Sieger, Die

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Psychologische Verteidigung


Concorde Home Entertainment


Eddie Muller


Wenn es Nach wird in Paris


Film Noir Collection Koch Media GmbH


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Bewertung
***
Originaltitel
Die Sieger
Kategorie
Neo Noir
Land
GER
Erscheinungsjahr
1994
Darsteller

Herbert Knaup, Katja Flint, Hansa Czypionka, Heinz Hoenig, Heinrich Schafmeister

Regie
Dominik Graf
Farbe
Farbe
Laufzeit
141 min
Bildformat
Widescreen

 


 

 © Concorde Home Entertainment GmbH

Düsseldorf, Landeshauptstadt Nordrhein-Westfalens im Westen der Bundesrepublik Deutschland, im Jahr 1990: Der Polizeibeamte Karl Simon (Herbert Knaup) fährt an einem Sommertag mit seinem Kollegen und Freund Heinz Schäfer (Hannes Jaenicke) in seinem VW Passat Kombi über die Rheinkniebrücke Richtung Stadtzentrum. Die beiden sind auf dem Weg zu Schäfers Ehefrau Angelika (Meret Becker), die vor zwei Tagen im Krankenhaus ein Kind gebar, welches wahrscheinlich schwerbehindert ist. Die Mutter durfte das Kind bis jetzt nicht sehen und wird mit Medikamenten ruhig gehalten, weshalb sie im Schlaf singt. Schäfer sitzt auf dem Beifahrersitz und raucht, auf seinen Knien ein Korb mit frischem Obst. Karl Simon versucht den sichtbar deprimierten Kollegen zu trösten, indem er ihn daran erinnert, dass seitens der Ärzte noch nichts definitiv sei. Als sie unter einer Brücke hindurchfahren, sieht Heinz obenauf eine Schar Kinder mit einigen Erzieherinnen diese überqueren und kann den Blick nicht abwenden. Vor dem Eingang des Hospitals steigt er mit dem Obstkorb und einem Strauß Blumen aus, und als Karl ihn fragt, ob er auf ihn warten solle, sagt ihm Heinz, dass es nicht nötig sei. Just als Schäfer durch den Eingang geht, kommt ihm ein lachendes Paar mit einem Baby im Arm entgegen, von den Großeltern des Neugeborenen flankiert. Auf der Station geht Heinz Schäfer selbstständig bis in den Raum, wo sein Sohn immer noch in einem Inkubator liegt, an mehrere Geräte angeschlossen. Er öffnet kurzerhand dessen Deckel…

 

„Der Film legt (…) durchaus Wert auf die eigenen Figuren und das Verhältnis untereinander. Nur, natürlich ist das Ganze nicht", schreibt Oliver Armknecht zum Director’s Cut (2019) des Thrillers von Dominik Graf in einer Besprechung für film-rezensionen.de, die für mich den Nagel auf den Kopf trifft. Diese Figuren agieren gespreizt und inszenieren sich in ihren jeweiligen Rollen - die Machos des SEK, die Femme fatale, korrupte Politiker, eine psychisch labile Witwe, der skrupellose Vorgesetzte. Ruckzuck landet Die Sieger genau dort, wohin Graf & Co. nicht hinzielten, bei Stereotypen und Klischees. Schon nach den ersten 15 Minuten nahm ich wider Willen jenes innere Stöhnen bei mir wahr, das besagt: „Alles x-mal gesehen, alles x-mal gehört, nur besser als hier.“ Dominik Graf ist ein Regisseur, der in der Bundesrepublik Deutschland vor der Wende bewies, dass er etwas kann. Sein Neo Noir Die Katze (GER 1988) zählt für mich zu den wenigen Kinoerlebnissen, bei denen ich den Eindruck hatte, eine bundesdeutsche Produktion könne an internationales Niveau anschließen und das obwohl Götz George die Hauptrolle spielt, der als Schauspieler für mich alles andere als ein Favorit war oder ist. In Die Sieger sehen wir im Zentrum Herbert Knaup und Katja Flint, die beide solide agieren - mehr aber nicht, sofern man auch hier den internationalen Vergleich zuließe. Als harter Cop-Thriller, der sich um seine Charaktere bemüht und Actionszenen hintenanstellt, reiht sich Die Sieger an andere Neo-Noir-Produktionen, welche für die erste Hälfte der 90er bis heute signifikant sind. Mike Figgis‘ Internal Affairs (USA/CAN 1990), Sidney Lumets Tödliche Fragen (USA/UK 1990), Bruce Robinsons Jennifer Eight (USA 1992), Abel Ferraras Bad Lieutenant (USA 1992) oder James B. Harris’ Boiling Point (USA/FRA 1993) liegen von Grafs über zweistündigem Drama nicht weit entfernt. Doch Hand aufs Herz! Nick Nolte, Harvey Keitel, Joe Mantegna oder Uma Thurman und Laurie Metcalf, die je darin auftreten, spielen Herbert Knaup und Meret Becker, die für ihre Leistungen 1994 mit dem Bayerischen Filmpreis ausgezeichnet wurden, schlicht an die Wand. 

