Night Clerk, The

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Film Noir Collection Koch Media GmbH


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Bewertung
***
Originaltitel
The Night Clerk
Kategorie
Neo Noir
Land
USA
Erscheinungsjahr
2020
Darsteller

Tye Sheridan, Ana de Armas, Helen Hunt, John Leguizamo, Jonathon Schaech

Regie
Michael Christofer
Farbe
Farbe + s/w
Laufzeit
90 min
Bildformat
Widescreen

 


 

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© EuroVideo Medien GmbH

Der 23-jährige Bartolomew Bromley (Tye Sheridan), von allen Bart genannt, beobachtet die Menschen in einer Shopping Mall. Er leidet am Asperger-Syndrom, einer Variante des Austismus‘, und er beobachtet und studiert die sozialen Interaktionen ringsum. Zuhause hat er in einem seiner Zimmer in der Villa, die er mit seiner verwitweteten Mutter Ethel (Helen Hunt) bewohnt, eine Wand mit sechs Monitoren bestückt. Hier spielt er parallel gleich mehrere Videos ab, die er als Nachtportier in dem Hotel, wo er arbeitet, dank versteckter Digitalkameras aufzeichnen konnte. All die Gäste übernachteten zu unterschiedlichen Zeiten in Zimmer 124 und wurden mit diversen Kameras aus mehreren Winkeln gefilmt. Bart beobachtet sie und rezitiert ihre Äußerungen am Telefon, solche gegenüber ihren Kindern und Hunden, bis er mit der Imitation ihrer Spreachakte halbwegs zufrieden ist. Über ein Mikrofon in der Küche meldet sich seine Mutter und Bart stellt auf die dort installierte Kamera um, so dass seine Mutter nun das Abendessen ankündigt, dass sie für ihn auf der Treppe platziert. Bart verlässt sein Zimmer, holt sich den Teller, indessen seine Mutter oben am Esstisch Platz nimmt und, bevor sie mit dem Essen beginnt, mit einem kurzen Lächeln in die Kamera grüßt… Mit seinem 1974er Chevrolet Nova fährt Bart zur Schicht, wo er vor dem Eingang dem Hotel-Inhaber und seinem Arbeitgeber Ron Benson (Joey Miyashima) begegnet. Letzterer ist mit den Sonderbarkeiten, die Barts Verhalten kennzeichnen, wohl vertraut…

 

“Michael Cristofer was influenced by Alfred Hitchcock (…) But as said before the noir aspect of the murder could have been handled in a more compelling way and the film is seriously lacking in suspense”, schreibt Isabelle Anguiano in ihrer Rezension des Thrillers für Irish Film Critic. Wie auch andere kommt die Autorin auf Alfred Hitchcocks Das Fenster zum Hof (USA 1954) und auf Psycho (USA 1960) zu sprechen, zwei Filmwerke, darin ahnungslose Menschen sich der Beobachtung durch einen Dritten ausgesetzt finden. Ich selbst musste in Anbetracht des Rollencharakters Bart Bromley an Harry Williams (Elisha Cook jr.) denken, den Portier eines Apartmenthauses in New York, darin die Femme fatale Vicky Lynn (Carole Landis) ihre Wohnung hat, der Williams heimlich verfallen ist. Beide sind Figuren in H. Bruce Humberstones klassischem Film Noir I Wake Up Screaming / Hot Spot (USA 1941) und ihre Nähe zu Bart Bromley und Andrea Rivera (Ana de Armas) in The Night Clerk erscheint mir eindeutiger als diejenige zu den genannten Hitchcock-Werken. Allerdings ist auch das Moment der Beobachtung eine relevante Größe, für das James Stewart in Das Fenster zum Hof (USA 1954) ein Fernglas genügt und Anthony Perkins in Psycho (USA 1960) ein Loch in der Wand. Im 21. Jahrhundert muss Bart Bromley einiges mehr an Aufwand betreiben, und die von komplizierter Technik geprägte Schaltzentrale fügt sich perfekt zu seiner Persönlichkeit. Lange Rede, kurzer Sinn: Michael Christofers The Night Clerk zirkuliert um eine einzige Figur, den vom Asperger-Syndrom heimgesuchten Bart Bromley, der mit 23 Jahren bei seiner Mutter lebt, noch nie eine Freundin hatte und der als Nachtportier im Schutzraum seiner Einsamkeit bleibt. Tye Sheridans Spiel ist derart grandios, dass mir nicht übertrieben vorkommt zu behaupten, dass er derjenige ist, welcher den Film überhaupt zum Leben erweckt.

 

Allerdings sind auch andere Akteure in diesem Ensemble hochkarätig und liefern gute Leistungen ab. Ana de Armas, Helen Hunt und John Leguizamo enttäuschen keineswegs. Aber ihre Charaktere stammen vom Reißbrett und können Bart nicht das Wasser reichen. Die Filmerzählung selbst ist derart klassisch, dass man es im Rekurs auf die fehlenden Geschichten und die Effekthascherei im Bilderrausch, was im 21. Jahrhundert ja viele US-amerikanische Thriller prägt, erst einmal begrüßt. Zugleich weisen einen die klischeehaften Nebenfiguren schnell darauf hin, dass die Tennlinie zwischen klassisch und altbacken hier fließend genannt werden darf. So gern ich einigen der längeren Szenen im Zusammengehen zwischen Bart und Andrea beiwohnte, so sehr fand ich (ebenso wie oben erwähnte Isabelle Anguiano) den Film letztendlich fade. Die größte Enttäuschung folgt zum Schluss. Weder ergeben jene Rückblenden, die uns suggerieren, Bart verstünde jetzt erstmals, was er ohnehin längst wusste, einen Sinn, noch lässt sich die Hast nachvollziehen, mit der Michael Christofer sein Werk ohne echtes Finale in Minutenschnelle enden lässt. Schon kommt der Abspann samt 08/15-Pop-Schlager Statue von Diane Warren, der im Gegensatz zu Erik Halls stimmungsvoller Elektronik mit dem Film nichts gemein hat, und die Zuschauer bleiben ratlos in ihren Sesseln zurück und sehen sich verständnislos an. Fazit: hier gibt es Potential, vor allem mit Blick auf die nuanciert angelegte und brillant verkörperte Figur des Bart Bromley, das die Regie am Ende jedoch vollends verspielt. Schade!

 

Die jeweilige deutsche BD- oder DVD-Ausgabe (2020) der EuroVideo Medien GmbH ist bild- und tontechnisch einwandfrei, ungekürzt und im Originalformat mit dem original englischen Ton und mit der deutschen Synchronisation, die eher nicht zu empfehlen ist. Es gibt, was als lobenswert erwähnt gehört, optional Untertitel auf Deutsch und auf Englisch, und als Extra eine kurze Dokumentation mit dem Tiel The Story, Director’s Vision auf Englisch.

 


Neo Noir | 2020 | USA | Michael Christofer | John Leguizamo | Helen Hunt

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