George Sanders, Geraldine Fitzgerald, Ella Raines, Sara Allgood, Moyna MacGill
© Universal-International Pictures Inc.
Corinth in New Hampshire, USA, ist eine Kleinstadt in Neuengland und die Familie Quincey hat dort eine lange, ehrenwerte Tradition. Während der Weltwirtschaftskrise verlor sie ihr Vermögen, also arbeitet Junggeselle Harry Melville Quincey (George Sanders) als Chefdesigner für Tuchmuster in der Warren Mill, einer ortsansässigen Textilfabrik. Mit seiner jüngeren Schwester Lettie (Geraldine Fitzgerald) und der älteren, verwitweten Hester (Moyna MacGill) lebt der Enddreißiger in dem von ihm geerbten Elternhaus. Die drei Geschwister werden von der Haushälterin Mona (Sara Allgood) umsorgt. Alle Frauen haben ihre jeweils eigene Auffassung davon, was dem einzigen Mann im Hause wohl täte. Vor allem die Schwestern sind in ihrer Wesensart enorm gegensätzlich und die sensible, hypochondrische Lettie straft die eher schlichte Hester mit Verachtung, denn sie allein möchte sich Harrys Gunst versichern. Seit Jahren ist sie wegen einer von Dr. Adams (Samuel S. Hinds) diagnostizierten Herzkrankheit bettlägerig und auf des Bruders Fürsorge angewiesen. Der gebildete Harry ist auch Hobbymaler, Astronom und spielt Klavier, und Lettie verehrt ihn über die Maßen, indessen ihn Helen (Judy Clark) und andere Kollegen als Onkel Harry titulieren. Eines Tages besucht Geschäftsführer John Warren (Craig Reynolds) mit der in seiner New Yorker Filiale arbeitenden Modedesignerin Deborah Brown (Ells Raines) Harry Quinceys Atelier. Und schon an Deborahs erstem Abend in Corinth gehen Harry und die attraktive, junge Frau gemeinsam aus…
“The script is pictorially cut-and-dried, and Robert Siodmak's direction is curiously slow and stiff”, resümierte Bosley Crowther gleich nach der Premiere im August 1945 für die New York Times und traf nicht nur damit den Nagel auf den Kopf. Im Gegensatz zu dem mir völlig unbegreiflichen Jubelgeschrei über diesen insgesamt schwachen Robert-Siodmak-Film, wie es in Zeiten der Archäologie zum Film Noir heute ertönt, hatte man seinerzeit noch den Anspruch, dass die Adaption eines Theaterstücks, das nach Aussage des Filmplakats “…the play that shocked Broadway!“ sei, auch wirklich dramaturgisch zupackend ausfalle. Stattdessen ist The Strange Affair Of Uncle Harry befremdlich, aber befremdlich zahm und lauwarm, mit einem Finale und Ende, von dem das Filmstudio Universal Pictures nicht wollte, dass es potentiellen Kinobesuchern bereits kundgetan wird. Bosley Crowther tat in seiner Rezenzion für die New York Times aber genau das - er verriet den ach so überraschenden Schluss und entlarvte ihn als lächerliches Zugeständnis an die vom fanatischen Antisemiten Joseph I. Breen geführte Production Code Administration zwecks Einhaltung des Hays Codes. Der Schlussteil entspricht nämlich keineswegs dem von Thomas Job verfassten Theaterstück Uncle Harry (EA 1942) in seinen drei Akten, sondern führt die Handlungsentwicklung geradewegs ad absurdum und entlarvt den Film als x-beliebige Geisterbahn in die Abgründe eines Verlangens, das es als Schall und Rauch bloßstellt. Oder anders formuliert: Die Erzählung als solche entbehrt, vom Ende her betrachtet, all jener Kontroversen, die sie dem Zuschauer zu Beginn als relevant oder zumindest sehenswert vorgaukelt. Als Folge der von Breen (seit 1934) so massiv betriebenen Zensur in Hollywood, die The Strange Affair Of Uncle Harry wie zuvor Alfred Hitchcocks Verdacht (USA 1942) ein seiner Vorlage geradezu widersprechendes Ende aufzwang, kündigte die in England gebürtige Produzentin Joan Harrison (Zeuge gesucht, USA 1944) ihren Vertrag mit Universal Pictures.
© Universal-International Pictures Inc.
“You must know by now that Lettie has no intention of giving you up. Not as long as she lives…” An so mancher Wendung der Handlung blitzt das Potential der Geschichte auf, das nicht erst mit dem Schluss unerfüllt bleibt. Im Jahr zuvor hatte Robert Siodmak mit Zeuge gesucht (USA 1944) und mit Christmas Holiday (USA 1944) zwei Film Noirs gedreht, darin er selbst und sein Kameramann Elwood Bredell den Stil einer ganzen Ära vorwegnahmen. Sowohl mit The Strange Affair Of Uncle Harry als auch mit dem gleichsam zahmen Gothic Noir Unter Verdacht (USA 1944) liefen er und Kameramann Paul Ivano dem just gesetzten Standard hinterher. Die 25 jährige Ella Raines wirkt in ihrer dritten und letzten Kooperation mit Siodmak eigentümlich verschenkt. Ihre Rolle gibt nichts her und ihre Chemie mit Sanders wirkt forciert. Die 31jährige Geraldine Fitzgerald erinnert den 38jährigen George Sanders an die Zeit, als er noch ein Kind war; von ihrer „Schwester“, der 49jährigen Moyna MacGill, trennen sie über 18 deutlich sichtbare Lebensjahre. Trotz einer überzeugenden Leistung George Sanders’ als Harry und dessen platonisch inzestuöser Beziehung zur Schwester Lettie Quincey, die natürlich Sprengstoff bietet (bzw. böte), bleibt der Film zuletzt so blass wie Raines’ Deborah Brown und alle Akteure in Nebenrollen, die wie x-beliebige Statisten wirken. Fazit: Ein inzwischen über 70 Jahre alter Film, der auf mich keinen Tag jünger wirkt. In Deutschland hatte er seine Erstaufführung im Juli 1983 im Fernsehen.
Sehr gute, allerdings spartanisch audsgestattete BD und DVD-Editionen (2015) von Olive Films (USA) mit dem Film ungekürzt im Originalformat, bild- und tontechnisch topp restauriert, mit dem original englischen Ton ohne Untertitel und erstaunlicherweise ohne jegliche Extras.