 

 © Concorde Home Entertainment GmbH

„Jeder macht hier, was er will oder soll, unabhängig davon, ob das noch irgendwie menschlich wirkt. Die Sieger will unbedingt so richtig abgründig sein, vergisst dabei aber die Feinarbeit“, lautet ein zweites Zitat aus Oliver Armknechts Rezension, welches ans erste anschließt. Anders ausgedrückt: Die Figuren überzeugen nicht. Ihr Gezeter und Gebrüll verpufft ebenso wie ihr Starren und Posieren – fast alles wirkt übertrieben und verzerrt. Im Booklet der DVD-Edition (2019) des Director’s Cuts versucht sich Olaf Möller, der 2017 im österreichischen Filmmuseum zu Wien die wunderbare Retrospektive BRD NOIR kuratierte, an einer Neubewertung von „Grafs Meisterwerk“, das angeblich durch die 10-minütigen Kürzungen an der Kinokasse einst zum Scheitern verurteilt gewesen sei. Ein Meisterwerk lässt sich aber nicht herbeireden. Dominik Graf hatte lange vor der Berlinale 2019 und der dortigen Aufführung seiner Langfassung selbst sinngemäß darauf hingewiesen, dass nach zwei Jahren Produktionszeit und dank der vielen Köche, die bei Kinoproduktionen in Deutschland im Topf herumrühren, vom ursprünglichen Drehbuch Gustav Schütters kaum etwas übriggeblieben sei. Tja, es wäre zu schön gewesen, hätte der Director’s Cut von Dominik Grafs Die Sieger die bundesdeutsche Filmindustrie ihrer in Jahrzehnten gewachsenen Widersprüche und der daraus resultierenden Idiotien überführt, wie das sicher im Sinne seines erzürnten Regisseurs gewesen wäre. Doch der Film ist lange vor Fertigstellung und nicht allein durch die von der der Bavaria Filmproduktion verordneten Kürzungen gescheitert und heute eine Fußnote deutscher Kinogeschichte, kein Meisterstück. Trotz erwähnter Inszenierung rund um dessen finale Schnittfassung 25 Jahre nach Erstaufführung bleibt es so. Und doch ist das in Anbetracht einiger von Dominik Graf exquisit inszenierter Einzelszenen am Ende auch bedauerlich. Knapp 3 Sterne.

 

Vom Director’s Cut gibt es eine bildtechnisch allemal solide, tontechnisch unterdurchschnittliche BD und DVD (2019) der Concorde Home Entertainment GmbH, München, mit dem Film im Originalformat inkl. deutscher Untertitel für Hörgeschädigte und mit zwölfseitigem Booklet inkl. Fotos und Aufsätzen von Olaf Möller und Markus Zimmer, Geschäftsführer der Bavaria Filmproduktion, sowie mit einem Featurette und kommentierten Szenen, zusammen 33 Minuten lang, als Extras.

 


 

Neo Noir | 1994 | International | Dominik Graf | Heinz Hoenig

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