Bewertung
*****
Originaltitel
Mike’s Murder
Kategorie
Neo Noir
Land
USA
Erscheinungsjahr
1984
Darsteller
Debra Winger, Mike Keyloun, Darrell Larson, Brooke Alderson, Paul Winfield
Regie
James Bridges
Farbe
Farbe
Laufzeit
109 min
Bildformat
Widescreen
© Warner Bros.
Los Angeles, Kalifornien: Die Bankangestellte Betty Parrish (Debra Winger) verliebt sich in den Tennislehrer Mike Chuhutsky (Mike Keylon), bei dem sie im Harrington Recreation Center Trainingsstunden nimmt. Sonst weiß sie nicht viel von dem jungen Mann, mit dem sie bald die leidenschaftlichste und schönste Zeit ihres Lebens verbringt. Aber Mike verdient sein Geld noch auf andere Weise. Er und Pete (Darrell Larson) handeln mit Drogen. Als die beiden eines Nachts auf dem Parkplatz eines Imbisslokals mit einem Kunden (Gregory Hormel) ein Geschäft abwickeln, werden sie von zwei Schlägern (John Stewart, Victor Pérez) des lokalen Drogenkartells eines Besseren belehrt und müssen das Weite suchen. Mike ist klar, dass er sich in seinem Apartment ab sofort nicht mehr blicken lassen kann. Er sucht Unterschlupf bei seinem Freund Sam (Robert Crosson), einem einsamen Frührentner, dessen einzige Leidenschaften die Fotografie und der Alkohol sind. Indessen fristet Betty ihr Leben zwischen dem Alltag in der Bank, sporadischen Treffen mit Freundin Patty (Brooke Alderson) und Erinnerungen an Mike. Eines Tages, als sie mit ihrem VW Golf Cabriolet unterwegs ist, begegnet sie ihm zufällig und nimmt ihn mit. Doch Mike wirkt gehetzt, lässt das Mädchen rechts ranfahren und zieht das Verdeck hoch. Schließlich setzt sie ihn in der Auffahrt ab, von der sie nicht ahnt, dass sie zur Villa des Musikproduzenten Philip (Paul Winfield) führt. Mike verspricht, sich bei ihr zu melden, denn er möchte das vor Monaten so abrupt beendete Verhältnis zu Betty Parrish fortsetzen. Aber Mike, der gern selbst mal eine Line zieht, trudelt von heute nach morgen und ist notorisch unzuverlässig…
“Die Verantwortlichen bei Warner Bros. konnten wenig anfangen mit dem hintergründigen Neo-Noir Mike’s Murder, der sich wie ein verspäteter New-Hollywood-Autorenfilm anfühlt“, heißt es beim Österreichischen Filmmuseum über dieses Regiewerk von James Bridges, das trotz der eher schwierigen Bedingungen seiner Produktion ein Meisterstück wurde. Ursprünglich wollte Bridges seinen bereits Anfang 1983 gedrehten Film in umgekehrter Chronologie erzählen, aber dafür hatte das Studio sowenig übrig wie für die Musik Joe Jacksons, der einen Soundtrack eingespielt hatte, der 1983 absurderweise vor Erstaufführung des Films auf Schallplatte erschien und in Letzterem kaum Verwendung fand, weil Warner Bros. John Barry eine neue Musik schreiben ließ. Doch die misslichen Begleitumstände konnten weder der lebenssatten Geschichte noch der Kameraarbeit von Reynaldo Villalobos und schon gar nicht den Rollenportraits vor allem durch Debra Winger und Darrell Larson etwas anhaben. Es ist das Schauspiel und es ist das präzise Gespür für Schauplätze in jener eigentümlich dämonischen Metropole, die Bridges’ Film kennzeichnen. Im Fahrwasser von Ivan Passers Bis zum bitteren Ende (USA 1981) oder auch der Autorenfilme John Cassavetes’ ist er einer der wenigen nahezu vergessenen Neo Noirs der 80er Jahre, die bis heute auf ihre Wiederentdeckung und Neubewertung warten. Mike’s Murder ist ein Thriller, dabei beharrlich unaufgeregt auf seine Charaktere fokussiert und so kompromisslos im Fortgang der Handlung, dass er nahezu jedes Thrillerklischee links liegen lässt.
“You want to know everything? Well, believe me you don't.” Noch die Nebenrollen sind exquisit besetzt, mit Paul Winfields, Dan Shores und William Ostranders so überaus pointierten und bemerkenswerten Leistungen, die den sorgsam inszenierten Film klar aufwerten. Es war das Jahr, als die US-amerikanische Filmindustrie massenkompatiblen Schrott à la Terminator (UK/USA 1984) von James Cameron oder Gremlins - Kleine Monster (USA 1984) von Joe Dante mit Riesenerfolg ins Kino brachte, heute antike Banalitäten, die ungenießbar sind. Aber die Zeiten hatten sich geändert. Die Unterhaltungsbranche setzte auf Spezialeffekte und Action, nicht auf Geschichten und der Kassensturz gab ihr Recht. Mike’s Murder floppte auf ganzer Linie, was die Karriere der großartigen Debra Winger zwar nicht gefährdete, aber einen exquisiten Film in Vergessenheit geraten ließ. Bis heute scheiden sich die Geister. Wie manches Stück zeitgenössischen Independentkinos, ist Mike’s Murder für das ans Effekte-Stakkato des aktuellen Action-Kinos gewöhnte Publikum bei weitem zu ruhig. Wer sich auf eine ebenso schlichte wie glaubwürdig inszenierte Filmerzählung einlassen kann, wird in diesem Neo Noir ein Juwel seiner Zeit erkennen, das einen nach dem ersten Sehen tagelang begleitet und von dem man bald weiß, dass man es sich liebend gern ein zweites Mal anschauen wird. Für Neo-Noir-Freunde definitiv ein Muss!
Weltweit ist Mike’s Murder lediglich als eine DVD-R (2011) der Warner Archive Collection (USA) erhältlich, mit dem Film ungekürzt im Originalformat, bildtechnisch topp, dazu englischen Ton ohne Untertitel und den Kinotrailer als Extra.