Bewertung
****
Originaltitel
Peeper
Kategorie
Neo Noir
Land
USA
Erscheinungsjahr
1976
Darsteller
Michael Caine, Natalie Wood, Kitty Wynn, Michael Constantine, Thayer David
Regie
Peter Hyams
Farbe
Farbe
Laufzeit
83 min
Bildformat
Widescreen
© Twentieth Century Fox Film Corporation
Los Angeles im Jahr 1947: Der aus England stammende und nach dem Zweiten Weltkrieg in den USA gebliebene Privatdetektiv Leslie C. Tucker (Michael Caine) sitzt nachts in seinem Büro, als aus dem Teppenhaus Lärm schallt. Dort ist der nach 12 Jahren soeben aus Tampa, Florida, zurückgekehrte Geschäftsmann Lo Anglich (Michael Constantine) dabei, sich gegen einen Gangster (Gary Combs) zur Wehr zu setzen. Als Tucker nachsehen will, ist schon alles vorbei. Und als er zurückkehrt, sitzt jener Anglich in seinem Büro am Schreibtisch und will ihn damit beauftragen, seine vor fast dreißig Jahren aus einem Waisenhaus verschwundene Tochter Anja zu finden. Sie soll angeblich von einem Fred Conroy, von dem er Tucker ein Foto gibt, entführt worden sein. Tucker übnernimmt den Fall und gibt Anglich den Rat, sich von den Ganoven, die ihn verfolgen, nicht um die Ecke bringen zu lassen. Es stellt sich raus, dass die Gegend, die auf dem Foto Conroys zu erkennen ist, in Beverly Hills liegt. So stattet Tucker am nächsten Tag der steinreichen Familie Prendergast einen Besuch ab. Die Haustür steht offen und der Detektiv marschiert schnurstracks in den Wintergarten, wo er nebst Kakadus und Papageien den Schwiegersohn Franklin W. Prendergast (Thayer David) im Korbsessel antrifft. Der ist ausgesprochen unfreundlich, nachdem er auf Tuckers Foto seinen verstorbenen Bruder Harvey identifiziert hat. Leslie Tucker erhascht einen Blick auf Franklins Schwägerin Ellen (Natalie Wood) in ihrem seidenen Morgenmantel, bevor ihn der Diener Trevor (Robert Ito) hinauswerfen soll…
Peter Hyams’ Parodie auf den klassischen Film Noir steht am Ende der ersten Nostalgiewelle im Neo-Noir-Kino der USA, die sich explizit dem goldenen Zeitalter der 30er und 40er Jahre verschrieben hatte und durch Werke wie Robert Altmans Diebe wie wir (USA 1973), Roman Polanskis Chinatown (USA 1974) und Dick Richards’ Fahr zur Hölle, Liebing! (USA 1975) umrissen ist. Nachdem schon Stephen Frears’ Auf leisen Sohlen (UK 1971) und Mike Hodges’ Pulp - Malta sehen und sterben (UK 1972) parodistische Züge trugen, ist Die falsche Schwester zusammen mit David Gilers Die Jagd nach dem Malteser Falken (USA 1975) die dezidiert erste Film-Noir-Komödie aus den USA. Ihr folgten u.a. Der Schmalspurschnüffler (USA 1978), Der Mann mit Bogarts Gesicht (USA 1980) und Tote tragen keine Karos (USA 1982). Es war insofern erstaunlich, da sich Die falsche Schwester wie Gilers obskure Fortsetzung von Die Spur des Falken / Der Malteser Falke (USA 1941) als formidabler Flop erwies - vom Publikum verschmäht und von den Kritikern verrissen. Bis heute ist Peter Hyams’ liebevoll inszenierte Hommage an die Klassiker der Vierziger im Land seiner Entstehung eher unbeliebt. Es mag an der Figur des Privatdetektivs aus England liegen oder an der Verworrenheit seiner Handlung. Die ist beizeiten so undurchschaubar wie mancher Raymond-Chandler-Plot. Wer wessen Schwester ist und wer überhaupt von wem aus welchen Gründen erpresst wird oder für wen wem hinterher schnüffelt, wissen wohl die Charaktere und ihre Darsteller beizeiten selbst nicht. Aber das ist schon Teil der Absicht selbst, die Konzeption von Sinn und Unsinn mit Lust und Laune ins Absurde zu überführen, sich dem Bizarren auszuliefern. Dafür hat Peter Hyams allemal eine famose Darstellerriege an Bord, die offensichtlich einen Riesenspaß dabei hatte.
“So that’s where I was that night. It was after midnight, there was nothing good on the radio, and I couldn’t get my heart into doing my book-keeping.” Dass Michael Caine wie immer brillant ist, dürfte kaum wundern. Seine Chemie mit Natalie Wood ist voller Charme und Esprit. Doch sind es die Nebendarsteller, welche ihre Talente ausspielen. Don Calfa und Timothy Carey als Ganoven Rosie und Sid sind erstklassig, ebenso Liam Dunn als undurchsichtiger Billy Pate und Dorothy Adams - in ihrem letzten Film - als launische Mrs. Prendergast. Carey und Adams wirkten schon zwanzig Jahre zuvor in Stanley Kubricks Die Rechnung ging nicht auf / Killing (USA 1956) mit. Auch die Leute hinter der Kamera zeigen, dass sie mit der Verfilmung von Keith Laumers Roman Deadfall (EA 1971) den Grat zwischen Hommage und Parodie zu treffen wissen, etwa durch Kameramann Earl Rath, der den Film mit Reminiszenzen an den klassischen Film-Noir-Stil versieht. Eine Kuriosität ist der Vorspann, der nicht verschriftlicht sondern gersprochen wird und zwar vom Humphrey-Bogart-Imitator Guy Marks. Wer sich vor Lachen auf die Schenkel hauen will, sollte sich anderswo umschauen. Die falsche Schwester provoziert am ehesten bei denen ein Schmunzeln , die mit dem Film Noir und seiner Geschichte (halbwegs) vertraut sind. Als überdreht bizarres Panoptikum seines Schöpfers markiert der Film eine augenzwinkernde und respektlose Vorbeugung vor der Epoche. Als solche ist sie nach meiner Einschätzung jedoch um vieles besser als ihr Ruf.
Gute deutsche DVD (2013) der Reihe Hollywood Classics der Twentieth Century Fox Home Entertainment, im Vertrieb der Hanse Sound und Music GmbH mit dem Film im Originalformat und ungekürzt, bildtechnisch topp, deutsche und englische Tonspur, ohne Untertitel oder Extras. Die angegebene Laufzeit von 81 Minuten ist falsch, der Film läuft korrekte 83 Minuten.