Nature Of The Beast, The

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Bewertung
****
Originaltitel
The Nature Of The Beast
Kategorie
Neo Noir
Land
CAN
Erscheinungsjahr
1995
Darsteller

Eric Roberts, Lance Henriksen, Brion James, Sasha Jenson, Ana Gabriel

Regie
Victor Salva
Farbe
Farbe
Laufzeit
91 min
Bildformat
Widescreen

 


 

 

In einer windigen Nacht auf einer Raststätte, irgendwo in der Wüste Nevadas, steigt ein Mann im Anzug (Frank Kovak) in seinen 1965er Chrysler Newport ein. Er kramt eine Landkarte aus dem Handschuhfach, und nachdem er den Zündschlüssel einsteckte, vermeldet im Radio ein Nachrichtensprecher den Mord an einem 19-jährigen, der an der Staatsgrenze Nevadas zu Kalifornien im Kofferraum eines verlassenen Fahrzeugs aufgefunden wurde, offenbar verstümmelt. Die Polizei halte Einzelheiten zu dem grausigen Fund allemal zurück. Die Sensation der Stunde sei natürlich immer noch die 1 Million US-Dollar in bar, die aus einem Casino in Las Vegas gestohlen worden sei… Als ein älterer Herr (William A. Temple) aus der Tür tritt, kurbelt der Reisende das Seitenfenster herunter und fragt ihn, ob eine Interstate Highway in der Nähe sei. Der Alte winkt nur ab und sagt ihm, die sei 60 Meilen entfernt, immer geradeaus. Er werde schon merken, dass er sie erreicht habe, sobald er da ist… Der Fahrer ist nicht amüsiert, macht sich zur Abfahrt bereit, doch als er den Innenspiegel richtet, taucht plötzlich auf der Rückbank ein Schatten auf, sodann legt sich von hinten eine Schlinge um seinen Hals. Der Chrysler beginnt zu schwanken, hin und her, bis er wieder stillsteht… Am nächsten Morgen hat ein Streifenwagen vor dem Wagen geparkt, dessen Kofferraum nun offensteht, darauf in verschmierten Buchstaben „Hatchet Man“ zu lesen ist. Von Carson City kommt der Handlungsreisende Jack Powell (Lance Henriksen) in einem 1994er Buick des Weges…

 

“There's two places they send people who are havin' too good a time. One's church, the other's prison.” Dieser Neo Noir in der Nachbarschaft zu David Lynchs Blue Velvet (USA 1986) und zu Ida Lupinos The Hitch-Hiker (USA 1953) liefert eine ebenso simple wie perfide Geschichte über zwei zutiefst amoralische Männer. Beide stehen sie für einen je spezifischen Typus des US-Amerikaners. Sie selbst sind damit das zentrale Thema der Geschichte: eine Personifizierung des Spießbürgers und des unbürgerlichen Einzelgängers als stellvertretend für die Extreme in der US-Gesellschaft. Doch ist es nicht das Katz-und-Maus-Spiel, das in Verbindung zu einem Geldkoffer mit einer Million US-Dollar aus einem Spielcasino in Las Vegas und zu einer Serie brutaler Axtmorde steht, welches allein im Mittelpunkt steht. Es geht um die Beziehung der zwei, ihr Kräftemessen und die damit verbundene Anziehung und Abscheu, die sie zueinander und voreinander jeweils empfinden. Genau das verwandelt dieses Roadmovie trotz wechselnder Schauplätze in eine Art Kammerspiel und hebt Victor Salvas Film aus dem Kanon vergleichbarer B-Produktionen heraus. Zudem zeigen Eric Roberts und Lance Henriksen, zwei für Mörder und Ganoven im Neo Noir der 90er so relevante Darsteller (oder eben Visagen) wie im klassischen Film Noir Jack Lambert, Neville Brand oder Jack Elam, was sie können. Die beiden lassen sich nicht lange bitten und gestalten The Nature Of The Beast richtig unterhaltsam, was de facto bedeutet, dass man das Unwohlsein über solch miese und brandgefährliche Psychopathen über die Laufzeit des Films nicht abzuschütteln vermag. Mark L. Lesters Night Of The Running Man (USA 1995) thematisierte die Flucht eines Taxifahrers (Andrew McCarthy) mit einem gestohlenen Geldkoffer aus Las Vegas vor einem psychopathischen Killer (Scott Glenn). Und grudsätzlich hatten Jeffrey Reiners Trouble Bound (USA 1993), Tony Scotts True Romance (USA/FRA 1993), John Dahls Red Rock West (USA 1993) und Oliver Stones Natural Born Killers (USA 1994) für solche Art Desert Noir, wie derlei Roadmovies gern tituliert werden, den Boden bereitet. Im Unterschied zu allen hier genannten fehlt in Salvas Variation aber jegliches romantisches Gegengewicht. Es gibt keine hübsche Femme fatale, sei sie Kellnerin, Prostituierte oder Krankenschwester, die konträr zur Schwärze des Abgrunds, in den wir blicken (müssen), das Idealbild einer Liebe in Szene setzte.

 

Der Film wartet mit einer Überraschung auf, die in Richtung des in den 80er Jahren etablierten David-Lynch-Kinos weist, von vielen US-Amerikanern aber nicht geschätzt wird. Ich selbst hatte mit dem Twist kein Problem, muss allerdings zugestehen, dass er im Rekurs auf die Handlungsentwicklung nicht zu 100% glaubwürdig ist. Das Verhältnis der beiden Antagonisten, die im Fokus stehen, hätte aufgrund dessen zu einem früheren Zeitpunkt eine Wendung nehmen müssen. Insofern ist die finale Offenbarung zwar reizvoll, soviel ist sicher, aber der Film als solcher nicht ganz kohärent. Ohnehin ist The Nature Of The Beast kaum jedermanns Sache, weil er seinem Titel treu bleibt und wahrhaft biestig ist. Der Intensität der Charaktere tut das dennoch keinen Abbruch. Als nahezu nihilistische, in Kanada (!) produzierte Persiflage auf die US-Gesellschaft mit bitter-zynischen Untertönen erhält The Nature Of The Beast von mir trotz einiger Mängel knapp 4 Sterne. Im Jahr 1988 gestand Victor Salva, in fünf Fällen der Verführung eines 12-jährigen Jungen schuldig zu sein und wurde zu einer 1-jährigen Haftstrafe verurteilt. Seiner Karriere als Drehbuchautor und Filmregisseur stand das später wiederholt im Weg. Fazit: ein solider B-Film aus einer relevanten und vielfältigen Epoche des Neo Noirs, den man sich durchaus ansehen kann.

 

In den USA erschien via New Line Home Entertainment, Inc. eine DVD-Ausgabe (2005, Regionalcode 1) mit der 91 Minuten dauernden Kinofassung des Films. Bildtechnisch topp im Originalformat (1.85:1) beinhaltet sie neben der englischen Tonspur optional Untertitel auf Englisch und Spanisch, dazu einen Audiokommentar von Victor Salva als einzigem Extra.

 


 

Neo Noir | 1995 | International | Victor Salva | Brion James | Eric Roberts | Lance Henriksen

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