Post Noir
| International
| 1960
| Fritz Lang
| Norbert Jacques
| Fritz Lang
| Gert Fröbe
| Howard Vernon
| Peter van Eyck
| Werner Peters
Bewertung
**
Originaltitel
Die 1000 Augen des Dr. Mabuse
Kategorie
Post Noir
Land
GER/FRA/ITA
Erscheinungsjahr
1960
Darsteller
Dawn Addams, Peter van Eyck, Gert Fröbe, Wolfgang Preiss, Werner Peters
Regie
Fritz Lang
Farbe
s/w
Laufzeit
99 min
Bildformat
Widescreen
Im großstädtischen Berufsverkehr wird der Fernsehjournalist Peter Barter von einem Berufskiller (Howard Vernon) durchs offene Seitenfenster mit einem Stahlnadelgewehr hinterrücks ermordet. Er hatte für seine um 20:00 Uhr angesetzte Sendung Aktuelles vom Tage telefonisch eine Sensation angekündigt. Doch die ist er nun selbst und eine sichtlich ergriffene Kollegin (Renate Küster) muss den Zuschauern seinen überraschenden Tod melden… Noch glaubt man an einen Herzinfarkt, denn die Nadel hat keine sichtbaren Spuren hinterlassen. Aber genau zur Tatzeit erhielt Kriminalkommissar Jochen Kras (Gert Fröbe) vom Mordbereitschaftsdienst der Polizei einen Anruf des blinden Hellsehers Peter Cornelius (Wolgang Preiss), einem aus Irland stammenden Mann, der seit einem Jahr in der Stadt lebt und Barters Ermordung vorhersagte. Inzwischen telefoniert der als Nummer 12 bezeichnete Killer vom Auto aus mit einem Mann, den er als Doktor anspricht und der ihm Instruktionen gibt: Wagen umspritzen lassen, Kennzeichen ändern, Auto nach Holland verschieben. Sein Chauffeur (Werner Buttler) fragt ihn, ob er den Doktor jemals gesehen habe und Nummer 12 fragt zurück, warum ihn das interessiere, solange er pünktlich sein Geld bekomme. Zur gleichen Zeit ist Kommisasar Kras zu Besuch bei Peter Cornelius, um über dessen Prophezeiung im Fall Barter nähere Auskünfte zu bekommen. Aber just, da er Cornelius mitteilt, dass der sich in der Todesursache getäuscht habe, erhält Kras einen Anruf des Polizeiarztes (Egon Vogel), der ihn darüber ins Bild setzt, dass Barter mit einem Stahlnadelgeschoss ermordet wurde…
“Der Fall ging nicht in die Kriminalgeschichte ein, denn da kam gerade Hitler und der braune Spuk.“ Der Spuk ist für den Filmliebhaber nicht allein dieser lapidare Satz im Film eines ehemaligen Auswanderers, der 23 Jahre im Exil lebte und arbeitete. Der Spuk ist das Werk selbst, ein genretypischer deutscher Nachkriegsfilm, den sein großteils lausiges Schauspiel, die Pappkulissen der Film- und Fernsehstudios, darin er gedreht wurde, sowie unfassbar banale Dialoge aus der Feder Heinz Oskar Wuttigs und Fritz Langs völlig deklassieren. Zu Beginn seiner Karriere hatte Langs Ehefrau Thea von Harbou für den Regisseur geschrieben - bis zum großartigen M - Eine Stadt sucht einen Mörder (GER 1931). Aber von Harbou fand ihre Heimat bei den Nationalsozialisten; Fritz Lang verließ sie und emigierte, 1933 folgte die Scheidung. Nachdem er bis Mitte der Fünfziger mit den immer schwierigeren Bedingungen in den USA (v.a. in der McCarthy-Ära) zu kämpfen gehabt hatte und sein spätes Schaffen zunehmend B-Film-Standard wurde, kehrte er nach Deutschland zurück. Doch seine letzten Arbeiten erweisen sich als endgültiger Absturz ins Triviale. Nach einem Remake (GER 1958/59) des 1921 vom Produzenten Joe May - der Lang damals die Regie zugesichert hatte - erstmals inszenierten Abenteuerfilms Das indische Grabmal brachte auch die Wiederbelebung von Norbert Jacques’ für den Film Noir so stilbildender Figur des Dr. Mabuse künstlerisch keine Rückkehr Langs zur Form. Zwar setzen Fritz-Lang-Biografen und Filmkritiker meist zur Ehrenrettung der finalen Regiearbeit an, doch nüchtern betrachtet erweist sich Die 1000 Augen des Dr. Mabuse als ein fader und extrem konstruierter Krimi seiner Zeit.
Natürlich gibt es auch in diesem Werk die Setzungen einer innovativen Filmsprache. Schon im Vorspann kreisen anstatt der Sterne die Augen des Filmtitels über der Silhouette der Stadt. Solche Visionen waren das Element des Meisterreigisseurs, der den Film Noir nachhaltig geprägt und als namhafter Vertreter viele davon gedreht hatte. Gert Fröbe ist ein Schauspieler von Klasse und Format. Sein Kommissar Kras ist Otto Wernickes Kommissar Lohmann in Das Testament des Dr. Mabuse (GER 1933) deutlich nachempfunden. Auch Werner Peters und Howard Vernon sind gute Darsteller. Aber während die brillant inszenierte Dämonie der beiden frühen Mabuse-Filme - Dr. Mabuse, der Spieler (GER 1922) ist ein Meilenstein der Filmhistorie - ihr Publikum noch heute fesselt und berührt, können vereinzelte Szenen und Effekte das im Ganzen lahme und läppische Schurkenstück für ein Wirtschaftswunder-Publikum nicht retten. In seinen US-Filmen zeigte Lang grandiose Frauenfiguren, u.a. verkörpert durch Sylvia Sidney, Joan Bennett, Barbara Stanwyck, Gloria Grahame. Hier ist Marion Menil in der talentfreien Darstellung durch die Engländerin Dawn Addams das genaue Gegenteil dessen. Der Einfluss des Film Noirs kam trotz einzelner Vorläufer - Peter Lorres Der Verlorene (GER 1951) und Robert Siodmaks Nachts, wenn der Teufel kam (GER 1957) - im Deutschland der Sechziger übers Niveau der Edgar-Wallace- und der Dr.-Mabuse-Serien nie hinaus. Dem Abgang Fritz Langs folgten bis zu Die Todesstrahlen des Dr. Mabuse (GER/FRA/ITA 1964) noch insgesamt fünf weitere Mabuse-Filme, davon einer schlimmer als der andere.
Der Film existiert in einer bild- und tontechnisch exzellent restaurierten, ungekürzten Fassung und auch im Originalformat, allerdings meines Wissens nur als Teil der als Dr. Mabuses Meisterwerk veröffentlichten 6-DVD-Box (2005) der Universum Film GmbH, München, die auch alle Nachfolgefilme bis 1964 enthält. Die in Deutschland erhältlichen DVD-Einzeleditionen sind verstümmelt - z.B. ohne Vorspann - und haben eine schlechte Bild- und Tonqualität.