Miguel Ferrer, John Livingston, Yasiin Bey, John Slattery, Allison Dean
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© Paramount Pictures Corp.
New York: Bei Premiere ihres dreistündigen Dokumentarfilms Water In The Apple über die Wasserversorgung der Metropole am Hudson River im legendären Rialto Theatre am Times Square Ecke 42ste Straße empfangen die Filmemacher A.J. Edison (John Livingston) und Wilt Crawley (Yasiin Bey) 16 Zuschauer. Sogar die sind nach dem Genuss des überlangen Werks alles andere als überzeugt, und die anschließende Premierenfeier gerät zum Debakel. Ein Gast gibt ihnen obendrein den Rat, sich für ihr nächste Projekt ein Thema auszusuchen, das etwas mehr hergäbe… In Los Angeles, Kalifornien, dreht das Duo kurz darauf eine Dokumentation über die Detektei “Boone & Murphy“, gegründet und betrieben von den Privatdetektiven Joe Boone (Miguel Ferrer) und Kevin Murphy (John Slattery), zu denen sich im Vorzimmer noch Sekretärin Angela (Allison Dean) gesellt. Boone gibt zu verstehen, dass die Arbeit als Private Eye weit weniger glamourös ist, als die Leute, die solche nur aus dem Fernsehen oder dem Kino kennen, sich das vorstellten. Tatsächlich besteht sein Alltag aus Rechnungen an seine Detektei, die mit Miete, Strom, Telefon und anderem ständig im Verzug ist, und aus der Beschattung von Verdächtigen, die als Simulanten oder Lügner womöglich ihre Arbeitgeber betrügen. Zugleich ist Joe Boone ein Romantiker. Er träumt davon, früher oder später selbst einen Fall wie den der schwarzen Dahlie, jenen nie aufgeklärten, brutalen Mord an der Gelegenheitsarbeiterin Elisabeth Short im Jahr 1947 bearbeiten zu können…
”I am a private eye in the City of Angels. I like to walk on the wild side.” Daniel Pynes Mockumentary Jagd auf Marlowe, eine Hommage an den Berufsstand des Privatdetektivs im US-amerikanischen Spiefilm und damit an den klassischen Film Noir, ist mir zutiefst sympathisch. Das Ganze ist witzig und selbstironisch; auch verkörpert mit Miguel Ferrer als Joe Boone ein hochkarätiger Schauspieler die zentrale Figur des Films, und zugleich haben die anderen Beteiligten auch sichtlich Spaß. Allerdings braucht man einiges an Geduld, muss über die Hürde der ersten 20 Minuten hinwegkommen, während der Daniel Pynes Film eine Dynamik entwickelt, welche viele zeitgenössische Zuschauer als zäh empfinden werden. Jenseits davon war ich von der Handlungsentwicklung zumindest zeitweise angetan. Oder vielleicht sollte ich eher sagen, von deren Konzeption und vom Einbezug der beiden Dokumentarfilmer in die detektivische Arbeit Joe Boones, nachdem dessen Partner Kevin Murphy mit Sonny Collins‘ (Clayton Rohner) Sekretärin Emma Huffington (Barbara Howard) ein Verhältnis unterhielt. Collins ist dummerweise selbst Klient der Detektei, der wiederum Boone den Auftrag gab, den Liebhaber seiner Sekretärin zu identifizieren, was zum Ende der Partnerschaft der Detektive führt… In der zweiten Hälfte will der auf sich selbst gestellte Joe Boone, ein ebenso romantischer wie altmodischer und teils untalentierter Detektiv, tatsächlich einen Mordfall aufklären. Um das bewerkstelligen zu können, muss er auf die Hilfe der Filmemacher zurückgreifen, die ihrerseits die begonnene Dokumentation zu retten versuchen, indem sie Boone vor der Pleite bewahren und damit hoffen ihre Arbeit zu vollenden.
“Ferrer did not get to play many leading roles but he (…) is completely believable as an old-fashioned private investigator struggling to survive in the modern world”, schreibt Jedadiah Leland für Through The Shattered Lens. Nicht wenige Kritiker sind der Ansicht, dass der Film vor allem wegen Miguel Ferrers Leistung sehenswert ist, und das ist nicht falsch. In seiner zweiten Hälfte, wenn anstelle des Dokumentarfilms der darin beinhaltete Kriminalfall in den Mittelpunkt rückt und es also spannend werden sollte, verflacht die Geschichte. So war ich selbst einige Zeit darauf eingestellt, dem Werk vier Sterne zuzugestehen. Jagd auf Marlowe erinnert an eine Art der Filmproduktion, die im Zug der extremen Kommerzialisierung und der stark neokonservativen Strömungen im Kinofilm der letzten Jahrzehnte praktisch ausgestorben ist. Während der 90er Jahre gab es so aberwitzige Überraschungserfolge wie Alan Rudolphs Equinox (USA/CAN 1992), Kevin Smiths Clerks (USA 1994), Jim Jarmuschs Dead Man (USA/GER/JPN 1995) oder Josh Beckers Running Time (USA 1997), die sich selbst und ihre Charaktere mit Verve und Wärme auf die Schippe nahmen. Demgegenüber ist das Hollywood-Kino des 21sten Jahrhunderts dank CGI und jenem infantilen Comic-Strip-Hype eine pompöse Kommerzmaschine, schlimmer als je zuvor in der Historie der US-Filmproduktion. Allein deshalb ist Daniel Pynes liebevolle Hommage an den Film Noir schätzenwert. An und für sich bleibt der Film jedoch hinter seinen Möglichkeiten und seiner Intention zurück, und dies schmälert das Vergnügen am Ende für mich zu sehr.
Trotz seiner Obskurität ist Jagd auf Marlowe weltweit (allerdings nicht in der Bundesrepublik Deutschland) auf DVD erschienen, etwa in den USA unterm Originaltitel Where’s Marlowe? via Paramount Home Video (1999) mit der original englischen Tonspur, optional englischen Untertiteln und im korrekten Bildformat (Widescreen, 16:9), bild und tontechnisch einwandfrei, dazu den original Kimotrailer als Extra.