Pętla

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Film Noir Collection Koch Media GmbH


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Bewertung
****
Originaltitel
Pętla
Kategorie
Film Noir
Land
POL
Erscheinungsjahr
1958
Darsteller

Gustaw Holoubek, Aleksandra Śląska, Teresa Szmigielówna, Tadeusz Fijewski, Stanisław Milski

Regie
Wojciech Jerzy Has
Farbe
s/w
Laufzeit
97 min
Bildformat
Vollbild

 


 

 

In der morgendlichen Stille seiner Breslauer Wohnung im dritten Stock, zugleich das Atelier, steht der Maler und Skulpteur Kuba Kowalski (Gustaw Holoubek) regungslos im Korridor und hat das Telefon im Blick. Draußen verkündet eine Turmuhr mit wiederholtem Geläut die volle Stunde. Es ist 8:00 Uhr. Kowalski geht zum Fenster, zieht mit der Linken, darin er eine kostbare Kette hält, den Vorhang beiseite und blickt hinunter auf die Straße. Vor dem Juweliergeschäft sieht er dessen Inhaber mit einem Handwerker unterhalb der über dem Laden befestigten Uhr stehen, davor eine Leiter. Da die Uhrzeit mit dem Geläut zur vollen Stunde nicht übereinstimmt, steigt der Handwerker die Leiter empor und zieht den großen Zeiger voran auf die 12. Im gleichen Augenblick klingelt es an der Haustür und Kuba Kowalski versteckt hastig die Kette unter einem Stapel Zeitschriften, bevor er sich der mit Milchglas verkleideten Tür nähert, die ihm den Umriss einer im Hausflur wartenden Frau zeigt. Es ist seine Freundin Krystyna (Aleksandra Śląska), die ihm nun in die Arme fällt und erklärt, dass sie ihn unbedingt habe sehen wollen und später dorthin gehen werde. Sie hat ihm Kaffee, Brot und die Tageszeitung mitgebracht und bittet ihn etwas zu tun und nicht ständig daran zu denken. Sie fragt ihn, ob die Reinigungsfrau wiedergekommen sei, befürchte sie doch, dass sie sie fälschlicherweise des Diebstahls beschuldigt hätten. Kuba reagiert jedoch ungehalten und erinnert Krystyna daran, dass sie überall gesucht und nichts gefunden hätten…

 

“Jerzy Has’ debut (…) used elements that would become a hallmark of his later films, including the motif of the outsider, the city, windows, mirrors and the pub. The main motif, however, is time”, schreibt Iwona Łyko Plos über das auf dem Noir Film Festival in Český Šternberk, Tschechien, im August 2024 wiederaufgeführte Erstlingswerk seines polnischen Regisseurs Wojciech Jerzy Has. Online findet sich der Film mitunter auch unter dem deutschen Titel Die Schlinge, auf europäischen Filmfestivals wird er meist als The Noose gezeigt, beides die jeweils wörtliche Übersetzung seines Originaltitel Pętla. Tatsächlich lief die Produktion vom Studio Filmowe Iluzjon seinerzeit außerhalb Polens gar nicht im Kino, weil die staatliche Behörde aufgrund des negativen Bildes, das der Film von der Volksrepublik Polen und den darin lebenden Genossen darstelle, jegliche internationale Aufführung untersagte. Parallel dazu wurde Marek Hłaskos Novelle Pierwszy krok w chmurach (EA 1956, auf Deutsch 1958 als Der erste Schritt in den Wolken), welche für Wojciech Jerzy Has‘ Film die Vorlage darstellt, mit dem Preis der polnischen Verleger ausgezeichnet. Kurz darauf wurde dem gerade 25-jährigen Schriftsteller die Wiedereinreise in seine Heimat verweigert; er wurde als Verräter am Sozialismus klassifiziert und sah bis zu seinem Tod im Juni 1969 Polen niemals wieder. Diese von Zensur und Denunziation gekennzeichneten Begleitumstände zum Buch und zur Verfilmung passen im Grunde zur extrem düsteren, pessimistischen und in letzter Konsequenz tragischen Erzählung, die den Film ausmacht. Der Künstler Kuba Kowalski ist ein harter Alkoholiker, und der Besuch seiner Freundin Krystyna dient der Vorbereitung auf seine Einlieferung in eine Klinik, wo er einen begleiteten Alkoholentzug absolvieren soll. Knappe zehn Stunden muss er durchhalten. Dann wird die Geliebte wieder an seiner Tür erscheinen und gemeinsam mit ihm in eine bessere Zukunft schreiten.

 

 

Was folgt, sind genaugenommen die nächsten 24 Stunden im Leben des Malers und Skulpteurs, der sich mit aller Kraft von seinen Dämonen zu befreien sucht. Das erinnert stark an Billy Wilders Das verlorene Wochenende (USA 1945), darin der Schriftsteller Don Birman (Ray Milland) ebenfalls mit seiner Sucht und mit dem Entzug umzugehen sucht. Ray Milland wurde seinerzeit mit einem Oscar als Bester Hauptdarsteller bedacht. Doch Gustaw Holoubek, der hier mitunter an Robert Mitchum erinnert, ist in seiner Verkörperung eines desperaten Charakters und selbstdestruktiven Suchtkranken keinen Deut schlechter. Das letzte Drittel des Films sind richtiggehend harte Kost und lassen Das verlorene Wochenende im Vergleich wie eine Komödie wirken. Vor allem setzt Pętla einen konsequenten Schlusspunkt und macht deutlich, dass sowohl die Geschichte als auch ihre Apation für die Kinoleinwand durch den Regisseur Wojciech Jerzy Has und seinen Kameramann Mieczysław Jahoda unbedingt in den Kanon des europäischen Film Noirs seiner Zeit gehört. Empfehlenswert!

 

Es gibt von Filmoteka Narodowa und Telewizja Polska S.A. eine polnische DVD-Edition (2007) mit dem Film bild- und tontechnisch exzellent restauriert, dazu den polnischen Originalton inklusive optional englischer oder französischer Untertitel, die Dokumentationen Ulica Brzozowa und Moje Miasto als Extras.

 


 

 

Film Noir | 1958 | International | Wojciech Jerzy Has | Ignacy Machowski | Stanisław Milski | Teresa Szmigielówna

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