Noah Wyle, Jeremy Irvine, Minka Kelly, Adelaide Clemens, Steve Earle
In den Appalachen, North Carolina, im Jahr 1974: Der 17jährige Schulabbrecher Travis Shelton (Jeremy Irvine) weiß nichts über das Massaker an Siedlern, das 1862 während des Sezessionskrieges in der Gegend stattfand… Er lebt mit seinem Vater (Alex Van), der ihn nicht versteht und zu dem er kein gutes Verhältnis hat, und mit seiner Mutter (Robin Mullins) in bescheidenen Verhältnissen. Einen Job als Kassierer im Supermarkt hat Travis an seinem ersten Tag verloren, als ihn der Manager (Tim Ware) dabei beobachtete, wie er einem alten Mann (Don Young) die Summe von 1 Dollar und 57 Cents erließ. Beim Angeln bemerkt Travis einen Pfad, der ihn zu einem heruntergekommenen Anwesen führt, das ringsum von einer Zucht von Marihuanapflanzen gesäumt ist. Travis zückt sein Messer und schneidet einen der Sträucher ab, den er mit seinem Pick-Up-Truck sicher nach Hause bringt. Nach dem Abendessen trifft er an einer Tankstelle seinen Kumpel Shank (Haley Joel Osment) und zeigt ihm die Beute, denn Shank versteht etwas davon und hat Verbindungen. Travis möchte die Pflanze verkaufen und gemeinsam mit Shank fährt er zu dem ex-Lehrer Leonard Shuler (Noah Wyle), der mit seiner Freundin Dena (Minka Kelly) in einem Wohnwagen haust und vom Drogenhandel lebt. Leonard riecht den Braten sofort und kauft Travis die Ware für kleines Geld dennoch ab. Die Jungen bleiben auf ein Bier und Travis entdeckt, dass sich Leonard mit der Historie der Gegend während des Sezessionskrieges befasst…
”I think, violence begets violence. It doesn’t stop. Like a sickness.“ David Burris’ Spielfilmdebüt ist eine Independentproduktion, die zu beeindrucken weiß. Mit einem geringen Budget und einer Riege herausagender Darsteller gelingt ihm die Verfilmung des Romans The World Made Straight (EA 2006) von Ron Rash, den wiederum Newcomer Shane Danielsen zu einem Drehbuch umarbeitete. Das Resultat ist ein ruhiger Thriller, der trotz seiner Drehorte nicht als Backwoods-Film missdeutet werden sollte. Im Fahrwasser von In The Electric Mist (FRA/USA 2009), Winter’s Bone (USA 2010), Mud (USA 2012) oder Auge um Auge - Out of The Furnace (USA/UK 2013), dabei einer durch Rückblenden verschachtelten Erzählweise verpflichtet und zu Beginn mit einem Erzähler aus dem Off bedient sich der Film in mancher Weise der entwickelten Tradition aktuellen Neo-Noir-Kinos. Der Schatten der Vergangenheit ist besonders lang, aber Zorniges Land hat stets die individuellen Geschichten aller Charaktere in der Gegenwart seiner Handlung im Blick. Der Film zeigt ihre Vernetzung in der Landeshistorie als jeweils einzigartige Familienbande und als Verwurzelung in einer endlosen Spirale der Gewalt, aus der es scheinbar kein Entrinnen gibt. Die Konfrontation mit einigen Geheimnissen der eigenen Herkunft, die sein Vater vor ihm verschwieg, führt Travis Shelton zur Entdeckung so mancher Ambivalenzen und Abgründe seiner unmittelbaren Umgebung und deren Bewohner.
© Tiberius Film GmbH
“The beautiful scenery and authentic soundtrack accompany the strong performances, and a noir-ish undercurrent flows beneath this coming-of-age story”, bemerkt William Harrison für DVD Talk mit einigem Sinn für Burris’ Mischungsverhältnis, das zu einem ungewöhnlichen und dennoch wohl temperierten Drama findet. Man sollte vorab einiges bedenken, um nicht an falschen Erwartungen zu scheitern. Zorniges Land ist keine leichte Kost und zum anderen kein Actionfilm, auch keinesfalls dem gewaltvollen Backwoods-Film verpflichtet, wenn auch härtere Passagen beinhaltet sind. Dieser Film ist klassisches Erzählkino, das mit einer komplexen Geschichte aufwartet und von nicht immer transparent eindeutigen Rollencharakteren voran getrieben wird, sich demgemäß Zeit lässt, um ihre Beziehungen zu präsentieren und sie schließlich wieder zu lösen. Wie seinerzeit Winter’s Bone profitiert Zorniges Land von einem Ensemble, deren Beteiligte meist nur in TV-Serien oder in Nebenrollen von Hollywoodproduktionen auftraten und die zeigen, was in ihnen steckt. Von Noah Wyle, Jeremy Irvine und Adelaide Clemens bis hin zu Alex Van agieren die Schauspieler durch die Bank glaubwürdig auf hohem Niveau. Erstklassige Kameraarbeit von Tim Orr (Die Wahlkämpferin, USA 2015) und punktgenau gewählte Musik von Susan Cowsill, Megafaun, The Connells, u.a. runden einen Film, den Christopher Diekhaus für kino-zeit.de triftig als “Country Noir“ betitelte. Cineasten, denen ausreichend Neugier und Ruhe geblieben ist, um sich einen Independentfilm anzuschauen, der seiner Geschichte viel Sensibilität und Sorgfalt angedeihen lässt, sei Zorniges Land daher empfohlen.
Bild- und tontechnisch sehr gute BD- und DVD-Editionen (2016) der Tiberius Film GmbH, München, mit dem Film ungekürzt im Originalformat, wahlweise die original englische oder eine deutsche Tonspur, dazu optional deutsche Untertitel und den Kinotrailer als Extra. Der auf dem Cover angegebene Hinweis auf Ron Rashs Roman Serena (EA 2008) ist falsch, denn das ist ein anderes Buch und als Serena (USA/FRA/CZ 2014) von Susanne Bier mit Bradley Cooper und Jennifer Lawrence auch ein völlig anderer Film.