expreso de Andalucía, El

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Bewertung
*****
Originaltitel
El expreso de Andalucía
Kategorie
Film Noir
Land
ESP
Erscheinungsjahr
1956
Darsteller

Jorge Mistral, Marisa de Leza, Mara Berni, Vicente Parra, Ignazio Balsamo

Regie
Francisco Rovira-Beleta
Farbe
s/w
Laufzeit
82 min
Bildformat
Vollbild

 


 

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Der von Madrid nach Sevilla fahrende Nachtzug hält im Bahnhof von Alcazar, wie man auch im Postwagen mitbekommt, wo eine behandschuhte Rechte die verschmutzte Scheibe wischt, um die Anzeige zu lesen. Die Tür öffnet sich und der Postsack wird hinausgereicht. Ein Angestellter wirft ihn sich über die Schulter und geht zu einer am Gleis befindlichen Poststation. Kurz fragt ein anderer, ob es etwas zu unterschreiben gäbe, was aus dem Inneren des Wagens verneint wird. Da ertönt die Pfeife des Stationswärters, auf dass die Dampflok weiterfahre. Indessen setzt der Mann im Stationsgebäude den Postsack ab. Er wundert sich über seine feuchten Hände, als er erschrocken feststellt, dass Blut daran klebt… Madrid: Ein “El Rubio“ genannter Ganove (Ignazio Balsamo) gibt in der Hauptpost drei Päckchen mit Mustern von Medikamenten auf. Der Schalterbeamte (Goyo Lebero) weist darauf hin, dass sie erst am Abend des folgenden Tages per Nachtzug nach Sevilla transportiert werden, da die Post schon abgeholt wurde. El Rubio lässt sich den Empfang quittieren und begibt sich zu einem Café, wo er Arturo (José Calvo) und Camarero treffen möchte, in deren Auftrag er unterwegs war. Die beiden haben einen Juwelier ausgeraubt, und in den Pakteten befanden sich keine Medikamente sondern Schmuck. Aber die Polizei ist ihnen auf den Fersen. Just in dem Augenblick, als El Rubio eintrifft, bahnt sich ein Kriminalinspektor (Antonio Casas) seinen Weg durch die Gäste. Die Juwelendiebe jedoch haben kurz zuvor das Weite gesucht…

 

Der spanische Film hat sich im 21. Jahrhundert auch international etabliert. Solches gilt nicht zuletzt für das Thriller- und Neo-Noir-Kino, das mit Werken à la Enrique Urbizus La caja 507 (ESP 2002), Alberto Rodríguez‘ La isla mínima – Mörderland (ESP 2014) oder Oriol Paulos Der unsichtbare Gast (ESP 2016) zu punkten wusste. Was Filmklassik angeht, tut man sich jenseits der Verehrung für Luis Buñuel, einem Gründungsvater des modernen Kinofilms, allerdings schwer. Die bis 1975 andauernde, faschistische Herrschaft des Diktators Francisco Franco und eine damit einhergehende, rigorose Zensur hatten auf Spaniens Filmproduktion über vier Jahrzehnte hinweg maßgeblich Einfluss. Ein Luis Buñuel arbeitete zwischen 1940 und 1961 ausschließlich in den USA und in Mexiko; auch viele andere spanische Kulturschaffende lebten in den Jahrzehnten der Diktatur im Exil. Dennoch lohnt sich, die spanische Filmklassik genauer in den Blick zu nehmen und sich von Ausnahmewerken wie Juan Antoio Bardems Der Tod eines Radfahrers (ESP 1955) oder eben Francisco Rovira-Beletas El expreso de Andalucía überraschen zu lassen, die im Kontext europäischen Film Noirs zu dessen besten Werken gezählt werden dürfen. Nur oberflächlich sind Francisco Rovira-Beleta und sein Co-Autor Vicente Coello daran interessiert, mittels einer Verbrechen-zahlt-sich-nicht-aus-Botschaft der eben erwähnten Zensur Genüge zu tun. De facto lebt ihr rabenschwarzes Drama von seinen schillernden Rollencharakteren und weit gefächerten Einblicken in verschiedene Etagen einer mal mehr und mal weniger bürgerlichen Gesellschaft im Madrid der Mitte des 20. Jahrhunderts. Wie 10 Jahre zuvor im klassischen Film Noir Hollywoods werden die Grauzonen zwischen Recht und Unrecht, zwischen Gut und Böse in vielen Facetten ausgeleuchtet und die Zuschauer auf manche Probe gestellt. Die Frage nach Ehre und Ehrlichkeit unter Gangstern erinnert an Jean-Pierre Melville, der im gleichen Jahr mit Drei Uhr nachts (FRA 1956) sein erstes Meistertück ablieferte. Und die Darstellung einer Liebe aus Neigung gegenüber einer solchen, die von der Gier nach Status und Besitz befeuert wird, lässt mich an Joseph Pevneys Shakedown (USA 1950) denken. Auch dort trudelt der Antiheld in eine Spirale des Verbrechens, führen eine erste Lüge, ein Betrug und ein schlauer Plan langsam aber sicher zu mörderischen Konsequenzen.

 

 

Noch viele Jahrzehnte später ist El expreso de Andalucía ein Film, der seine Zuschauer packt und mitreißt. Er gehört zu jenen Werken des Kinos, deren Ökonomie seitens der Regie das geschulte Auge schlicht begeistern muss. Keine einzige Szene ist nach meinem Dafürhalten überflüssig, dergestalt ist die Dramaturgie auf den Punkt inszeniert. Neben grandiosen Darstellerleistungen – neben Jorge Mistral überzeugen vor allem Carlos Casaravilla, Vicente Parra und Ignazio Balsamo – sind es zuletzt die Drehorte inmitten der lebendigen Metropole Madrid, die mit Bedacht gewählt wurden. Francisco Rovira-Beleta hinterlässt mit seinem meisterhaften Film Noir die Visitenkarte eines Regisseurs, der genau wusste, was er wollte und was er tat. Es ist höchste Zeit, dass derartige Werke auch in Detschland wiederentdeckt und wertgeschätzt werden, gerade weil sie als Fundstücke eines exzellenten Erzählkinos zum heutigen 08/15-Entertainment mit seinem CGI und seinen Comicfiguren die Antithese darstellen. Allen Cineasten und anderen Filmliebhabern unbedingt zu empfehlen!

 

Nach meinem Kenntnisstand gibt es bis heute (2023) leider keine BD- und DVD- Edirtion des Werks, das im Rahmen einer Retrospektive zum Film Noir aus Spanien im August 2022 in Český Šternberk, Tschechien, auf dem dortigen Noir Film Festival in einer bild- und tontechnisch exzellenten Fassung, ungekürzt und im Oroiginalformat aufgeführt wurde. Es gibt immerhin jedoch einige Streamingportale, wo der Film in exakt solch restaurierter Version mit dem spanischen Originalton ohne Untertitel zu sehen ist.

 


 

Film Noir | 1956 | International | Francisco Rovira-Beleta | Carlos Casaravilla

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