Everybody Wins - Ein schmutziges Spiel

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Film Noir Collection Koch Media GmbH


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Bewertung
****
Originaltitel
Everybody Wins
Kategorie
Neo Noir
Land
UK/USA
Erscheinungsjahr
1990
Darsteller

Nick Nolte, Debra Winger, Will Patton, Judith Ivey, Kathleen Wilhoite

Regie
Karel Reisz
Farbe
Farbe
Laufzeit
93 min
Bildformat
Widescreen
 

 

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In der Kleinstadt Highbury im US-Bundesstaat Conneticut ist Tom O’Toole (Nick Nolte) ein ehemaliger Polizist und heutiger Privatdetektiv seit nun drei Jahren verwitwet. Seine Söhne sind aus dem Haus, aber stets wohnt seine Schwester Connie (Judith Ivey), Lehrerin an der örtlichen High School, bei dem Endvierziger. Heute ist O’Toole auf dem Weg zu einer Klientin, Angela Crispini (Debra Winger), die sich verzweifelt um eine Wiederaufnahme des Gerichtsverfahrens gegen den Teenager Felix Daniels (Frank Military) bemüht, der unter dubiosen Umständen wegen des Mordes an seinem Onkel, des Arztes Dr. Richard Daniels, angeklagt und verurteilt wurde. Federführend war dabei vor allem der Staatsanwalt Haggerty (Frank Converse), doch nach Ansicht Crispinis belegen die Prozessakten, dass bei der Untersuchung des Falls gehörig geschlampt wurde. Obwohl Tom O’Toole, ein stadtbekannter Gegenspieler Haggertys, keinesfalls davon überzeugt ist, den Fall übernehmen zu wollen, fährt er mit ihr ins örtliche Gefängnis, um dort Felix Daniels zu treffen. Der Junge gibt an, unschuldig verurteilt worden zu sein; er ist deprimiert und körperlich in Mitleidenschaft gezogen. Nach der Rückkehr in die Stadt nötigt Crispini den Detektiv, bei ihr zu bleiben, um ihm weitere Informationen zu geben. O’Toole versteht nicht, in welchem Verhältnis sie zu Felix und dessen ermordetem Onkel steht. Doch Angela tut sich schwer, es ihm zu sagen, ohne ihn dabei zu berühren und vertraulich zu werden…
 
“Everything is possible and impossible at the same time, right?“ In den USA hassten Publikum und Kritiker diesen zu Teilen bizarren Neo Noir, der sich allen Schubladen des Thrillerkinos und des klassischen Melodrams partout verweigert. “In “Everybody Wins”, playwright Arthur Miller (…) and director Karel Reisz (…) experiment wildly in film noir and parareality”, bemühte sich Desson Howe im Januar 1990 in der Washington Post immerhin um etwas wie das Aufspüren von Zusammenhängen und Intentionen. Im Übrigen hagelte es Verrisse, die meisten von Ihnen derart verächtlich und abwertend, dass sie 24 Jahre nach dem Kinostart von Everybody Wins selbst merkwürdig anmuten. Was ist so hassenswert daran, dass Everybody Wins, getreu seinem zutiefst sarkastischen Titel, in keine der Genreschubladen passt, die voller Etiketten bereit stehen, um dem Reigen unserer Erwartungen Rechnung zu tragen. Nun, so schwer ist das nicht zu erklären. Auf seine Weise ist Everybody Wins für den Zuschauer so frustrierend wie Jahre zuvor Arthur Penns brillanter Neo Noir Die heiße Spur (USA 975), darin sich die Zuverlässigkeit gewonnener Erkenntnisse ebenfalls von einem Moment zum nächsten aus der Sphäre der Tatsachen ins Nichts verabschiedete. Was hier mit Übernahme der Untersuchung in einem Mordfall beginnt, entwickelt sich zu einem fließenden Gewässer aus Gewinn und Verlust von Sinnzusammenhängen, die bald so schnell zerfallen, wie sie sich im Mund der Protagonisten zu Worten formen. Jeder in diesem Film ist für sich und für seine Nächsten ein Garant der Unzuverlässigkeit, womit die Handlung für alle Charaktere zu einer Tour de force vergeblicher Kontaktaufnahmen und gescheiterter Versuche von Kommunikation wird. Und was im Ganzen zwar kein Meisterwerk des Neo-Noir-Kinos wurde, zeigt im Detail eine merkwürdig luzide Qualität, auf die man sich als Zuschauer nur eben auch einlassen muss.
 
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© Studiocanal GmbH

 
Im Englischen bezeichnet das Wort “offbeat“ das Abseitige und Eigenwillige, und es kennzeichnet diesen Film wie sonst nichts. Everbody Wins ist zwar dem Erzählkino verpflichtet und steht in mehrfacher Hinsicht in der Film-Noir-Tradition, zugleich verweigert er sich jedwedem kommerziellen Kalkül. Wenn O’Toole beim ersten Besuch der Drop-Outs Jerry (Will Patton) und Amy (Kathleen Wilhoite) glaubt, dass auf ihn geschossen würde, ist das ein Irrtum - wie nahezu alles in dieser Geschichte. Als er Amy nach Jerry und dessen Aufenthaltsort fragt, schläft sie mitten in der Konversation kurz ein, um dann plötzlich doch auf seine zuletzt gestellte Frage zu antworten. Nicht nur die Protagonisten, auch der Zuschauer reagiert angesichts solch permanent auf der Kippe stehender, fragiler Situationen irritiert, und das ist eindeutig auch die Absicht von Drehbuchautor Arthur Miller und Regisseur Karel Reisz. Nick Nolte, der bereits bei dem Neo Noir Dreckige Hunde (USA 1978) mit Reisz gearbeitet hatte, und auch Debra Winger (Die schwarze Witwe, USA 1987) sind klasse. Aber es sind Will Patton und Kathleen Wilhoite, die grandioses Schauspiel bieten und ihre Charaktere ohne Netz und doppelten Boden zum Leuchten bringen. Allen Filmliebhabern, die ein solches Drama weit abseits des Hollywoodmainstreams nicht scheuen, sei dieser letzte Spielfilm des Tschechen Karel Reisz daher empfohlen.
 
Erstklassige DVD-Ausgabe (2005) von Arthaus / Studiocanal mit dem Film ungekürzt im Originalformat, Tonspuren auf Deutsch und Englisch, optional deutsche Untertiteln, dazu den Kinotrailer und eine 25minütige Dokumentation über den Schauspieler Nick Nolte als Extras.
 

 

Neo Noir | 1990 | USA | Karel Reisz | Jack Warden | Nick Nolte | Will Patton | Debra Winger | Kathleen Wilhoite

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