Neo Noir
| UK
| 2002
| Steven Knight
| Stephen Frears
| Chris Menges
| Benedict Wong
| Damon Younger
| Sergi López
Bewertung
****
Originaltitel
Dirty Pretty Tricks
Kategorie
Neo Noir
Land
UK
Erscheinungsjahr
2002
Darsteller
Chiwetel Ejiofor, Audrey Tautou, Sergi López, Sophie Okonedo, Benedict Wong
Regie
Stephen Frears
Farbe
Farbe
Laufzeit
93 min
Bildformat
Widescreen
London: Tagsüber fährt der illegale Einwanderer Okwe (Chiwetel Ejiofor) für ein Taxiunternehmen Leute vom Flughafen Stansted in die Innenstadt. Als sein Chef (Jeffery Kissoon) sich eine Geschlechtskrankheit einfängt, fragt er Okwe, von dem er weiß, dass er in Nigeria Arzt war, um Rat und bittet ihn, die nötigen Medikamente zu besorgen. Nachts arbeitet Okwe im Baltic Hotel als Nachtportier am Empfang. Dort steht Ivan (Zlatko Buric) in Livree vor der Tür und empfängt ankommende Gäste, wenn er nicht auf einen Plausch mit Okwe mal schnell herein kommt. Und dort geht die Prostituierte Juliette (Sophie Okonedo) durch Hintertüren ein und aus – eine Person, die von sich selbst sagt, dass sie vor Ort gar nicht existiert. Um fünf Uhr morgens kommen die Frauen der Putzkolonne, auch sie allesamt illegal im Land, unter ihnen die junge Türkin Senay Gelik (Audrey Tautou), bei der Okwe eine Couch gemietet hat, um am Morgen einige Stunden zu ruhen. Tatsächlich schläft er so gut wie gar nicht, denn um seinen Lebensstil durchzustehen, besorgt er sich in einem Imbisslokal, dessen Besitzer (Kenan Hudaverdi) ein Bekannter ist, regelmäßig Khatblätter, die er kaut, um wach zu bleiben. Eines Nachts kommt Juliette an die Rezeption und weist Okwe darauf hin, dass er in Zimmer 510 besser mal nachsehen und etwas aufräumen solle. Als er das Zimmer betritt, stellt er sofort fest, dass im Bad die Klospülung läuft und sich das Wasser aus der Toilette bereits über die Fliesen ergießt. Okwe biegt sich einen Drahtbügel zurecht und versucht, die Verstopfung zu bereinigen. Plötzlich steigt aus der Tiefe des Abflusses Blut empor…
„This neo-noir set in multicultural London is director Stephen Frears' grandest film in a decade - and features the worst toilet scene since “Trainspotting”, schrieb Andrew O’Hehir für Salon.com (2003) und das trifft den Nagel auf den Kopf. Kleine schmutzige Tricks ist ein klasse Film, denn er beruht auf einem Drehbuch, das durch und durch Klasse zeigt – voller schillernder, erstklassig porträtierter Charaktere und ebenso mit zugespitzten Dialogen, deren Sprachspiele an die Film-Noir-Tradition anschließen. “You know, Okwe, good at chess usually means bad at life“, eröffnet die Hilfskraft in der Pathologie des Shoreditch Hospitals - Guo Yi (Benedict Wong) ist Okwes Schachpartner in den Stunden zwischen seinen Jobs und sein Lieferant für illegal benötigte Arzneien - dem Freund in einer Schicksalsstunde. Und genau davon berichtet Stephen Frears in seinem Film, hierauf will er hinaus - die Schicksale illegaler Einwanderer in der Metropole des Königreiches. “How come I've never seen you people before?” fragt ein englischer Arzt zu einem späten Zeitpunkt des Films den Nigerianer Okwe. Und jener antwortet in aller Seelenruhe, die seiner Persönlichkeit entspricht: “Because we are the people you do not see. We are the ones who drive your cabs. We clean your rooms. And suck your cocks.“
© Studiocanal GmbH
Der Film gehört darstellerisch Chiwetel Ejiofor, wenngleich sowohl Audrey Tautou als auch Sergi López als schmieriger und gewiefter Hotelmanager in ihren Rollen voll zu überzeugen wissen. Okwe ist der Film-Noir-Charakter, ein Mann mit einem Geheimnis tief in seiner eigenen Vergangenheit und einer ohne Rechte in der Gegenwart und ohne Hoffnung auf eine bessere Zukunft. Er ist klug und hat sich in einem Leben in der Illegalität gut eingerichtet, bis ihn die Liebe zu einer Frau und die unerwartete Zuspitzung von Ereignissen in seinem Umfeld, die auch ihn betreffen, aus dem Tritt bringen. Eine Riege erstklassiger Darsteller in erstklassigen Rollen, wunderbare Drehorte inmitten der pulsierenden Weltstadt London, die formidable Kameraarbeit von Chris Menges (Der Dieb von Monte Carlo, FRA/UK/IRL/CAN 2002) und Stephen Frears’ pointierte Regie machen aus Kleine schmutzige Tricks einen Hochgenuss für Freunde des Neo Noirs und andere Cineasten. Bloß die letzten 20 Minuten scheinen sehr den Gesetzen des Unterhaltungskinos Folge zu leisten, dermaßen „herzensgut“ ziehen sie alle an einem Strang, dass es zum grau-grimmigen Setting plötzlich in einem Gegensatz steht. Es fällt schwer, darüber hinweg zu sehen, obgleich es Andrew O’Hehir immerhin versucht: “Still, if “Dirty Pretty Things” veers from bleak urban naturalism to artificial wish-fulfillment (…), perhaps that’s the role of the movies.” Zuletzt hätte man Autor Steven Knight noch etwas mehr Mut und Biss gewünscht. Trotzdem bleibt Kleine schmutzige Tricks ein sehenswerter, beinahe exzellenter Film, den man sich anschauen sollte.
Erstklassige, inzwischen vergriffene DVD von Buena Vista Home Etertainment, Inc. (2005) - sowohl in der englischen als auch in der deutschen Ausgabe ungekürzt und im Originalformat, bildtechnisch topp, in der hiesigen Version auch die deutsche und die englische Tonspur, dazu wahlweise deutsche, englische, spanische Untertitel, nur Extras gab es keine. Am 3. Mai 2012 erscheint bei Arthaus / Studiocanal die deutsche Neuausgabe.