Whiplash

NOIR CITY 21 - Oakland 2024



Psychologische Verteidigung


Concorde Home Entertainment


Eddie Muller


Wenn es Nach wird in Paris


Film Noir Collection Koch Media GmbH


banner_der_film_noir_3.jpg


Bewertung
**
Originaltitel
Whiplash
Kategorie
Film Noir
Land
USA
Erscheinungsjahr
1948
Darsteller

Dane Clark, Alexis Smith, Zachary Scott, Eve Arden, Jeffrey Lynn

Regie
Lewis Seiler
Farbe
s/w
Laufzeit
91 min
Bildformat
Vollbild

 


 

 © Warner Bros.

Im Madison Square Garden, New York, kämpfen heute Abend der junge Herausforderer Mike Angelo (Dane Clark) alias Michael Gordon gegen den Titelverteidiger Duke Carney (Freddie Steele). Es geht um den Titel des Weltmeisters im Mittelgewicht, und die Halle ist bis auf den letzten Platz ausgebucht, indessen der Kommentator eines Rundfunksenders (Sam Hayes) in der vordersten Reihe mit höchstem Tempo die Entwicklungen im Ring kommentiert. Es ist die vierte Runde, und für Mike Angelo sieht es alles andere als gut aus. Er wirkt schwerfällig auf den Beinen, lässt es an Verteidigung fehlen und macht überhaupt nicht den Eindruck, den der Sportreporter von ihm gewohnt ist… Aber auch Michael Gordon, der kurz vor Ende dieser Runde zu Boden geht und einzig durch den Gong, der deren Ende verkündet, vor einem K.O. gerettet wird, fragt sich, was nur mit ihm los sei. Er gehöre schließlich, geht es ihm durch den Kopf, an einen Strand in Kalifornien. Genau dorthin treibt ihn die Erinnerung jetzt zurück… Einst schuf der Kunstmaler Michael Gordon für die Dorfjugend vor Ort eine Sandskulptur von zwei am Boden liegenden Preisboxern, und als er fertig war, zeigten sich die Jungs schier begeistert. Einer unter ihnen namens George (Norman Ollestad) möchte von ihm lernen, und Amateurboxer Mike lässt sich nicht lange bitten und führte ihm ein paar Bein- und Armstellungen vor. Aber plötzlich wird Gordon von der Klippe herunter gerufen. Er möge schnell zu Sam (S. Z. Sakall) in dessen Kneipe kommen, es sei überaus wichtig…

 

“If they were giving awards for the Turkey of the Year, this one would be way out front”, schrieb Nell Dodson Russell im Mai 1949 für die Tageszeitung St. Paul Recorder, und besser lässt sich das bis heute nicht zusammenfassen. Am Heiligabend des Vorjahres hatte die Produktion von Warner Bros. Pictures, Inc. in den USA ihre Premiere gehabt. Im Kontext der Film-Noir-Klassiker jenes namhaften Studios markiert sie für mich einen Tiefpunkt. Zwar hatte man sich bei Warner Bros. mit Robert Floreys Danger Signal (USA 1945), mit Jean Negulescos Nobody Lives Forever (USA1946) oder mit Peter Godfreys Cry Wolf (USA 1947) auch nicht gerade mit Ruhm bekleckert. Trotz je guter Darstellerinnen und Darsteller hechteten solche Filme offensichtlich dem Trend hinterher, den Warner Bros. u.a. mit Michael Curtiz‘ Solange ein Herz schlägt (USA 1945) oder mit Howard Hawks‘ Tote schlafen fest (USA 1946) selbst etabliert hatte. Lewis Seilers Whiplash ist aber nicht deshalb grotesk schlecht, weil dessen Regisseur seine besten Jahre längst hinter sich hatte, sondern auch, weil die Drehbuchautoren Maurice Geraghty und Harriet Frank jr. sich allzu offensichtlich von zwei Film-Noir-Klassikern anderer Studios inspirieren ließen. Nun basiert das Werk laut Vorspann auf einer Erzählung Kenneth Earls. Womöglich war er es, der Jacques Tourneurs Goldenes Gift (USA 1947) und Robert Rossens Jagd nach Millionen (USA 1947) zu einer vermeintlich eigenen Geschichte verwurstete. So wie einst Kathie Moffat (Jane Greer) in Touneurs Meisterwerk eines Film Noirs flieht Laurie Durant (Alexis Smith) vor ihrem reichen und sadistischen Gemahl Rex Durant (Zachary Scott) in sonnige Gefilde. Bis nach Mexiko kommt sie zwar nicht, aber Kalifornien tut es auch, wo sie sich, wie schon Kathie, in einer Bungalowanlage am Strand einmietet. Hier verliebt sie sich in den Hobbymaler Michael Gordon, der à la Charlie Davis (John Garfield) in Jagd nach Millionen das Zeug zum Boxprofi hat. Dummerweise wird Laurie (wie Kathie) von ihres Mannes Schergen aufgespürt und kehrt nach New York zurück. Gordon reist hinterher, erkennt die Femme fatale in ihr und beginnt sie zu hassen. Zugleich lässt er sich mithilfe von Rex Durant zum Preisboxer in der Sparte des Mittelgewichts ausbilden. Während in Jagd nach Millionen die Grafikerin Peg Born (Lilli Palmer) das feine Talent verkörperte, vereint Michael Gordon selbst Sport und Kunst in sich, so wie Laurie Durant die in Rossens Film signifikante Trennung in eine Femme fatale und in eine große Liebe aufhebt.

