Film Noir
| USA
| 1955
| Nelson Algren
| Otto Preminger
| Sam Leavitt
| Darren McGavin
| Emile Meyer
| Frank Sinatra
| George E. Stone
| Paul E. Burns
| Will Wright
| Eleanor Parker
| Kim Novak
Bewertung
****
Originaltitel
The Man With The Golden Arm
Kategorie
Film Noir
Land
USA
Erscheinungsjahr
1955
Darsteller
Frank Sinatra, Kim Novak, Eleanor Parker, Arnold Stang, Darren McGavin
Regie
Otto Preminger
Farbe
s/w
Laufzeit
114 min
Bildformat
Vollbild
© United Artists Corporation
Chicago: Frankie Machine (Frank Sinatra) kehrt nach einem sechsmonatigen Sanatoriumsaufenthalt in sein altes Viertel downtown zurück. Sechs Monate – so lange dauerte sein Entzug vom Heroin. Nun will der ehemalige Berufsspieler bei den illegalen Pokerrunden des Ganoven Schwiefka (Robert Strauss) und dessen Handlanger und Drogendealer Louie (Darren McGavin) als Schlagzeuger einer Jazzband ein neues Leben beginnen. Noch das Gepäck im Arm ist seine erste Station die alte Stammkneipe, wo er am Nachmittag einige alte Bekannte trifft. „The monkey’s gone“, verkündet Frankie selbstbewusst, als er von seinem Kumpel Sparrow (Arnold Stang) auf seine Drogensucht angesprochen wird. Und für den Dealer Louie, der ihm gleich als den Bankhalter wieder fürs Pokern verpflichten will und ihm einen kostenlosen Schuss anbietet, hat er nur Verachtung übrig. Zuhause erwartet ihn seine Frau Sophia (Eleanor Parker), von allen „Zosch“ genannt, die nach einem von Frankie verursachten Verkehrsunfall seit drei Jahren im Rollstuhl sitzt, mit einem Kuchen. Doch Frankie kann sich in Anwesenheit der hoch neurotischen Frau darüber nicht freuen. Von seinen Plänen einer Karriere als Musiker hält sie nichts und sähe ihn am liebsten wieder als den Spieler „with the golden arm“ im Dienst von Schwiefka. Als Frankie am Telefon im Treppenhaus ein Vorspielen als Schlagzeuger zu verabreden sucht, kommt die Bardame Molly (Kim Novak) in Begleitung des abgehalfterten Johnny (John Conte) aus ihrer Wohnung…
„Dies ist ein Film Noir der ganz dreckigen Sorte“ heißt es bei Movieman.de zu Otto Premingers Der Mann mit dem goldenen Arm. Nun ja! Das trifft es zum Teil. Sicher ist der Film, gemessen an der Zeit seiner Entstehung, die Antithese zur harmlos seichten Unterhaltung aus Hollywood, die für jene McCarthy-Ära bis 1955 so typisch war. Erst 1956 ging sie für alle spürbar ihrem Ende entgegen – in dem Jahr erschienen u.a. Robert Aldrichs Rattennestn (USA 1956) und Stanley Kubricks Die Rechnung ging nicht auf/Killing (USA 1956) , zwei späte Film Noirs, die bereits den Weg in die Sechziger wiesen. Gewissermaßen war auch Premingers Film Noir Der Mann mit dem goldenen Arm, eine Adation des gleichnamigen Romans von Nelson Algren, nicht zuletzt im Windschatten des sich ändernden politischen Klimas möglich geworden. Über weite Strecken ist er deutlich konventioneller: Kostüme und Studiosets erinnern an Fritz Langs Gefährliche Begegnung / Der Erpresser (USA 1944) oder auch William Wylers Sackgasse (USA 1937). Zur Zeit von Der Mann mit dem goldenen Arm drehte Jean-Pierre Melville in den Straßen von Paris Drei Uhr nachts (FRA 1956) und zeigte eine Großstadt, wie sie wirklich ist – seiner Zeit damit um mehr als eine Nasenlänge voraus. Zudem wurde aus Frankie Machines Untergang in Algrens Roman bei Preminger ein versöhnliches Filmende, das die "Moral von der Geschicht‘" in den Vordergrund schob. Das war und ist für viele Kritiker der große Minuspunkt.
© Concorde Home Entertainment GmbH
Und doch ist Der Mann mit dem goldenen Arm bis heute sehenswert. Als Literaturverfilmung ist das Werk zu Recht umstritten. Aber Frank Sinatra, von dem viele als Schauspieler keine hohe Meinung haben, liefert seine wohl beste Leistung überhaupt ab. Alle anderen Darsteller einschließlich Kim Novak machen ihre Sache gut. Der heimliche Star des Films ist jedoch Eleanor Parker. Abgesehen vom Verlierer mit dunkler Vergangenheit, Frankie Machine, ist es ihre pathologisch hysterische Femme fatale im Rollstuhl, Zosch Machine, deren Persönlichkeit fasziniert. Während die von Gier gespeisten Antriebe aller Rollencharaktere schnell einleuchten, ist es Zoschs schillernde Widersprüchlichkeit, die Eleanor Parker voll ausspielt. Überaus gelungen an Sinatras Portrait des Süchtigen ist dessen zunehmend aufgeweichte Persönlichkeit – seine Willensschwäche, seine Selbstanklage und die von den Wurzeln in alle Richtungen schwärende Lebenslüge. Solche Studie inneren Zerfalls und des Balancierens am Abgrund ist exzellent inszeniert und auch gespielt. Als ein Sozialdrama zeigt Der Mann mit dem goldenen Arm viele Wesenszüge des Film Noirs, geht zu Teilen aber darüber hinaus. Filme wie Martin Ritts Ein Mann besiegt die Angst (USA 1957) oder Robert Rossens Haie der Großstadt (USA 1960) sollten den Film-Noir-Kontext bald in eine neue Ära transferieren.
Die deutschen BD- und DVD-Editionen (2013) der Concorde Home Entertainment GmbH, im Ganzen bereits die dritte digitale Veröffentlichung, zeigen ein sehr gutes Bild ungekürzt und im Originalformat mit wahlweise deutschem oder englischem Ton, Extras gibt es keine. Für einen Film der Public Domain, der international in qualitativ unterschiedlichen Fassungen erhältlich ist, ist diese Neuausgabe in Form und Inhalt für den zumal günstigen Preis vorbehaltlos zu empfehlen.