangfarbe besitzt, die mit der vorhergehenden kommuniziert...
Dagegen ist Hitchcocks 'Rebecca' einfach nur ein schöner, gut gemachter Unterhaltungsfilm. Nett anzusehen, jedoch null progressiv und auch nicht entfernt stilbildend. (Im Gegensatz zu einigen späteren, innovativeren Werken Hitchcocks.)