Film Noir
| USA
| 1948
| Lewis Milestone
| Russell Metty
| Art Smith
| Charles Boyer
| Charles Laughton
| Louis Calhern
| William Conrad
| Hazel Brooks
| Ingrid Bergman
Bewertung
****
Originaltitel
Arch Of Triumph
Kategorie
Film Noir
Land
USA
Erscheinungsjahr
1948
Darsteller
Ingrid Bergman, Charles Boyer, Charles Laughton, Louis Calhern, Ruth Warrick
Regie
Lewis Milestone
Farbe
s/w
Laufzeit
133 min
Bildformat
Vollbild
Paris im Winter des Jahres 1938: Noch ist die Stadt eine Insel in einem Europa, das der Nationalsozialismus des Dritten Reichs bald ins heillose Chaos des Zweiten Weltkriegs stürzen wird. Ein neuer Typus bevölkert die verregneten Straßen der Nacht: der politische Flüchtling. In einem Restaurant sitzt Dr. Ravic (Charles Boyer) und kauft eine Zeitung, doch als er aufblickt und zum Fenster sieht, erkennt er draußen seinen Peiniger aus dem Konzentrationslager, Ivon Haake (Charles Laughton). Unvergessen sind die Momente der Folter, die nicht nur ihn sondern auch seine Frau Sybil (Hazel Brooks) trafen, von der sich Haake Informationen über die Flucht von Ravics konspirativen Freunden erhoffte, die aber nichts wusste und unschuldig eines qualvollen Todes starb. Er springt auf und zahlt hastig seine Zeche,doch muss er zusehen, wie der Mörder in einem Wagen in die Nacht davonfährt. Ravic trifft seinen Freund und Vertrauten Boris Morosov (Louis Calhern), der ihn zu einem Keller lotst, da die Polizei im Hotel International der Madame Fessier (Ruth Nelson) eine Razzia durchführt, nachdem sie Vladislaus Polyanksi (Peter Virgo) aufgegabelt und er seinen Wohnort preisgegeben hat. Ravic erzählt Morosov davon, dass er Ivon Haake gesehen hat und dass jener Paris nicht lebend verlassen darf. Auf einer Brücke über die Seine trifft er spät in der Nacht eine junge Frau (Ingrid Bergman), die droht in Ohnmacht zu fallen, ihn aber dennoch fortschicken will. Dr. Ravic fürchtet, sie werde sich etwas antun, und lädt sie daher in ein Lokal ein…
Der düster fatalistische Triumphbogen war 1948 ein Riesenflop an den Kinokassen und ruinierte das Studio Enterprise Productions unwiderruflich. Dabei finden sich im Rezept Spuren einstiger Erfolge. Charles Boyer und Ingrid Bergmann waren schon in Das Haus der Lady Alquist (USA 1944) zusammen aufgetreten. 1930 hatte Lewis Milestone mit der Verfilmung von Erich Maria Remarques Im Westen nichts Neues (EA 1929) einen Klassiker geschaffen. Obendrein erinnert einiges an Casablanca (USA 1942) mit Ingrid Bergman als Frau eines Widerstandskämpfers, die ihren Liebhaber Rick Blaine (Humphrey Bogart) kurz vor Einmarsch der deutschen Truppen in Paris kennen lernt. Auch andere Hollywood-Filme spielten in Europa, etwa Joseph H. Lewis’ So Dark The Night (USA 1946) in Paris und im ländlichen Frankreich oder Douglas Sirks’ Angelockt (USA 1947) in London. Ob Studiokulissen oder wie bei Triumphbogen gar Originalschauplätze, neben Fernost faszinierte die Amerikaner Europa ebenso. Warum geriet Triumphbogen zum Desaster? Und was kennzeichnet ihn als einen Film Noir, außer dass Ingrid Bergman in der für sie ungewöhnlichen Rolle einer Nachtclubsängerin zu sehen ist, so wie zeitgleich Lizabeth Scott oder Ida Lupino? Nimmt man die Prämisse ernst, dass es jene Umbrüche der Weltwirtschaftskrise in den Dreißigern sowie die Erschütterung des Zweiten Weltkriegs waren, die den Film Noir überhaupt entstehen ließen, wandelt die Geschichte des Films auf den Spuren von mehreren dadurch aus der Bahn geworfenen Rollencharakteren - verlorene Seelen in einer Welt im Zerfall. Und dann war es Kameramann Russell Metty: “In his late '40s work (…) 'Arch of Triumph' (1946) Metty's low key photography contributing far more effectively than Milestone's direction to the film's noir atmosphere of angst and paranoia.” De facto sind die ersten 50 Minuten von Triumphbogen derart “Noir“ wie kaum ein zweiter Film aus der Zeit.
