Bewertung
***
Originaltitel
Another Man's Poison
Kategorie
Film Noir
Land
UK
Erscheinungsjahr
1951
Darsteller
Bette Davis, Gary Merrill, Emlyn Williams, Anthony Steel, Barbara Murray
Regie
Irving Rapper
Farbe
s/w
Laufzeit
90 min
Bildformat
Vollbild
Die Kriminalschriftstellerin Janet Frobisher (Bette Davis) ist in der Dunkelheit eines kalten Abends auf dem Weg nach Tarnmoor, einer an einem See gelegenen Ortschaft im englischen Lake District. Hier betritt sie am Bahnhof eine Telefonzelle und ruft bei Larry Stevens (Anthony Steel) an, der soeben mit seiner Verlobten Chris Dale (Barbara Murray), zugleich Janet Frobishers Sekretärin, das Abendessen beendete. Larry kann am Telefon nicht frei sprechen, doch Janet bittet ihn inständig, noch heute Abend zu ihrem Haus hinauszukommen, es sei ihr ungemein wichtig. Als sie die Telefonzelle verlässt, begegnet Janet Dr. Henderson (Emlyn Williams), ihrem direkten Nachbarn. Er amüsiert sich darüber, dass die Krimiautorin noch so spät ihr eigenes Haus, wo es in jedem Zimmer ein Telefon gibt, verlassen habe, um am Bahnhof von einer Telefonzelle aus ein Gespräch zu führen. Sie entgegnet bissig, dass ihr Telefonanschluss defekt sei und sie ein Geschäftstelefonat zu führen hatte, doch sein Angebot sie mitzunehmen, nimmt sie dankend an. Vom Tor ihrer einsam gelegen Villa geht sie die Einfahrt zu Fuß empor, aber bevor sie sich ins Haus begibt, wünscht die passionierte Reiterin noch ihrem Pferd Fury eine gute Nacht. Als sie sich nach ihrem Eintritt ins Haus in dem noch dunklen Wohnzimmer einen Drink einschenken will, erhebt sich der ungebetene Gast George Bates (Gary Merrill) aus einem Kaminsessel. Er stellt sich als Kumpan ihres Ehemanns vor, mit dem er tags zuvor in London eine Bank überfallen und der dabei einen Wachmann erschossen habe. Hier in Tarnmoor hätten sie ihr Treffen verabredet, im Haus von dessen Frau…
„Sounds like Shakespeare, but isn’t.“ Genau so ist es und das führt schnell zu den Licht- und zu den Schattenseiten dieses ungewöhnlichen Films. Die Jahre ab 1945 waren für den Filmstar Bette Davis alles andere als erfreulich gewesen. Ein Flop hatte sich an den nächsten gereiht; auch ihr einziger Film Noir, der neben ihr mit Joseph Cotten besetzte Der Stachel des Bösen (USA 1949), war beim Publikum und bei der Kritik durchgefallen. Dann brachte ihr Alles über Eva (USA 1950) das Comeback, erneute Nominierungen für den Oscar und den Golden Globe sowie den vierten Ehemann in Gestalt des Schauspielers Gary Merrill, der im gleichen Jahr auch in Otto Premingers Film Noir Faustrecht der Großstradt (USA 1950) mitgewirkt hatte. Ihr zweites gemeinsames Projekt wurde Gift für den Anderen, für das sie den Regisseur Irving Rapper verpflichteten, der zwischen 1942 und 1946 drei Male mit Bette Davis gearbeitet hatte. Irving Rapper war gebürtiger Engländer und in England wurde der Film auch gedreht und produziert. Dass US-amerikanische Schauspieler in englischen Filmen auftraten, war mit Beginn der McCarthy-Ära und der massiven Zensur der Kulturproduktion in den USA, die in Haftstrafen und Berufsverboten kulminierte, keine Seltenheit. Bereits ab den Spätvierzigern entstanden dort zunehmend Film Noirs mit US-Darstellern. Aber viele erreichten nicht das Niveau der klassischen Phase in Hollywood bis 1950.
”There may be a couple of plot holes here and there, but it’s a mighty entertaining noir… dark but also darkly comic at times”, heißt es bei Martin Teller’s Movie Reviews. Ja, die temporeichen ersten dreißig Minuten zeigen Klasse, nicht zuletzt dank Bette Davis’, die so druckvoll und selbstsicher aufspielt, wie sie es in Alles über Eva (USA 1950) tat. Dann verlassen das Drehbuch aus der Feder Val Guests nach dem Thaeterstück Deadlock von Leslie Sands jedoch die Ideen und das Ensemble dümpelt durch eine Serie redundanter Szenen, ohne dass die Handlung davon profitierte, und die Sache verliert an Spannung. Das Schauspiel von Davis und Merrill allein kann den Film nicht retten, dessen Verwicklungen sich zunehmend als konstruiert offenbaren - die von Martin Teller erwähnten Logiklöcher werden offensichtlich. Das ist bedauerlich, denn Bette Davis als Femme fatale und die besonders in Nachtsequenzen dem Film Noir gemäße Kameraarbeit Robert Kraskers (Der dritte Mann, UK 1949) geben dem Film, der seinerzeit floppte und verrissen wurde, eine Reihe von Qualitäten. Auch an Einzeilern, die Bette Davis natürlich wie keine Zweite in die Runde schleudert, mangelt es nicht: “You asked a pretty question. I’ve given you the ugly answer.“ So bleibt Gift für den Anderen eine Kuriosität, die sich für Cineasten und Film-Noir-Freunde durchaus lohnt, sofern man seine Erwartungen entsprechend herunterschraubt.
Eine von Castle Hill Productions lizensierte DVD-Edition (2000) der Image Entertainment (USA) ist ängst vergriffen und überteuert, Eine von Simply Media (UK) 2015 veröffentlichte Neuausgabe bringt den Film aber ebenso in einer passablen Qualität mit dem englischen Originalton ungekürzt im Originalformat und ohne Untertitel oder Extras.