Film Noir
| USA
| 1945
| Steve Fisher
| Edwin L. Marin
| Harry J. Wild
| Bill Williams
| Ernie Adams
| George Raft
| James Flavin
| John Hamilton
| Marvin Miller
| Claire Trevor
Bewertung
**
Originaltitel
Johnny Angel
Kategorie
Film Noir
Land
USA
Erscheinungsjahr
1945
Darsteller
George Raft, Signe Hasso, Claire Trevor, Lowell Gilmore, Hoagy Carmichael
Regie
Edwin L. Marin
Farbe
s/w
Laufzeit
79 min
Bildformat
Vollbild
Das der Gustafson Line in New Orleans angehörige Frachtschiff S.S. Isabel Putnam ist im dichten Nebel und bei ruhiger See auf der Suche nach der S.S. Emmaline Quincy, die steuerlos treibend gefunden wird. Kapitän Johnny Angel (George Raft) lässt sich mit einem Beiboot hinüber bringen. Niemand scheint an Bord zu sein, doch Angel und sein erster Offizier stoßen auf dem verwüsteten Schiff auf die Spuren eines Kampfes. Die Emmaline Quincy ist das Schiff von Johnny Angels Vater (J. Farrell MacDonald), gleichsam Kapitän der Gustafson Line. Nachdem die Isabel Putnam den Frachter zurück in den Haften geschleppt hat, begibt sich Johnny Angel sofort in die Büroräume des Inhabers der Schifffahrtslinie, George Gustafson (Marvin Miller). Erst muss er allerdings das Vorzimmer passieren, darin Miss Drumm (Margaret Wicherly) ihren Dienst tut, ehemals das Kindermädchen von „Gusty“, wie George Gustafson von ihr und Angel tituliert wird. Heute hat Gusty wieder eine Unterredung mit seiner Frau Lilah (Claire Trevor), deren nächtliche Eskapaden ihm zu schaffen machen. Johnny Angel platzt einfach dazwischen und informiert George Gustafson, dass er die Emmaline Quincy gefunden habe, sich die von Portugal kommende Ladung Mahagoniholz auch an Bord befinde, von der Mannschaft und seinem Vater aber jede Spur fehle. Er empfiehlt Gusty, sich mehr ums Unternehmen und weniger um seine Ehe zu sorgen. Vom Hafenmeister holt sich Angel danach die Erlaubnis ab, auf eigene Faust eine Untersuchung des geborgenen Schiffes zu beginnen. Mit einer Taschenlampe bewaffnet geht er deshalb sofort an Bord…
“Johnny Angel" starts of surprisingly good, (…) there is great use of light and shadow to make for some great film-noir imagery. Unfortunately it soon goes down hill“, schreibt Andy Webb für The Movie Scene und es ist ein geradezu mildes Urteil. Von allen schlechten Drehbüchern, die in der Zeit des Film Noirs ins Kino gelangten, ist das von Steve Fisher vorgelegte Skript für Johnny Angel sicher eins der schlechtesten. Die Charaktere sind derart holzschnittartig und unglaubwürdig in ihren Handlungsweisen und Beziehungen, dass es das Maß des Zumutbaren sprengt. Vor allem Johnny Angel ist so unsympathisch und inkompetent in seiner stets latent gewalttätigen Art, dass das andauernde Duckmäusertum von Vorgesetzten und auch sonst allen Mitmenschen einfach lächerlich wirkt. Und natürlich liegen die Frauen dem Idioten von Raufbold reihenweise zu Füßen, so dass man in Anbetracht von soviel banaler Verlogenheit mehr als einmal versucht ist, den von Kameramann Harry J. Wild exzellent inszenierten Murks schlicht abzuschalten. Das Misslingen auf ganzer Linie wurzelt nicht allein im Skript sondern auch in der Besetzung. George Raft spielt so hölzern, dass es einen wundert, wie der Mann nach dieser Vorstellung je wieder in einer Hollywoodproduktion die Hauptrolle übernehmen durfte. Versuchte er, Humphrey Bogart zu imitieren, der in den späten Dreißigern stets noch hinter Raft die zweite, dritte Geige spielen musste? George Raft war gut in Narbengesicht (USA 1932) und halbwegs solide in Invisible Stripes (USA 1939). Mit 44 Jahren agiert er als Johnny Angel an der Grenze zum Laienschauspiel.
Steve Fisher hat zwischen 1945 und 1955 eine Reihe Drehbücher für Film Noirs verfasst. In den Dreißigern war er ein Autor von Detektivgeschichten für Kriminalmagazine. Seine für alle Zeiten größte Tat war der Roman I Wake Up Screaming (EA 1941), den Dwight Taylor 1941 zum Drehbuch für einen der ersten stilbildenden Film Noirs umwandelte. Steve Fisher arbeitete bis zu seinem Tod 1980 fürs Fernsehen, doch kein einziges Filmskript aus seiner Feder hatte je das Zeug zu einem Klassiker. Der beste Mann der Crew ist hier Harry J. Wild, doch seine innovative Kameraarbeit produziert “just minor flashes in a dull production”, wie Webb in seiner o.a. Rezension des Films zu Recht anführt. Das Studio RKO Radio Pictures sollte ab 1946 zu einem der wichtigsten Lieferanten für den Film Noir in den USA werden, obgleich sein Stern mit Übernahme durch den Milliardär Howard Hughes ab 1949 rasch zu sinken begann. Was RKO bis zum Bankrott 1956 vorlegte, waren konturlose, erzpatriotische Gangsterdramen, deren enge Moral an die Dreißiger erinnerte und die sich dem Zeitgeist gemäß als Film Noirs verkauften. George Raft spielte noch bis in die Fünfziger als Hauptdarsteller, immer öfter in abgehalfterten Poverty-Row-Produktionen, bevor er langsam in die zwei, dritte Reihe abrutschte und nur mehr Nebenrollen hatte. Weder für den Cineasten im Allgemeinen noch für den Film-Noir-Freund im Besonderen hält Johnny Angel etwas bereit, was andernorts nicht besser und überzeugender wäre. Diese 79 Minuten kann man sich insofern schenken.
Unter dem Titel "Captain Angel“ gibt es weltweit nur in Spanien eine DVD-Edition, bildtechnisch gut und auch ungekürzt im Originalformat mit wahlweise englischem Originalton oder spanischer Tonspur, dazu spanische Untertitel.