Neo Noir
| France
| 1985
| Jean-Luc Godard
| Jean-Pierre Léaud
| Johnny Hallyday
| Emmanuelle Seigner
| Nathalie Baye
Bewertung
****
Originaltitel
Détective
Kategorie
Neo Noir
Land
FRA/SUI
Erscheinungsjahr
1985
Darsteller
Claude Brasseur, Nathalie Baye, Johnny Hallyday, Jean-Pierre Léaud, Laurent Terzieff
Regie
Jean-Luc Godard
Farbe
Farbe
Laufzeit
95 min
Bildformat
Vollbild
© Studiocanal GmbH © Pandora Film GmbH & Co. Verleih KG
Paris: Im Hotel Concorde Saint-Lazare beobachten Inspector Neveau (Jean Pierre Léaud), dessen Freundin Arielle (Aurelle Doazan) und der ehemalige Hoteldetektiv William Prospero (Laurent Terzieff) mit einer Videokamera vom Balkon aus den Eingang zu einer Metro-Station, wo Françoise Chenal (Nathalie Baye) unschlüssig auf und ab läuft. Vor zwei Jahren wurde in dem Zimmer, das die Ermittler bewohnen, der Fürst (Erich von Stroheim) ohne Grund von einem Unbekannten erschossen. Die Polizei hat die Untersuchung des Falls inzwischen eingestellt, Prospero wurde aufgrund dessen gefeuert… Indessen kramt Flugkapitän Emile Chenal (Claude Brasseur) an der Rezeption des Hotels in seinem Aktenkoffer, darin sich auch ein Exemplar von Antoine de Saint -Exupérys Nachtflug befindet, nach einem Kugelschreiber. Chenal fliegt nach Frankfurt, ist morgen zurück und möchte gern, dass man es seiner Frau Françoise ausrichtet. Der Portier weist ihn darauf hin, dass sie sich in der Halle befinde. Chenal hinterlässt eine Nachricht für Jim Fox Warner (Johnny Hallyday) auf Zimmer 437, bevor er zu Françoise geht und wissen möchte, warum sie denn hier sei. Sie gibt ihm zu verstehen, dass es das letzte sei, was sie mit ihm gemeinsam zu tun beabsichtige und erkundigt sich danach, ob er mit Jim Fox Warner gesprochen habe. Chenal verneint, erwähnt kurz seine Nachricht und weist darauf hin, dass jener so kurz vor dem Boxkampf von Tiger Jones (Stéphane Ferrara) sich anderes zu tun habe und verabschiedet sich…
“Filled with (…) references, populated by existential refinements of various generic types (detectives, mob bosses, black-clad hoods playing billiards with a cigarette dangling from their mouths, disintegrating couples, paid-off boxers), Detective returns the director to his reflexive roots”, stellt Filmkritiker Jake Cole in seinem Blog Not Just Movies zu Recht fest. Jean-Luc Godards Rückkehr zum eigenen Frühwerk, das zwischen 1960 und 1966 immer wieder auch vom Film Noir beeinflusst und geprägt worden war, ist ein erfreulich gelungener Ausflug zum französischen Erzählkino jener Jahre. Claude Brasseur hatte in Godards Die Außenseiterbande (FRA 1964) eine Hauptrolle bekleidet. Jean-Pierre Léaud war in Elf Uhr nachts (FRA/ITA 1965) und in Made in USA (FRA 1966) aufgetreten. Nathalie Baye hatte in Godards Rette sich, wer kann (das Leben) (FRA 1980) mitgewirkt. Alain Cuny war durch seine Arbeiten mit Frederico Fellini bekannt, Xavier Saint-Marcary (Auf Liebe und Tod, FRA 1983) durch seine Filme mit François Truffaut. Um das Ensemble abzurunden, nimmt sich Jean-Luc Godard mit dem französischen Popstar Johnny Hallyday jemanden, der so gar nicht zu ihm als dem klassischen Intellektuellen zu passen scheint, wie er das 1965 schon mit Eddie Constanie für Lemmy Caution gegen Alpha 60 (FRA 1965) getan hatte. Doch die Rezeptur geht auf. Die teils mit jüngeren Partnerinnen - Emmanuelle Seigner und Aurelle Doazan waren jeweils 18 Jahre alt - versehenen Rollencharaktere agieren glaubwürdig und pointiert, treibt sie das Geschehen mitunter auch an den Rand des Absurden. Gesäumt von einer Flut der Zitate und Querverweise tritt in der Geschichte um jenen ominösen Fürstenmord sogar Erich von Stroheim als der Gewesene auf dem Fernsehbildschirm auf. Godard nimmt den Genrefilm auf die Schippe, spielt mit Erwartungen seiner Zuschauer und versteckt in der Polyphonie einer Kulturgeschichte so manche von ihren Nöten und Ängsten, von ihren Trieben und Sehnsüchten auf verschlungene Pfade getriebene Menschen.
© Studiocanal GmbH
Dass Godard wie in früheren Referenzwerken zum Film Noir das Spiel mit Vorbildern nicht als intellektuelle Analyse und im Resultat damit als“Fake“ betreibt, sondern dass er an seinen Charakteren Anteil nimmt - obgleich nicht immer ernsthaft - ist auch an Détective das Wertvolle. Natürlich ist die Handlung großteils unerheblich, aber wie viele der klassischen Film Noirs aus Hollywood zeichnet ihr “Was“ in einem höheren Maße aus als ihr “Wie“? So hält sich auch Détective nicht lange mit seiner Geschichte auf, sondern fokussiert sich auf die vermeintlich zielführenden Lebenswege seines Ensembles. Nein, Détective - so ziemlich der letzte einer klassischen Erzählstrategie verpflichtete Spielfilm Godards - ist keine leichte Kost, ist auch Humor auf allen Etagen ein wesentlicher Bestandteil von Skript und Inszenierung. Ich habe selbst lange gebraucht, um diesen Film schätzen zu lernen, kann ihn inzwischen allerdings genießen. Détective ist kein Neo Noir im herkömmlichen Sinne, wie kein einziger Film Godards jemals dem Mainstream zuzurechnen war, aber genau das sollten sich Cineasten, die das Werk unterm Gesichtspubnkt seiner Film-Noir-Referenzen anschauen, nochmals in Erinnerung rufen. Alsdann lässt sich hier 25 Jahre nach Godards Debüt mit Außer Atem (FRA 1960) ein Film entdecken, der auch mit Blick auf die Kameraarbeit Bruno Nuyttens (Am Rande der Nacht, FRA 1983) ein gehöriges Maß an Schönheit und eine ungebrochene Liebe zum Kino offenbart.
Erstklassige DVD-Edition (2010) von Arthaus /Studiocanal (als Detektive) mit dem Film ungekürzt im Originalformat, wahlweise die französische oder deutsche Tonspur, optional Untertitel auf Deutsch, Englisch, Dänisch, Finnisch, Norwegisch, Schwedisch, Portugiesisch, Niederländisch oder Spanisch, eine Einführung des Filmwissenschaftlers und Jean-Luc-Godard-Biografen Colin McCabe, Bildergalerien mit Filmpostern und Fotos sowie den wunderbaren (enorm witzigen) original französischen Kinotrailer in Schwarz-Weiß und ganz im Film-Noir-Stil der Vierziger als Extras.