 

 © Warner Bros.

Doch hier stimmt von Anbeginn einfach nichts. Die romantische Liaison zwischen Mike und Laurie entwickelt sich innerhalb von Stunden zur Liebe eines Lebens, dabei bleibt die unglücklich vermählte Nachtclubsängerin stumm und steif wie ein Fisch. Schon Nell Dodson Russell attestierte in genannter Rezension, Alexis Smith spiele ihre Rolle “with all the fire and animation of an ice cube“. Auch andere Darsteller wirken uninspiriert von den Figuren, die sie verkörpern. Besonders schlimm ist der Hang zur Komik, wie er von S. Z. Sakall als Kneipeninhaber Sam, von Eve Arden als “Call Girl“ Chris Sherwood und von Ransom Sherman als texanischem Öl-Millionär “Tex“ Sanders aufgetischt wird. Der mit ihnen angelegte Humor ist so banal und erweist sich im Kontext der Geschichte derart fehl am Platz, dass man es als Zuschauer kaum fassen kann. Eve Arden, in Curtiz‘ Solange ein Herz schlägt grandios, tat mir regelrecht leid. Auch Zachary Scott wirkt gelangweilt, und mit seinem Over-Acting tritt Dane Clark aus dem Schatten des ihm überlegenen John Garfields kein einziges Mal heraus. Die Szenen im Boxring sind atmosphärisch und von Kameramann J. Peverell Marley (Schakale der Unterwelt, USA 1955) gut eingefangen, wirken in Anbetracht der Unmenge von Schlägen, die Herausforderer Angelo aka Gordon im Titelkampf einstecken muss, aber völlig unrealistisch. Das Finale ist vorhersehbar, die Schlusssequenz albern und Jeffrey Lynn als Lauries alkoholabhängiger Bruder, Sportarzt Dr. Arnold Vincent, so überflüssig und konstruiert wie kaum eine Figur, die ich im Film Noir jemals sah. Fazit: Wer sich eine Enttäuschung ersparen will, sollte sich Whiplash als durchweg unglaubwürdigen und uninspirierten Mumpitz einfach schenken.

 

Es gibt eine gute DVD-R (2011) in der Warner Archive Collection (weltweit abspielbar) mit dem Film bild- und tontechnisch sauber restauriert, dazu den englischen Originalton ohne Untertitel und das Ganze wie immer in dieser Reihe auch ohne Extras.

 


Film Noir | 1948 | USA | Lewis Seiler | Dane Clark | Zachary Scott | Alexis Smith

Neuen Kommentar schreiben

CAPTCHA
Diese Sicherheitsfrage überprüft, ob Sie ein menschlicher Besucher sind und verhindert automatisches Spamming.