Robert Pattinson, Benny Safdie, Buddy Duress, Taliah Webster, Jennifer Jason Leigh
New York: Der freundliche Psychotherapeut Peter (Peter Verbis) leitet Nick Nikas (Benny Safdie) durch ein scheinbar harmloses Ratespiel, das dienen soll, Licht ins Dunkel der Lebensverhältnisse des Mannes zu bringen, der als geistig behindert unter seiner gewalttätigen Großmutter leiden muss. Inmitten der Sitzung erscheint dessen Bruder Connie (Robert Pattinson) und zerrt Nick hinaus und auf die Straße. Unter Gesichtsmasken von Schwarzafrikanern und bis zur Unkenntlichkeit verkleidet, überfallen Connie und Nick eine Bankfiliale, wo Connie der Kassiererin (Evonne Walton) Botschaften über den Tresen der Geldausgabe reicht und sie auffordert, die Tasche mit Banknoten zu füllen. Da sie die geforderte Summe von 65.000 US-Dollar nicht am Schalter hat, verschwindet sie im Tresorraum und kehrt mit der prall gefüllten Tasche wieder zurück. Connie und Nick stürmen aus der Bank und in eine Seitengasse, wo sie sich ihrer Masken und Kleidung entledigen. Als sie am Treffpunkt ankommen, fehlt vom Fluchtwagen jede Spur, erst eine Minute später erreicht er die beiden. Diese springen hinein und können entkommen, indessen die Polizei mit aufheulenden Sirenen zur Bank fährt. Plötzlich aber entlädt sich im Inneren der Tasche ein Alarmpaket und sprüht violetten Staub ins Wageninnere, so dass ihr Fahrer die Kontrolle über den Wagen verliert und in eine Reihe parkender Autos hineinschlittert. Connie und Nick fliehen zu Fuß, und im Laufen entledigen sie sich hastig der verräterisch eingefärbten Kleidungsstücke…
Das Englische bietet mit Blick auf Filmrezensionen einen Begriff, der in seiner Prägnanz kaum übersetzbar ist, nämlich “unwatchable“. Beim Genuss von Good Time sprang er mir nach dessen erstem Drittel mehrfach in den Sinn. Doch hier steckt vieles drin, was ich, bezogen auf den Thriller von Benny und Josh Safdie, werde erläutern müssen. Natürlich ist deren Neo Noir nicht per se “unwatchable“, in der Bedeutung des Wortes. Dennoch kann ich jeden verstehen, der sich aus dieser Posse eines Thrillers ausklinkt und den Film abschaltet. Good Time ist es einfach nicht wert. Sein entscheidender Fehler ist, sich mit allen Klischees der Low-Life-Coolness des Zeitgeists einem scheinbaren “Realismus“ zu verschreiben, der dann geradewegs in der Banalität endet. Denn “Realismus“, wie er hier allzu offensichtlich angestrebt und verstanden werden soll, ersetzt nie und nimmer den Kunstraum einer hochwertigen Erzählung. Good Time bleibt als Geschichte auf zwei drei Elemente aus jeder x-beliebigen TV-Serie reduziert und vertraut auf seine vermeintlich bizarren Charaktere und vermeintlich extremen Stilmittel. Beide aber sind überhaupt nicht, was sie sein wollen und sollen, und der Film ist nirgendwo und zu keiner Zeit so rabiat und so radikal, wie er uns glauben machen will. Wenn US-Kritiker im Jubelrausch dieses Werk mit Martin Scorseses Hexenkessel (USA 1973), Die Zeit nach Mitternacht (USA 1985) oder mit Sidney Lumets Hundstage (USA 1975) vergleichen – eins der Poster von Good Time nimmt auf den in ebenfalls einer Nacht spielenden Die Zeit nach Mitternacht Bezug – möchte man ihnen zurufen: „Wann habt Ihr Euch zuletzt eins dieser Werke angeschaut?“ Ich vermute, das liegt schon lange, lange zurück.
“But the (…) movie’s chief investment is not in the fates of any of its characters, nor in anything like realism, but rather in its own cool (…) so that a rickety genre thrill ride feels like something daring and new. It isn’t. It’s stale, empty and cold.” Das ist eine bitterböse Schlussfolgerung, die A.O. Scott für The New York Times zieht, aber sie trifft zu 100% zu. Die Charaktere des Films sind dergestalt banal, dass sie auch das Spiel ihrer Akteure nicht aus dem faden Einerlei ihrer Sprachwerdung reißen kann, wo die Dialoge für mich so spannend sind wie ein Mitschnitt aus der Fußgängerzone in einem Provinznest am Samstagnachmittag. Oder um es deutlicher zu sagen: Diese New-York-Dropouts, wie sie uns die Gebrüder Salfdie vorführen, sind dergestalt oberflächlich und stupid, dass sie zu keinem Zeitpunkt die Aufmerksamkeit und das Interesse der Zuschauer halten können. Zumal nur Jennifer Jason Leigh – für etwa 5 Minuten zu sehen – und Taliah Webster gute Leistungen liefern. Robert Pattinson hingegen, von Kritikern über den grünen Klee gelobt, agiert mechanisch und wie auf Autopilot. Völlig beliebig ist im Übrigen auch der elektronische Klangteppich von Daniel Lopatin, irrsinnig prätentiös und ohne Mehrwert für die ständigen Close-Ups und das pseudo-authentische Gewackel der Handkamera, beides in seiner ach so provokativen Art überstrapaziert. Fazit: Zeitverschwendung und zwar auf ganzer Linie.
Sehr gute deutsche BD- und DVD-Editionen (2018) der Ascot Elite Home Entertainment mit dem Film ungekürzt im Originalformat und mit dem englischen Originalton und einer deutschen Synchronisation, dazu optional deutsche Untertitel, den US-Kinotrailer als Extra.