Frank Sinatra, Faye Dunaway, David Dukes, George Coe, Brenda Vaccaro
© Warner Bros.
Die West 81st Street in Manhattan, New York, an einem verregneten Abend in der Vorweihnachtszeit: Ein Mann (David Dukes) in einem schwarzen Regenmantel geht in Richtung der Mt. Pleasant Baptist Church über den von Pfützen gesprenkelten Asphalt. Er erklimmt die Stufen eines Apartmenthauses, öffnet die verglaste Außentür und stellt sich in den Vorraum, wo er mit der behandschuhten Rechten aus der dort angebrachten Laterne die Glühbirne dreht, so dass er selbst im Dunkeln stehend die Straße überblicken kann. Im Mother Cabrini Hospital wird Barbara Delaney (Faye Dunaway) nach einem unerwarteten Kollaps für eine Notoperation vorbereitet, bei der auf dem Röntgenbild ihre Nieren im Zentrum der Aufmerksamkeit stehen. Ärzte und Pfleger waschen sich die Hände und Dr. Bernardi (George Coe) eilt herbei, um den Eingriff durchzuführen… Der Unbekannte im dunklen Foyer beobachtet, wie der Linienbus 17 mit dem Ziel East End Avenue auf offener Straße hält und Bernard Gilbert (Michael H. Ingram) aussteigt, der sich ebenfalls in Richtung der Mt. Pleasant Baptist Church in Bewegung setzt. Ersterer sondiert die Umgebung und verlässt sein Versteck, überquert in Ruhe die Straße und geht nun selbst Bernard Gilbert auf dem Bürgersteig entgegen. Letzteren friert, er hat die Schultern hochgezogen und er lächelt, als ihn der Fremde passiert, der sich in dem Moment umwendet, aus seinem Regenmantel einen Eispickel zum Vorschein bringt und Bernard Gilbert mit zwei gezielten Schlägen in den Hinterkopf tötet…
“I got enough whores, pimps, queers, freaks roamin' around out there to start my own Macy's parade. So if you got Jack the Ripper goin' down on Lizzie Borden in the middle of Times Square, I don't wanna' know about it!“ Frank Sinatra, der den kurz vor der Pensionierung stehenden Police Sergeant Edward Delaney spielt, war zum Zeitpunkt der Dreharbeiten 64 Jahre alt, Martin Gabel war 67 und James Whitmore, der älter wirkt und aussieht, war 58. Faye Dunaway als Delaneys Ehefrau Barbara war 39, also 25 Jahre jünger als Sinatra, doch wir sehen sie einzig als eine Patientin im Krankenhaus und sie steht dem Tod (meist) näher als dem Leben, insofern wirkt sie alterslos. Die Riege der Senioren jedoch stemmt den Film, der sich durch exquisites Schauspiel hervortut. Auch Frank Sinatra konnte mich überzeugen und zwar mehr als in all seinen anderen Filmen. Von Asphalt-Dschungel / Raubmord (USA 1950) über M (USA 1951) bis zu Der Mann mit dem goldenen Arm (USA 1955) waren die Akteure Whitmore, Gabel und Sinatra einst selbst im klassischen Film Noir aufgetreten und sie veredeln diesen Neo Noir mit seinem Flair der 70er scheinbar mühelos. Die erste Todsünde ist gemäß seinem italienischen Filmplakat das Werk einer Dekade, die sich verabschiedete, kein Film der kommenden 80er Jahre. Er atmet den Geist der einst von Sidney Lumet und William Friedkin gesetzten Standards des Thrillers in der Großstadt New York und hätte schon 6, 7 Jahre zuvor in genau dieser Art und Weise gedreht werden können. Mit der Schnittfolge in der Eröffnungssequenz erweist sich Brian G. Hutton, ein heute fast vergessener Regisseur, als Mann mit dramaturgischem Spürsinn und mit einem Willen zur Handschrift. Die Verfilmung des gleichnamigen Romans von Lawrence Sanders (EA 1973) bietet eine Geschichte, die zwar nicht ungedingt originell ist, die aber spannender und vielseitiger hätte ausfallen können, als sie es tut.
Zwei Aspekte lassen den Film jene Balance verlieren, die ihm weit über das erreichte Maß hinaus in eine andere Klasse hätte katapultieren können. So sind die Szenen mit Edward und Barbara Delaney, die im Krankenhaus um ihr Leben ringt, anrührend und bieten dem Zuschauer Einblicke in deren Eheleben mit seinen Wünschen und Hoffnungen. Leider wiederholt sich das Immergleiche zu oft: er sitzt am Krankenbett, bringt ihr ein Geschenk, sie sprechen miteinander, machen Pläne für das Leben nach ihrer Genesung… Auch das Schauspiel kann den geneigten Zuschauer nicht davor bewahren, dass er sich zu langweilen beginnt. Der zweite Fehler ist der Fokus auf Sergeant Delaney als der in einer Mordserie ermittelnden Instanz zuungunsten des von David Dukes eindringlich dargestellten, psychotischen Killers. Letzterer wird zur Nebenfigur und hat, obwohl an dritter Stelle genannt, kaum mehr Stellenwert als die für den Handlungsverlauf nicht zwingend entscheidenden Rollencharaktere, die von Gabel und Whitmore (brillant) verkörpert werden. Das Finale und der Schluss sind im Grunde drastisch. Dennoch wurde ich das Gefühl nicht los, der Regisseur hätte noch mehr Biss zeigen können. Fazit: Ein düsterer, von Kameramann Jack Priestley (Straße zum Jenseits, USA 1972) exzellent in urbane Bildkompositionen eingepasster und nach meiner Meinung zu Unrecht oft hart gescholtener Neo Noir seiner Zeit, der sein Potential, das offensichtlich ist, nicht auszuschöpfen vermag. Die erste Todsünde wurde Frank Sinatras letzter Film, darin er als Hauptdarsteller auftrat, indessen man Bruce Willis nur in einer Statistenrolle beim Betreten eines Restaurants erspäht.
Es gibt eine gute deutsche DVD-Edition von Warner Bros. Home Video (2006) mit dem Film im Originalformat und im Gegensatz zur deutschen Kinfassung von 1980 auch ungekürzt, bild- und tontechnisch einwandfrei, dazu die original englische Tonspur und die deutsche Kinosynchronisation, optional Untertitel auf Deutsch, das Ganze jedoch ohne jegliche Extras.