Mann ohne Gewissen, Der

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Film Noir Collection Koch Media GmbH


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Bewertung
****
Originaltitel
My Bother’s Keeper
Kategorie
Film Noir
Land
UK
Erscheinungsjahr
1948
Darsteller

Jack Warner, Jane Hylton, George Cole, Bill Owen, David Tomlinson

Regie
Alfred Roome
Farbe
s/w
Laufzeit
86 min
Bildformat
Vollbild

 


 

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An einem Fluss im beschaulichen Oxfordshire sitzt ein ehemaliger Major (Douglas Stewart) der British Army und angelt. Nicht weit von ihm hocken bei einer Brücke George Martin (Jack Warner) und der jüngere Willie Stannard (George Cole), welcher seinen offenbar verstauchten Fuß im Wasser kühlt. Als der Angler sich ihnen nähert, instruiert Martin seinen Begleiter Ruhe zu bewahren und das Reden ihm zu überlassen, bevor sie sich über ihre jeweiligen Namen informieren. Der Angler berichtet ihnen von seinen glücklosen Zeitvertreib und verabschiedet sich, und Stannard fragt den Älteren, ob der Fremde wohl Lunte gerochen habe. Weshalb, möchte Martin wissen, und Stannard hebt den rechten Arm, dessen Handgelenk mittels Handschellen an das linke von George Martiun gekettet ist… In London informiert sich Bill Wainwright (Raymond Lovell), Chefredakteur der London Tribune, über jene Gefangenen, die auf dem Weg in die Haftanstalt aus einem Polizeiwagen entkommen konnten. Schnell findet er die Namen der beiden heraus und sieht, dass George Martin, ein dekorierter Held des Weltkriegs, nicht zum ersten Mal ins Gefängnis kam. Aber anstatt von London aus einen Reporter zu entsenden, ruft Wainwright in dem in Oxfordshire befindlichen Hotel The Bear an. Dort tritt heute Ronnie Waring (David Tomlinson) mit seiner am Morgen ewrst geheirateten Ehefrau Meg (Yvonne Owen) seine Flitterwochen an. Und Wainwright zögert nicht, Waring die Story um die Flüchtigen als die Chance seines Lebens zu anzudrehen…

 

“I’ve made mistakes. Who hasn’t? But the past doesn’t exist for me. My life begins now. They’ll never get me this time, Nora.“ Die Dialoge sind knapp, der Tonfall ist kühl und jedwede Empathie, wird sie seitens George Martins oder auch Bill Wainwrights intoniert, ist schlicht ein Hohn. Das Leitmotiv der Flucht und die in dessen Vergangenheit zurückreichende Vielschichtigkeit der Persönlichkeit des zentralen Rollencharakters, im Fall von Der Mann ohne Gewissen eben George Martin in der Verkörperung durch Jack Warner, ist gerade im britischen Film Noir der ausgehenden 40er Jahre häufig: Lawrence Huntingtons Abgründe (UK 1947), Alberto Cavalcantis Sträfling 3312 (UK 1947) oder George Kings Fluch der Vergangenheit / Ruf der Vergangenheit (UK 1947) zeigen allesamt Figuren, die eindeutig schuldig sind und doch so faszinierend erscheinen, dass der Zuschauer ihnen insgeheim gesonnen bleibt. In seiner Verkommenheit, die selbst vor Mord nicht zurückschreckt, ist George Martin am ehesten noch Pinkie Brown (Richard Attenborough) verwandt, der in John Boultings Adaption des gleichnamigen Romans (EA 1938) von Graham Greene namens Brighton Rock (UK 1947) solches Generalthema des Brit Noirs par excellence umsetzte. Das Skript aus der Feder von Frankk Harvey jr. nach einer Vorlage von Maurice Wiltshire und auch Regisseur Alfred Roome setzen auf das Spiel mit der Ambivalenz. Sowohl George Martins Ehefrau aus 22 gemeinsamen Jahren (Beatrice Varley) als auch dessen deutlich jünge Freundin, die Inhaberin einer Autowerkstatt namens Nora Lawrence (Jane Hylton), sind dem Kriegsveteranen und Gangster verfallen. Erst in Anbetracht eines kaltblütigen Mordes, den Martin seinem Junior-Partner Stannard ankreiden will, sieht sich auch Nora zur Abkehr von ihm veranlasst.

 

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Alfred Roome war über 40 Jahre hinweg als Cutter tätig. In nur zwei Fällen führte er 1948/49 selbst Regie, doch Der Mann ohne Gewissen, eine Produktion der Gainsborough Pictures, ist ihm ohne Zweifel geglückt. Auch Reginald H. Wyer (Aus dem Tagebuch eines Henkers, UK 1948), ein in Zeiten des britischen Film Noirs vielbeschäftigter Kameramann, hat daran seinen Anteil. Jack Warner ist in der Hauptrolle schlicht herausragend, anders wäre der Film in dieser Qualität kaum denkbar, aber es ist Jane Hylton in einer ausdrucksstarken Rolle als die George Martin verfallene Einsame, die mich am meisten überraschte und zu beeindrucken wusste. Der Mann ohne Gewissen wird oft auf die Flucht der beiden aneinander Geketteten reduziert, die im Übrigen nach etwa der Hälfte der Spielzeit mit erfolgreich aufgesägten Handschellen endet. Doch ist das Skript in seinen Details viel zugespitzter und gar subtil, wenn etwa der großmäulige George dem naiven Willie erläutert, welche Fehler man auf der Flucht vor der Polizei keinesfalls begehen solle und sich auf solche Weise später selbst eine Grube gräbt… Fazit: Trotz der störenden komödiantischen Einlagen durch Tomlinson und Owen als Reporter mit Gattin in frühzeitig beendeten Flitterwochen entpuppt sich Der Mann ohne Gewissen als ein knackiger Brit Noir mit einem Finale, das womöglich dasjenige von Raoul Walshs Sprung in den Tod / Maschinenpistolen (USA 1949) inspirierte. Empfehlenswert!

 

Eine englische DVD-Edition (2010) via Odeon Entertainment präsentiert den Film ungekürzt im Originalformat mit dem englischen Originalton, bild- und tontechnich einwandfrei restauriert, als Extras einige Standfotos und ein kurzer Filmessay im Booklet: leider ist die Ausgabe inzwischen vergriffen. Eine deutsche DVD (2017), von dem dubiosen Label Endless Classics veröffentlicht, ist als Der Mann ohne Gewissen in mehreren Online-Foren mit Cover und Angaben zu technischen Details verzeichnet, aber nirgendwo erhältlich. Mir selbst ist sie auch nie untergekommen und womöglich ist sie nie erschienen.

 


Film Noir | 1948 | UK | Alfred Roome | Reginald H. Wyer | Bill Owen | Garry Marsh | Jack Warner | Maurice Denham | Wilfrid Hyde-White | Jane Hylton | Susan Shaw

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