Mickey Rourke, John Lone, Ariane, Leonard Termo, Raymond J. Barry
Chinatown in New York: Bei einer farbenfrohen Prozession durch deren Straßen, währendessen Pyrotechnik, Musik und Schaulustige für ein unüberschaubares Gemenge sorgen, wird der Triaden-Boss Jackie Wong (Ming C. Lee) von einem jugendlichen Auftragskiller (Kader Ma) brutal erstochen. Kurze Zeit darauf sind es die Familie und die Anhänger Wongs, unter ihnen Joey Tai (John Lone) und Harry Yung (Victor Wong), die bei der Beerdigung ihres verehrten Oberhaupts durch Chinatown prozessieren und es ist Ronnie Chang (Joey Chin), der im Laden des Italieners Lenny Carranza (Tony Lip) von jenem Schutzgeld einfordert, weil die Abmachungen zwischen der Triade und der italienischen Mafia nicht mehr gültig seien. Als Carranza, der unter dem Schutz der Mafia steht, den dreisten Kerl aus seinem Ladenlokal komplementieren will, exekutiert jener ihn mit einem Kopfschuss… Indessen ist auch die populäre Fernsehjournalistin Tracy Tzu (Ariane) mit ihrem Kamerateam auf den Straßen Chinatowns unterwegs und befragt am Rande der Prozession den für diesen Bezirk zuständigen, berittenen Polizeioffizier William Mckenna (Eddie Jones), ob es sich hier etwa um den Auftakt eines Krieges zwischen den einflussreichen Triaden in Chinatown handele, was jener klar verneint. Zum einen werde man Jackie Wong sicher nicht vermissen, zum anderen seien das nur die Auswüchse rivalisierender Jugendgangs, so McKenna. Ohnehin gäbe es so etwas wie die Triaden Hongkongs in New York nicht, das sei ein Hirngespinst…
"White is a misanthropic, openly racist Vietnam War veteran who treats the battle against crime in Chinatown as an extension of America’s failed conflict against communism in Southeast Asia“, beschreibt Andrew Nette die zentrale Figur in Ciminos Neo Noir, nämlich diejenige des Police Captains Stanley White (Mickey Rourke) für Pulp Curry. Als der Film 1985 ins Kino kam, wurde er von der Filmkritik teils verrissen, weil er damit einen Mann in den Mittelpunkt einer als integer bewerteten Verbrechensbekämpfung stellte, der ein Rassist, ein Macho und über alle Maßen selbstgerecht und manipulativ ist. Heute liest man über Im Jahr des Drachen, dass er ein großartiger, zu Unrecht vergessener Thriller und Neo Noir der 80er Jahre sei. Sind all die Vorbehalte 35 Jahre später gegenstandslos geworden? Ich finde nicht. Der von Mickey Rourke verkörperte Kriegsveteran und hochdekorierte Polizeioffizier im Rang eines Captains hat polnische Wurzeln und heißt Stanley Wizynski, doch zieht er es vor, als Cop unter dem Namen Stanley White zu agieren. Er ist ein ex-G.I. und zelebriert als patriotischer US-Amerikaner und Polizist einen tief verwurzelten Hass auf Menschen, die aus Ost-Asien stammen. Er ist bei den Kollegen als Hardliner unbeliebt, er vernachlässigt seine Ehefrau und gibt ihrer Stimme keinen Raum, sein Leben ist ein Feldzug wider die Welt. Alles das könnte ihn zu einer schillernden und ambivalenten Figur des Drehbuchs aus der Feder von Oliver Stone und Michael Cimino werden lassen, doch die letzten 20 Minuten stilisieren Stanley White zum Helden, der über alle Widerstände hinweg den Sumpf des Verbrechens trockenlegt. Auf dem Weg dorthin hinterlässt er eine blutige Spur. Unter den Opfern auf dem Altar seiner Rechtschaffenheit finden sich ihm privat und beruflich nahestehende Personen, Mister White jedoch sieht die Schuld für deren Tod stets bei seinen Gegnern und beim System, nie bei sich selbst.
So folgt Im Jahr des Drachen einerseits dem Neo Noir der 70er Jahre, der sich in French Connection / Brennpunkt Brooklyn (USA 1971), in Straße zum Jenseits (USA 1972) oder in Serpico (USA/ITA 1973) mit ähnlichen Charakteren befasste. Im Gegensatz zu den genannten Werken ist Ciminos Perspektive auf seinen Protagonisten Stanley White vom Ende her betrachtet aber wenig nuanciert. Zwar gibt es viele Akteure, die sich dem faschistoiden Police Captain White in den Weg stellen, doch schlussendlich gibt der Erfolg ihm Recht. Das opulente Drama ist trotz 134 Minuten Spielzeit kurzweilig, die Kameraarbeit, die Drehorte, die Choreographie, ein Großteil der Schauspieler und die Dramaturgie lassen nichts zu wünschen übrig. Dass Captain White im Jahr 1985 der einzige New Yorker Polizist sein soll, der je von der “Triade“ als chinesischer Verbrecherorganisation vergleichbar der italienischen Mafia gehört haben soll, ist lächerlich. Dass die emanziperte, erfolgreiche TV-Journalistin Tracy Tzu in Anbetracht des postpubertär arroganten Auftretens von White zu jenem in Liebe entbrennt, ist unglaubwürdig. Solche porösen Nahtstellen der Filmhandlung schmälern den Genuss des Werks zusätzlich. Zum Abspann blieb mir ein schaler Nachgeschmack und ein Achselzucken. Oliver Stone (Conan, der Barbar, USA 1982) war mir als Drehbuch-Autor schon immer suspekt und dieser handwerklich so überzeugende Neo Noir bestätigt meine Abneigung.
Erstklassige BD- und DVD-Editionen (2018) der Koch Media GmbH, die im Gegensatz zu früheren Veröffentlichungen auf DVD den Film im korrekten Bildformat, nämlich in 2.35:1 (Widescreen) wiedergeben. Das Ganze ist ungekürzt mit der original englischen Tonspur (ein Muss!) und den Kinosynchronisationen auf Deutsch und Französisch, die jeweils verzichtbar sind, als Extras eine Bildergalerie mit Filmpostern und Aushangfotos, einen Audiokommentar von Michael Cimino sowie den deutschen und englischen Kinotrailer.