Bewertung
****
Originaltitel
De battre mon coeur s'est arrêté
Kategorie
Neo Noir
Land
FRA
Erscheinungsjahr
2005
Darsteller
Romain Duris, Niels Arestrup, Gilles Cohen, Joanathan Zaccai, Linh Dan Pham
Regie
Jacques Audiard
Farbe
Farbe
Laufzeit
102 min
Bildformat
Widescreen
Paris: Der 28jährige Thomas Seyr (Romain Duris), genannt Tom, sitzt mit seinem Freund Sami (Gilles Cohen) zusammen und hört sich die Geschichte von dessen Vater ab. Der Freund litt darunter, wie sein Vater gegenüber dem Erwachsenen seine autoritäre Position aufgab und schließlich als kranker Mensch gepflegt werden musste. Ein Jahr nach dessen Tod wurde Sami selbst Vater und begriff, dass die Sterblichkeit in sein Leben eingezogen war. Tom arbeitet für seinen Vater Robert (Niels Arestrup), einen skrupellosen Immobilienmakler. Nachts setzt er mit Sami und Fabrice (Jonathan Zaccai) in Mietshäusern Ratten aus, stellt Wasser und Strom ab und zwingt die Bewohner zum Verlassen und die Eigentümer zum Verkauf der Häuser. Thomas Seyr liefert sich Auseinandersetzungen mit Mieterschutzverbänden und treibt für seinen Vater Schulden ein. In Bars prügeln sich die drei Kumpane mit anderen Gästen und zerschlagen das Inventar. Als Tom sich mit seinem Vater in einem Restaurant trifft, stellt ihm jener das Fotomodell Chris (Emanuelle Devos) vor, das der Witwer 10 Jahre nach dem Tod von Toms Mutter Sonia heiraten will. Auf die Frage nach seiner Meinung macht ihm Tom klar, dass er Chris für eine Hure hält und verschwindet. Als er an einem Konzerthaus vorüber fährt, erkennt er seinen alten Lehrer Mr. Fox (Sandy Whitelaw) im Eingang und läuft ihm hinterher. Die beiden sprechen kurz miteinander und Fox bedauert, dass der talentierte Tomas Seyr nach dem Tod seiner Mutter, einer berühmten Pianistin, das Klavierspiel aufgegeben habe. Er gibt ihm seine Visitenkarte und lädt ihn zu einem Vorspielen ein…
Nachdem Thomas Seyr mit seiner Meinung über Chris seinen Vater auf der Straße hat stehen lassen und auch der Zuschauer darüber im Bilde ist, was für ein skrupellos egoistischer, verkorkster Kerl dieser junge Mann ist, hört er im Auto Monkey 23 von The Kills: „There’s a monkey on my back / Makes me act like that…“ Es sind die Details in einer durchweg brillanten Inszenierung von Jacques Audiard, die dieses Drama mit Anteilen des typisch französischen Thrillerkinos so sehenswert machen. Die Einblicke ins Treiben der Immobilienmafia, die vollends idiotische Auffassung vom Begriff der Erwerbsarbeit - wunderbar porträtiert in Toms erstem, zaghaftem Versuch, einen Klavierlehrer für sich zu gewinnen - sind Vater und Sohn längst unter die Haut gekrochen. Auch Tom ist zu Teilen ein rüder und plan materialistischer Typus, versessen auf seinen Anteil und auf den nächsten Kick. Aber die in ihm schlummernden Gene der Mutter lassen ihn zur Musik zurückkehren, lassen ihn der Sinnsuche nicht entrinnen. Wenn er das erste Mal die alten Audiokassetten seiner Mutter Sonia Seyr bei ihren Klavierstunden in den 70er Jahren lauscht und sich danach ans Klavier setzt und selbst ein bisschen probiert, sind das die wirklich wunderbaren Sequenzen in diesem abgewandelten Remake von James Tobacks Kultfilm Finger - Zärtlich und brutal (USA 1978), darin Harvey Keitel die Rolle des Pianisten und Maklers Jimmy Fingers spielte. Doch Hauptdarsteller Romain Duris und ein durch die Bank exzellent besetztes Ensemble laufen in der französischen Neufassung diesem Original in keiner Hinsicht hinterher.
Aber trotz aller Brillianz der Darsteller und Darstellerinnen, der Dramaturgie seitens Drehbuch und Regie und der Schauplätze inmitten von Paris lässt mich die Geschichte Thomas Seyrs in diesem mehrfach preisgekrönten und von der Filmbewertungsstelle Wiesbaden als besonders wertvoll eingestuften Film eigentümlich kalt. Ja, der Charakter ist vielschichtig und gebrochen, und der Zuschauer bleibt durch den bewusst und geschickt geknüpften narrativen Strang der Autoren Jacques Auduard und Tonino Benacquista immer dicht an seinen Facetten und seiner Ausdrucksvielfalt. Der wilde Schlag meines Herzens ist europäisches Erzählkino auf einem hohen Niveau. Dennoch bleibt diesem Neo Noir französischer Prägung, der ganz sicher kein Genrewerk im Sinne eines typischen Kriminalfilms oder Thrillers genannt werden sollte, nach meiner Meinung die Meisterschaft ebenso verwehrt wie seinem Rollencharakter Tom Seyr diejenige des Klavierspiels. Vielleicht liegt es daran, dass die Geschichte von den zwei Seelen in einer Brust schon zu oft auf diesem hohen Niveau vorgetragen wurde. Sich Der wilde Schlag meines Herzens anzusehen, ist andererseits kein Fehler. In der Flut der mittelprächtigen und sogar der besseren Filmdramen hat sein Autor und Regisseur etwas, das mehr und mehr verloren geht, eine ureigene Handschrift nämlich. Es bleibt ein allemal sehr guter Film von einem großen Filmschaffenden.
Erstklassige DVD-Edition (2006) der Concorde Home Entertainment GmbH, München, mit dem Film ungkürzt im Originalformat, wahlweise deutsche oder französische Tonspur, optional deutsche Untertitel, den deutschen und den französischen Kinotrailer sowie mehrere Interviews als Extras. Sehenswert.