Film Noir
| USA
| 1950
| Cyril Endfield
| Guy Roe
| Art Smith
| Frank Lovejoy
| Harry Shannon
| Lloyd Bridges
| Richard Carlson
| Adele Jergens
| Kathleen Ryan
Bewertung
*****
Originaltitel
Try and Get Me! / The Sound Of Fury
Kategorie
Film Noir
Land
USA
Erscheinungsjahr
1950
Darsteller
Frank Lovejoy, Richard Carlson, Kathleen Ryan, Lloyd Bridges, Katherine Locke
Regie
Cyril Endfield
Farbe
s/w
Laufzeit
88 min
Bildformat
Vollbild
“Where will you spend eternity? Heaven or hell?” steht auf dem Banner eines blinden Predigers (Treacy Emerson) über der belebten Hauptstraße Santa Sierras, wo die Leute zur Mittagszeit vorüber ziehen… Nachts pickt an einer Raststätte ein Lastwagenfahrer der Wells Truckways Ltd. den Anhalter Howard Tyler (Frank Lovejoy) auf, der nach Arbeit suchte und auf dem Heimweg nach Santa Sierra ist, wo ihn seine Familie erwartet. Dort angekommen, gibt er seinem Sohn Tommy (Donald Smelick) 50 Cents für den Besuch eines Baseballspiels, doch seine schwangere Frau Judy (Kathleen Ryan) ist enttäuscht, dass Howard keinen Job fand. Sie wünscht sich zurück nach Boston, denn von dort brachen sie auf, um im sonnigen Kalifornien ein besseres Leben zu führen. Aber Howard ist müde und wütend und zieht von dannen. In der Bar einer Bowlingbahn trinkt er ein Bier, wo soeben auch der Journalist Gil Stanton (Richard Carlson) mit dem Barkeeper plaudert. Der Bowlingpieler Jerry Slocum (Lloyd Bridges), der sich hier als einziger zur frühen Stunde übt, bittet Howard ihm seine Schuhe zu reichen. Er stellt sich vor und die beiden, die je bei der Armee waren, wenngleich nur Jerry sein Weg als G.I. nach Paris und Berlin führte, kommen ins Gespräch. Jerry Slocum hat schnell heraus, dass Howard verzweifelt einen Job sucht und bietet an, ihm zu helfen. Howard Tyler begleitet Jerry in dessen Apartment, wo ihm der neue Freund seine Garderobe und edles Parfüm vorführt und ihm dann anbietet, für einen Freund ein Auto zu fahren, denn es sei ein gut bezahlter Job. Nur ein Auto fahren, weiter nichts…
“I wish we were back home. At least we weren’t beggars.” Dieser Film Noir des Regisseurs Cyril Endfields basiert auf dem Roman The Condemned von Jo Pagano, der auch das Drehbuch verfasste und dem wiederum die gleichen Ereignisse zugrunde lagen, die seinerzeit Fritz Lang zu seinem Pre Noir Blinde Wut (USA 1936) inspirierten. Aufruhr in Santa Sierra ist einer jener Filme, die man aus einer Zeit, da die beginnende McCarthy-Ära in Form von Berufsverbot, Zensur und Schauprozessen ihren Tribut forderte, einfach nicht erwartet. Ein kompromisslos hartes Sozialdrama, darin Howard Tyler als eingangs ehrlicher doch bettelarmer Familienvater zwischen die Stühle gerät und nach einem Verbrechen, bei dem er Mittäter ist, in der Mühle gesellschaftlichen Furors - ausgelöst durch den lokalen Sensationsjournalismus - zermahlen wird: “We got a right to live a little too.” Cyril Endfields Film ist aber nicht nur härter, er ist auch glaubwürdiger und deshalb besser als derjenige Fritz Langs. Sein entscheidendes Problem war einfach, dass er im Jahr 1950 gedreht wurde und zudem seine semidokumentarische Herangehensweise im Zusammengehen mit dem bitterbösen Finale nicht den erwarteten “Unterhaltungswert“ generierte. Noch heute besticht der Film durch die nachvollziehbare und unnachgiebige Entwicklung einer Erzählung, die unterschiedliche Etagen der US-Gesellschaft vorführt, ohne dass es im mindesten angestrengt oder konstruiert wirkt.
Dreh- und Angelpunkt aller Gespräche, Zielsetzung aller sozialen Beziehungen - von Mann zu Mann sowie zwischen den Geschlechtern - ist das Geld. Von Anbeginn wird klar, inwieweit die Gesellschaft auf allen Ebenen einzig und allein vom Materialismus bestimmt wird. Tommy Tyler will gegenüber seinen Schulkameraden nicht zurückstehen. Judy Tyler will um Arzttermine nicht betteln müssen. Howard Tyler will seiner Familie einen Fernseher kaufen. Jerry Slocum will sich seine Anzüge maßschneidern lassen. Und Hal Clendenning (Art Smith) will seine Zeitung verkaufen, dass es in der Kasse nur so klingelt. “Hal works on a very fundamental formula. People love to be scared to death. The more you scare them, the more papers they buy”, erläutert Gil Stanton. Es ist der gleiche Abend, da er im Garten seines hübschen Hauses eine Grillparty gegeben hat: “I can’t talk business on an empty stomach.” Großartige Darstellungen von Frank Lovejoy und Lloyd Bridges, - Vater von Beau und Jeff Bridges - eine stringente Regie und eine Kameraarbeit mit reichlich Low-Key-Beleuchtung runden einen ungewöhnlichen, packenden Film der frühen 50er und einen fast verschollenen Film Noir der Extraklasse. Regisseur Cyril Endfield wurde mit Berufsverbot belegt und ging wie Joseph Losey nach England ins Exil. Lloyd Bridges - mit dem Endfield bei Wer ist Kendall Brown? (UK 1953) wieder zusammenarbeitete - kam nochmals davon.
Try And Get Me! erschien in bild- und tontechnisch exzellenten BD- und DVD-Editionen (2016) bei Olive Films in den USA, nachdem die Film Noir Foundation, USA, den Klassiker 2014 aufwendig restaurierte und nach über 6 Jahrzehnten in hochwertiger Qualität wieder zugänglich machte. Die digitalen Bildträger präsentieren das Werk ungekürzt im Originalformat mit dem original englischen Ton plus wahlweise englischen Untertiteln und ohne weitere Extras. Für den Film-Noir-Fan ist das Werk unverzichtbar!