George Sanders, Richard Johnson, Faten Hamamah, John Meillon, Ahmad Mazhar
© Metro-Goldwyn-Mayer Studios Inc.
Von München kommend landet eine DeHavilland Comet 4C der United Arab Airlines auf dem Flughafen von Kairo, Ägypten. Unter den Passagieren ist ein Mr. Becker (George Sanders), der gegenüber einem Beamten der Zollbehörde angibt, er sei in Sachen Design tätig und an den Museen in Kairo interessiert, plane jedoch keine Geschäftsaktivitäten. Mit einem Bus der Fluglinie lässt er sich ins Stadtzentrum bringen, wo er in eine Droschke umsteigt, die ihn zum Museum für ägyptische Altertümer am Al-Taḥrīr-Platz bringt. Becker nimmt dort an einer Führung teil, die schließlich in jene Schatzkammer führt, welche all die dem Grab des Pharaos Tutanchamun entnommenen Kostbarkeiten ausstellt. Als ein weiterer Europäer (John Meillon) der Gruppe in die Kammer folgen möchte, wird er von einem Wärter darauf hingewiesen, dass sich nicht mehr als 25 Besucher gleichzeitig darin aufhalten dürften und er warten müsse. Als Becker wieder heraustritt, folgt ihm der jüngere Mann, aber sobald Becker mit seinem Handkoffer das Museum verlässt, folgt wiederum er jenem anderen, den er zu kennen scheint. Durch verwinkelte, belebte Gassen bahnt sich der Mann seinen Weg bis zu einer Mietskaserne, wo er zu einer im zweiten Stock gelegenen Wohnung emporsteigt. Hier endlich begrüßen sich die beiden Herren, wobei sich herausstellt, dass Becker in Wahrheit Major Pickering genannt wird und eben erst aus einem Münchner Gefängnis entlassen wurde. Ein Zellengenosse schuf für ihn den Reisepass, mit dem er just in Kairo eintraf…
Der von John Huston nach W.R. Burnetts Roman The Asphalt Jungle (EA 1949, auf Deutsch 1950 als Asphalt-Dschungel) inszenierte Film-Noir-Klassiker Asphalt-Dschungel / Raubmord (USA 1950) ist nicht nur ein einzigartiges Meisterstück der Ära klassischen Film Noirs, sondern zählt auch zu dessen einflussreichsten. So zeigte sich Jules Dassins preisgekrönter Welterfolg Rififi (FRA 1955), seines Zeichens ein Opus Magnum des europäischen Film Noirs, von zentralen Sequenzen des Werks beeinflusst, bevor Delmer Daves‘ Noir Western Geraubtes Gold (USA 1958) die Romanhandung ins 19. Jahrhundert verlegte. Zwei Jahre später griff eine kurzlebige TV-Serie namens The Asphalt Jungle (USA 1960) den Romantitel auf, und obgleich W.R. Burnett an einigen der 13 Folgen als Drehbuchautor mitwirkte, hatte die Serie mit seinem Roman oder mit Hustons Film Noir nichts am Hut. Wolf Rillas Kairo – Null Uhr war dann die nächste Adaption des Kriminalklassikers, der dieses Mal nicht in der Zeit sondern geographisch verlagert wurde und zwar von San Francisco, USA, nach Kairo, Ägypten. Genau das ist auch die Besonderheit des Films mit seinem einst in Berlin geborenen Regisseur und seinen britischen, österreichischen, deutschen, australischen und eben ägyptischen Schauspielern, allen voran Faten Hamamah, bis heute in ihrer Heimat eine der größten Leinwanddivas aller Zeiten: dass er nämlich an Original-Drehorten in Ägypten inszeniert wurde, fernab von den Studiobauten Hollywoods oder Londons. Zwar ist der Name seines britischen Kameramanns Desmond Dickinson kaum noch jemandem ein Begriff, doch immerhin wirkte der zuvor an Laurence Oliviers Hamlet (UK 1948) und an Anthony Asquiths exzellenten Brit Noir The Woman In Question (UK 1950) mit. Was bietet der Film mit seinem einstigen Hollywoodstar George Sanders nun jenen, die sich als Cineasten der Filmklassik von solch einem längst vergessenen Werk gern überraschen ließen?
Mit 56 Jahren im dritten und letzten relevanten Jahrzehnt seiner Filmkarriere wirkt Geoge Sanders (Scotland Yards seltsamster Fall, USA 1945) als brillanter Einbrecher, der in Kairo mit einigen Kumpanen die Juwelen Tutanchamuns stiehlt, erstaunlich matt und uninspiriert. Konträr zu seinem Vorgänger in der Rolle, zu Sam Jaffe “Doc“ Erwin Riedenschneider in John Hustons Asphalt-Dschungel / Raubmord (USA 1950) bringt er kaum Feuer oder Esprit in die Rolle, was in vorherigen Jahrzehnten doch sein Markenzeichen war. Richard Johnson und Faten Hamamah, seinerzeit Ehefrau Omar Sharifs, sind allemal solide in ihren von Sterling Hayden und Jean Hagen übernommenen Rollen. Trotz der historisch bedeutungsvollen Eindrücke aus dem Kairo der frühen 60er Jahre reißt allein das den Thriller ohne Thrill nicht aus dem Mittelmaß, dahinein ihn eine lahme Dramaturgie versenkt. Regisseur Wolf Rilla (Das Signal steht auf Rot, UK 1960) war als Zehnjähriger mit Vater Walter Rilla (Venetian Bird / The Assassin, UK 1952), der hier den Schurken Colonel Kuchuk verkörpert, auf der Flucht vor den Nationalsozialisten nach London, England, ausgewandert und hatte in der dortigen Filmindustrie Karriere gemacht. George Sanders verübte 1972 Selbstmord - aus Überdruss an der Welt, wie er in einem Abschiedsbrief verlauten ließ. Sein älterer Bruder Tom Conway (Katzenmenschen, USA 1942) war ihm 1967 im Alter von 62 Jahren vorangegangen, nachdem sein Alkoholismus mit einer Leberzirrhose endete.
Bis heute gibt es von Kairo – Null Uhr meines Wissens keine BD oder DVD des Films, der als enorm obskur gilt und lediglich in einigen Online-Portalen als ein Fernseh- bzw. Videomitschnitt zur Verfügung steht, ungekürzt und im Originalformat, allerdings einzig in einer Fassung von bescheidener Bild- und Tonqualität und natürlich ohne Untertitel.