Baltasar Kormákur, Ingvar Eggert Sigurðsson, Lilja Nótt Þórarinsdóttir, Þröstur Leó Gunnarsson, Jörundur Ragnarsson
Reykjavík, Island: Auf einem nächtlichen Parkplatz in der Nähe des Hafens bekommen die beiden Schmuggler Arnór (Jörundur Ragnarsson) und Simmi ernsthaft Probleme mit ihrem Auftraggeber Eiríkur (Jóhannes Haukur Jóhannesson). Der ist stinksauer auf die beiden Versager und fährt Arnórs Kumpel sogar mit seinem Auto an, bevor er ihn mit Tritten malträtiert…Der Alkohol-Schmuggel vom europäischen Festland via Rotterdam nach Island ist ein ebenso lohnenswertes wie gefährliches Unterfangen. Der Seemann Kristófer (Baltasar Kormákur) war einst darin verwickelt, aber er wurde mit 4500 Liter reinen Akohols erwischt und zu 6 Jahren Haft verurteilt, ohne allerdings seinen damaligen Komplizen Steingrímur (Ingvar Eggert Sigurðsson) zu verraten. Heute arbeitet Kristófer als Wachmann für ein Logistikunternehmen und kümmert sich um seine Familie bestehend aus seiner Frau Íris (Lilja Nótt Þórarinsdóttir) und den beiden Söhnen Skúli (Pálmi Kormákur Baltasarsson) und Egill (Stormur Jón Kormákur Baltasarsson). Als Kristófer nach Hause kommt, wartet dort sein Schwager Arnór, von Eiríkur verprügelt, im Wohnzimmer auf dem Sofa. Ganze 2000 Liter musste er über Bord gehen lassen, um nicht vom Zoll erwischt zu werden. Jetzt sitzt ihm Eiríkur im Nacken und verlangt sein Geld zurück, will Arnór unversehrt aus der Sache rauskommen. Kristófer möchte von alldem nichts wissen, für ihn ist das Dasein als Schmuggler Vergangenheit. Aber er hat Arnór den Job besorgt und deshalb ein schlechtes Gewissen. Kurz darauf trifft er Steingrímur…
“Visually it looks fantastic, especially in the land-based night scenes which meld rich colours against a sheer black backdrop to neo-noir effect”, schreibt Ben Hopkins für icelandonscreen und fokussiert damit zielsicher einen von vielen positiven Aspekten des Films. Eine Geschichte mit überraschenden Wendungen, facettenreichen Rollencharakteren und vor allem Schauspielern mit Narben und Kerben im Gesicht, ganz weit weg von den werbetauglichen Allerweltsgesichtern der meisten Unterhaltungsproduktionen. Dieser raue und bewusst wenig polierte Film zeigt vieles, was Zuschauer weltweit in den letzten 10 Jahren am sogenannten “Nordic Noir“ schätzen gelernt haben. Nicht zuletzt sind die Schauplätze deutlich anders als in großen Produktionen. Sowohl in den Städten Reykjavík und Rotterdam als auch an Bord des Frachters Dettifoss der Schiffahrtslinie Eimskip ist der Zuschauer nah am ungeschminkten Alltag der Figuren. Der Film Noir in diesem dunklen Thriller kommt sukzessive zum Tragen. Nahezu jeder betrügt jeden, Vertrauen ist eine geradezu tödliche Schwäche, vor allem der Strippenzieher im Zentrum des Geschehens offenbart sich mit seinen Zielen und wahren Absichten erst allmählich. Er zeigt, inwieweit die anfängliche Einschätzung der Verhältnisse eine falsche war, und zerstört die fragile Balance, welche Kristófer und seine Familie unter schwierigen Umständen über Wasser hält. Der Vater und Ehemann ist auf Bewährung frei, aber er lässt sich von seinem Gewissen und Steingrímur dazu verleiten, noch einmal eine “Tour“ zu absolvieren, um die Schatten seiner Vergangenheit endlich abschütteln zu können.
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© Studiocanal GmbH
Óskar Jónassons Noir-Thriller Reykjavík-Rotterdam mit Islands nach 101 Reykjavík (ISL/DNK/FRA/NOR/GER 2000) populärem Regisseur Baltasar Kormákur (A Little Trip To Heaven, ISL/USA 2005) in der Hauptrolle schaffte es nicht ins deutsche Kino. Dann wurde der Film zur Vorlage für das US-Remake Contraband (USA 2012) mit Mark Wahlberg und Kate Beckinsale in den Hauptrollen, der hierzulande im März 2012 als Kinofilm seine Premiere hatte. Im August 2012 folgte die deutsche BD- bzw. die DVD-Edition von Reykjavík-Rotterdam mit dem Vermerk „Das Original von Contraband mit Mark Wahlberg“ auf dem Frontcover. Nur die Verbindung mit einem Hollywood-Blockbuster gab scheinbar Anlass, solche isländische Produktion, an der auch die deutsche Bavaria Pictures GmbH beteiligt war, hierzulande überhaupt auf den Markt zu bringen und sei es versteckt im Programm eines unabhängigen Filmvertriebs. Ironie des Schicksals: Beim Remake Contraband führte wiederum Baltasar Kormákur die Regie und Ólafur Darri Ólafsson, der auch im Original mitspielte, übernahm ebenfalls eine Rolle. Inzwischen sind die beiden sowohl weiterhin in der isländischen Filmproduktion als auch regelmäßig in Hollywood aktiv. Das isländische und parallel auch das skandinavische Filmschaffen haben in den letzten 15 Jahren wiederholt bewiesen, dass der dunkle Thriller mit Film-Noir-Einflüssen dort Wurzeln schlug, und schon mehrfach gaben solche Werke Anlass zu Neuverfilmungen in den USA. Reykjavík-Rotterdam sei allen Freunden des Neo Noirs somit ans Herz gelegt, denn natürlich ist das Original der bessere Film.
Jeweils hochwertige BD- und DVD-Editionen der Studiocanal GmbH (2012) mit dem Film ungekürzt im Originalformat, wahlweise die deutsche oder die isländische Tonspur mit deutschen Untertiteln, den Kinotrailer als Extra.