Post Noir
| USA
| 1962
| John Frankenheimer
| Lionel Lindon
| Barry Kelley
| Frank Sinatra
| Henry Silva
| James Gregory
| Lloyd Corrigan
| Whit Bissell
| Angela Lansbury
| Janet Leigh
Bewertung
****
Originaltitel
The Manchurian Candidate
Kategorie
Post Noir
Land
USA
Erscheinungsjahr
1962
Darsteller
Frank Sinatra, Laurence Harvey, Janet Leigh, Angela Lansbury, Henry Silva
Regie
John Frankenheimer
Farbe
s/w
Laufzeit
121 min
Bildformat
Widescreen
© Metro-Goldwyn-Mayer Studios Inc.
Korea 1952: Captain Bennett Marco (Frank Sinatra) und sein Staff Sergeant Raymond Shaw (Laurence Harvey) fahren per Lkw zu einem Bordell und sammeln ihre dort versammelten Soldaten ein. Auftrag der Infanteristen ist, als Stoßtrupp des Nachts feindliche Stellungen zu erkunden, weshalb Ihnen mit Chunjin (Henry Silva) ein ortskundiger Koreaner zur Seite steht. Aber nach dessen Angaben ist das Gelände schwierig und die Situation gefährlich. Als die Männer auf Chunjins Raten ein Sumpfgebiet in einer Linie durchqueren, gerät Marcos Stoßtrupp in einen Hinterhalt nordkoreanischer Soldaten und wird gefangen genommen. Nur dank des Wagemuts von Sgt. Shaw können der Captain und seine Soldaten nach drei Tagen aus den Klauen des Feindes befreit werden… So lautet zumindest die offizielle Version, weshalb Raymond Shaw nach seiner Heimkehr - als einer von 77 Soldaten während des Koreakrieges - durch US-Präsident Harry S. Truman mit der höchsten Auszeichnung der US-amerikanischen Regierung, mit der Medal of Honor geehrt wird. Zugleich überwirft sich Raymond mit seiner ehrgeizigen, steinreichen Mutter (Angela Lansbury), die ihren zweiten Mann und Raymonds Stiefvater Senator John Yerkes Idelin (James Gregory) in seiner politischen Karriere als Hoffnungsträger der Republikaner aufbaut. Als der Koreakrieg im Jahr 1953 endet, ist Major Bennett Marco bei der United States Army Intelligence (USAI) in Dienst. Doch Nacht für Nacht plagen den Soldaten Alpträume, darin sich die letztjährigen Ereignisse nach Gefangennahme durch die Koreaner deutlich anders darstellen…
“Despite Frankenheimer’s lack of consideration for the formal closing of the film noir period, and regardless of its characterization of “political thriller”, The Manchurian Candidate is a valid representation of the existential motifs of film noir”, schreibt die Kolumnistin Jude Seymour in ihrem Artikel The Existentialist Motifs and Film Noir Conventions of The Manchurian Candidate. Und Glenn Erickson verfasste für seine Rezension bei DVD Talk: “Still the most sophisticated of paranoid thrillers, The Manchurian Candidate is the link between film noir and the later conspiracy-minded movies of the 1970s”. Der Post Noir Botschafter der Angst und sein Regisseur John Frankenheimer sind deutlich in den Sechzigern angekommen, obgleich sich der Film zugleich auf die hochwertige Film-Noir-Tradition des vorherigen Jahrzehnts bezieht. Im Anschluss an Stanley Kubrick, Orson Welles, Robert Wise und sicher auch Alfred Hitchcocks Psycho (USA 1960) bringt Frankenheimer eine Kälte und Härte in der Darstellung zum Tragen, die für sein eigenes Werk in Schwarzweiß bis einschließlich 1966 - Der Mann, der zweimal lebte (USA 1966) ist bis heute einer der Geheimtipps der Sechziger - und auch für den Neo Noir ab John Boormans Point Blank - Keiner darf überleben (USA 1967) richtungsweisend und stilbildend wurde. Dramaturgie und Schauspielerleitungen sind sehr gut bis geradezu herausragend. Vor allem aber die Inszenierung der zwei Stunden – eine Traumsequenz zu Beginn des Films ist (in der ungekürzten Fassung) fulminant geschnitten – und die Kameraarbeit Lionel Lindons (Lasst mich leben, USA 1958) sind brillant.
© Metro-Goldwyn-Mayer Studios Inc.
Botschafter der Angst reflektiert das gesellschaftspolitische Klima in den USA der 50er und versteht sich als Kommentar zur McCarthy-Ära, die er boshaft und höchst intelligent karrikiert. Dennoch verzichtet John Frankenheimer in solch tief verschatteter Atmosphäre des Unwohlseins aufgrund Intrigen, Lügen, Ränkespielen nicht gänzlich auf Schwarzweißmalerei. Sein Bild des nordkoreanischen Regimes bedient die Angst vor einer kommunistischen Weltverschwörung und Frank Sinatra als Major Bennett Marco ist als der zentrale Film-Noir-Charakter dennoch Sympathieträger und zugleich Aufklärer einer Verschwörung, die ihre Wurzeln tief in den Reihen der erzkonservativen Kräfte der US-Politik hat. An solchen Stellen wünscht sich der Zuschauer, dass Frankenheimers Film sich noch weiter von den Konventionen des Hollywoodfilms entfernte, wozu vielleicht ein Verzicht auf den Schauspieler Frank Sinatra und eine bessere Ausstattung jener Rolle der Eugenie Rose Chaney (Janet Leigh) hätte beitragen können, da letztere zu dekorativ und blass ausfällt. Für viele US-Amerikaner, wie etwa den Filmkritiker Roger Ebert, ist Botschafter der Angst ein Meilenstein des US-Kinos der Sechziger. Für Europäer ist solcher Superlativ ggf. nicht ganz nachvollziehbar. Was bleibt, ist ein allemal düsterer und stellenweise radikal unerschrockener Thriller, der die Post-Noir-Phase der Frühsechziger um einen definitiv unsentimentalen und zukunftsweisenden Beitrag bereichert. In der Originalfassung überaus empfehlenswert!
Die MGM Home Entertainment GmbH brachte eine DVD-Edition (2004), die dem Film in keiner Weise gerecht wird. Die gleiche Fassung erschien auch in der SZ Cinemathek der Süddeutschen Zeitung (2006). Bereits 1963 wurde für die deutsche Kinofassung eine relevante Traumsequenz um 4 Minuten und 8 Sekunden gekürzt - und so auch hier. Die auf den o.a. DVDs angebene Laufzeit von 121 Minuten ist defintiv falsch; der Film endet nach etwas über 117 Minuten (inkl. Abspann), vgl. dazu Schnittberichte.com. Zudem gibt es nur den deutschen Ton mit der z.T. asynchronen und sprachlich plumpen Altsynchronisation, d.h. keinen Originalton und keine Untertitel. Der Film läuft im falschen Bildformat, - Vollbild 4:3 - was zu erheblichem Bildverlust führt. Nur die in den USA publizierte BD (2012) und DVD (2007) sowie die mit vielen Extras von Arrow Films (UK) veröffentlichte BD- plus DVD-Edition (2015) sind korrekt – ungekürzt im Originalformat (Widescreen 1.75:1) mit der englischen Tonspur und mit u.a. englischen Untertiteln. Trotz fehlender deutscher Tonspur sind das die weltweit einzig empfehlenswerte Fassungen, da die deutschen DVDs (2004 bzw. 2006) den Film völlig verstümmeln.