Paris um Mitternacht

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Eddie Muller


Wenn es Nach wird in Paris


Film Noir Collection Koch Media GmbH


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Bewertung
***
Originaltitel
So Long At The Fair / The Black Curse
Kategorie
Film Noir
Land
UK
Erscheinungsjahr
1950
Darsteller

Jean Simmons, Dirk Bogarde, David Tomlinson, Honor Blackman, Felix Aylmer

Regie
Antony Darnborough, Terence Fisher
Farbe
s/w
Laufzeit
86 min
Bildformat
Vollbild

 


 

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Von Neapel aus sind John Barton (David Tomlison) und seine jüngere Schwester Victoria (Jean Simmons) auf dem Weg nach Marseille. Johnny sitzt gemütlich an Deck und liest die Zeitung, und Vicki fragt ihn, wie lange sie in Paris bleiben werden. Zwei Tage, antwortet er, doch auf ihr Drängen verspricht er der Schwester, die zum ersten Mal in Frankreich weilt, den geplanten Aufenthalt nach Möglichkeit um einige Tage verlängern. Die beiden beabsichtigen, am 6. Mai 1889 an der Eröffnung der Weltausstellung in Paris teilzunehmen und treffen am Vortag dort ein. Per Droschke erreichen sie das Hotel de la Licorne, in dem Johnny von Neapel aus zwei Zimmer reservieren ließ. In der Lobby ist allerhand los. Viele Reisende, die sich das Spektakel nicht entgehen lassen wollen, versuchen kurzfristig in der hoffnungslos ausgebuchten Metropole eine Bleibe zu finden. Soeben stellt der Tagesportier (Eugene Decker) ein Schild an die Tür, das auf Deutsch, Englisch und Französisch darüber informiert, dass das Hotel ausgebucht sei. An der Rezeption haben Madame Hervé (Cathleen Nesbitt) und ihr Bruder Narcisse (Marcel Poncin) alle Hände voll zu tun, um die Leute abzuwimmeln. Die Geschwister Barton tragen sich in das Gästebuch ein und erhalten von Madame Hervé die Zimmer 17 und 19 zugewiesen. Sie händigt der jungen Engländerin, die ihrem ersten Besuch in Paris voller Aufregung entgegensieht, ein Programm der Ausstellung aus. Sodann führt der Portier mit ihren Koffern Johnny und Vicky Barton in den dritten Stock…

 

“I found this film as part of a boxset of British Film Noir”, beginnt die Rezension dieses Werks bei Rank and File – A British Cinema Blog mit einem Hinweis auf die bei Strawberry Media in deren Reihe Great British Movies erschienene DVD-Box (2012) mit insgesamt 5 englischen Filmen aus den 40er und 50er Jahren. Bereits 2009 war Paris um Mitternacht unter seinem Originaltitel So Long At The Fair auch in der mit 37 Werken bestückten Retrospektive zum British Film Noir im legendären New Yorker Film Forum gezeigt worden. Dabei ist die nach dem gleichnamigen Roman (EA 1947) von Anthony Thorne adaptierte Filmversion ein historisches Drama und würde im Kontext des Film Noirs so wie Robert Siodmaks Unter Verdacht (USA 1944) oder wie Anthony Manns Das schwarze Buch / Dämon von Paris (USA 1949) eine Ausnahmestellung einnehmen. So wird es einige Leser und Leserinnen des Portals überraschen, wenn ich feststelle, dass Paris um Mitternacht, obgleich sich Elemente des klassischen Film Noirs darin finden, keine solche Ausnahme ist. Es mag sogar widersprüchlich anmuten, dass das Werk hier gelistet und besprochen wird. Andererseits eignen sich solche Grenz- und Streitfälle, um charakteristische Merkmale des Filmstils aufzuzeigen. Tatsächlich wandelt sich der Film nach den ersten 18 Minuten zu einem Thriller. Am Morgen nach einem unterhaltsamen ersten Abend im Moulin Rouge ist Johnny Barton plötzlich verschwunden und mit ihm auch das Zimmer 19 im Hotel de la Licorne. Dessen Betrteiber behaupten gegenüber Vicky, dass sie doch wohl allein reise und man ihren vermeintlichen Bruder am Vortag nie zu Gesicht bekommen habe.

 

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“Well, now that you are here, what is it you’ve lost? Your purse or your pet dog?” – “My brother.” Der Film Noir kennt viele Unschuldige, die von cleveren Manipulatoren hinters Licht geführt werden – von Bella Mallen in Gaslight (UK 1940) über Vince Grayson (DeForest Kelley) in Fear In The Night (USA 1947) bis zu Ann Sutton (Gene Tierney) in Frau am Abgrund (USA 1949). Sie zweifeln an ihrem Verstand, finden sich allein im Zwielicht des Irrsinns, ist doch die Welt um sie herum felsenfest davon überzeugt, dass ihre Wahrnehmung und die unumstößlichen Tatsachen der Alltagsrealität zwei verschiedene Paar Schuhe sind. Doch sind solche Manipulatoren in Paris um Mitternacht weder allzu clever, noch erweist sich ihre Motivation als wirklich glaubwürdig oder stichhaltig. Der Film ist kurzweilig, dramaturgisch kompetent aufbereitet und mitunter gar spannend, verlässt aber trotz der exquisiten Kameraarbeit Reginald H. Wyers (Der Mann ohne Gewissen, UK 1948) nie wirklich das Fach der Unterhaltung für alle und jeden. Die Guten sind über jeden Zweifel erhaben und die vermeintlich Bösen nicht so böse, wie sie scheinen - die Auflösung des Dramas erscheint hastig und fade. Jean Simmons und Dirk Bogarde beweisen eine erstklassige Chemie und auch sonst sind die Darsteller durch die Bank gut gewählt. Um als Film Noir zu gelten, verfügt das Werk jedoch nicht über das nötige Gewicht und den dadurch etwas tieferen Schwerpunkt. Oder anders gesagt: Der Zuschauer weiß zu jeder Zeit, dass alles “gut“ werden wird.

 

Es gibt eine erstklassige deutsche DVD-Edition (2016) in der Reihe Juwelen der Filmgeschichte der Fersehjuwelen GmbH mit dem Film ungekürzt im Originalformat, bild und tontechnisch topp restauriert und inklusive des gut verständlichen englischen Originaltons und auch der deutschen Kinosynchronisation. Zudem findet sich ein Booklet mit einem Filmessay von Roland Mörchen sowie auf der DVD der original Kinotrailer, leider aber keine Untertitel.

 


Film Noir | 1950 | UK | Antony Darnborough | Terence Fisher | Reginald H. Wyer | André Morell | Dirk Bogarde | Honor Blackman | Jean Simmons | Zena Marshall

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