© Studiocanal GmbH
“And on the streets political refugees rubbed shoulders with the refugees from life, and no one cared if these men and women lived or died.” Mitunter erinnert Triumphbogen sogar an Frankreichs Poetischen Realismus der Jahre 1938/39, etwa an Marcel Carnés Hafen im Nebel (FRA 1938). Der Film ist in der restaurierten Version heute 13 Minuten länger, das meint 133 Minuten, aber die Rohfassung soll fast vier Stunden Spielzeit gehabt haben. Triumphbogen geriet wegen der Gewaltdarstellung in einer Mordszene ins Visier des Anti-Semiten und Anti-Kommunisten Joseph Breen und seiner mächtigen Zensurbehörde Production Code Administration (PCA). Vergleichbar den Werken von Orson Welles wurde er extrem (!) gekürzt. Der Dramatiker Irwin Shaw (Take One False Step, USA 1949) schrieb am ursprünglichen Drehbuch, aber dem Verlangen nach dem Fokus auf jene romantische Liaison im Rahmen der Thrillerhandlung - ehemaliger KZ-Häftling identifiziert im Exil seinen Peiniger und bringt ihn um - wollte er nicht nachkommen und schmiss hin. So war die Produktion, der kein Erfolg beschieden war, von Anbeginn eine schwierige. Leider merkt man dem Werk seine Kürzungen (gerade zu Beginn) deutlich an, - Ruth Warrick etwa kommt kaum noch vor – aber die Darsteller, seine Geschichte und Mettys photographische Umsetzung sind erstklassig. Ein zu Unrecht vergessener und ein unbedingt sehenswerter Film, obgleich Triumphbogen kein vergessenes Meisterwerk ist, das Potential dazu jedoch an vielen Stellen deutlich wird.
Die weltweit beste und mit viel Sorgfalt opulent editierte Ausgabe (2007) ist die 2DVD in der (leider nicht mehr existenten) Reihe Arthaus Premium via Studiocanal. Als mehrfach aufklappbares Digipack im Pappschuber mit 20seitigem Booklet voller Film- und Produktionsfotos sowie mehreren Kurzessays zu Darstellern, Regisseur, Roman und Autor ist die schon optisch ein Genuss. Die restaurierte Fassung in voller Länge zeigt ein gutes, kein brillantes Bild im Originalformat, Tonspuren wahlweise Deutsch oder Englisch, optional deutsche Untertitel. Als Extras sind enthalten: „Ingrid“ – Dokumentation über Ingrid Bergman (ca. 69 Min.), ein Interview mit Wilhelm von Sternburg über Erich Maria Remarque, dazu Produktionsnotizen und der Kinotrailer. Leider liegt der Fokus insgesamt stark auf Remarque und dem Fokus einer Literaturverfilmung, der Essayist Max Honert vorwirft, das Buch „trivialisiert“ zu haben, was im Kontext dieser DVD-Edition widersinnig anmutet. Kaum ein Wort zu Europa und Europäern in Hollywood, keines zum Film Noir im Nachklang des Weltkriegs, zur Zensur durch die PCA oder zum Poetischen Realismus im französischen Film der Vorkriegsjahre 1938/39, der dem Film Noir ja unmittelbar vorherging.