Nachts, wenn der Teufel kam

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Film Noir Collection Koch Media GmbH


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Bewertung
*****
Originaltitel
Nachts, wenn der Teufel kam
Kategorie
Film Noir
Land
GER
Erscheinungsjahr
1957
Darsteller

Claus Holm, Mario Adorf, Hannes Messemer, Annemarie Düringer, Carl Lange

Regie
Robert Siodmak
Farbe
s/w
Laufzeit
100 min
Bildformat
Vollbild
 

 

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In einem Waldstück durchkämmen Uniformierte in Reihen jeden Quadratmeter. Ein Mann liegt im verschlammten Bach und versucht, sich mit einer kahlen Birke zuzudecken, während der Nebel über ihn hinweg zieht… Im Hamburg des Sommers 1944 verteilt Willi Keun (Werner Peters) an die freiwilligen Erntehelferinnen der Schuljugend Geschenke und Parolen, wobei er die junge Lucy Hansen (Monika Johns) kennen lernt. Sie bedient als Kellnerin auch in der Grog-Stube, wo der Tagelöhner Bruno Lüdke (Mario Adorf) zum wiederholten Male Sauerkraut und kalte Kartoffeln bestellt. Er beobachtet, wie Lucy sich ins obere Stockwerk begibt und Willi Keun ihr dorthin folgt. Die Kellnerin kommt herunter, Lüdke bezahlt seine Zeche, doch als er Lucy hilft, ein paar Weinflaschen zu öffnen, indem er die Korken mit dem Zeigefinger eindrückt, zieht er sich ihren Unmut zu. Am Abend verbringt Keun mit Lucy ein Schäferstündchen, als sie zu einem Kinderwagen auf der Kellertreppe hinab steigt, um ein Glas Schattenmorellen zu holen. Da ertönt die Sirene des Fliegeralarms und schon hört man die ersten Bombeneinschläge. Indessen ergreift Lüdke, der sich im Erdgeschoss verborgen hielt, die im Kerzenschein wandelnde Lucy von hinten und erdrosselt sie. Ihren Leichnam schleift er in der Dunkelheit zurück in den Eingang ihrer Wohnung, wo der Hausmeister, der die Bewohner zum Gang in den Luftschutzkeller sammeln will, sie findet – hinter ihr der halb bekleidete Willi Keun. In Berlin empfängt Kriminalrat Böhm (Walter Janssen) den kriegsinvaliden Kommissar Axel Kersten (Claus Bohm) bei dessen Rückkehr ins Amt…
 
„Man muss sich in diesen dreckigen Zeiten mitunter mal tüchtig die Hände waschen.“ Eine Auseinandersetzung mit der nationalsozialistischen Vergangenheit in Form eines Thrillers war in der Bundesrepublik Deutschland der 50er Jahre eine Ausnahme. Grundsätzlich war in der restaurativen Phase unter Bundeskanzler Konrad Adenauer der Blick ins Dritte Reich nicht populär. Die bundesdeutsche Filmkultur schwelgte in eskapistischen Heimatfilmen voller Romantik oder suchte Behagen in Komödien kleinbürgerlichen Zuschnitts. Besonders von Exilanten wollte man nicht zu hören oder zu sehen kriegen, was sich hinter den Fassaden und Maskeraden des Nationalsozialismus’ zugetragen hatte. Doch der 1952 aus Hollywood zurückgekehrte Robert Siodmak zeigt in Nachts, wenn der Teufel kommt genau das. Seine Bearbeitung des aktenkundigen Falls Bruno Lüdke ist eine Abrechnung mit dem Wertekanon und dem Selbstverständnis eines ideologisch in seinen Grundfesten verseuchten Staatswesens. Bemerkenswert ist, wie zu Beginn durch Kriminalrat Böhm und Kommissar Kersten vorgeführt wird, dass das Einziehen des Kopfes und das Sich-Wegducken helfen soll, die im Kriegssommer 1944 schon voraussehbar befristete Zeit des Nazi-Regimes zu überstehen. Und wie durch den Fall Lüdke und den Auftritt des SS-Gruppenführers Rossdorf (Hannes Messemer) die Amtsstubengemütlichkeit im Nu davon geblasen wird. Als Thriller ist Nachts wenn der Teufel kommt signifikant vom US-amerikanischen Film Noir inspiriert. Robert Siodmak ist exzellent in der Schauspielerführung und noch die Musik erinnert an die Film-Noir-Dramaturgie der Vierziger. Damit ist das Werk die Antithese zur bundesdeutschen Filmkultur seiner Zeit.
 
Bild Bild Bild
© Studiocanal GmbH
 
„Nachts, wenn der Teufel kam sieht aus wie die Noir-Filme, die Robert Siodmak in den USA machte“, schreibt Olaf Möller in seinem Essay Die gebrochenen Augen eines Toten (EA 1996). Der findet sich im Anhang der Neuausgabe von Peter Lorres Roman Der Verlorene, basierend auf dem Drehbuch seines gleichnamigen Films - Paradebeispiel eines Film Noirs der Nachkriegszeit, der in jeder Hinsicht seinesgleichen sucht. Möller fahndet in seinem Essay mit viel Sachkunde nach Spuren dessen, was es im Grunde nie gab - nach Spuren eines deutschen Film Noirs der 50er in Analogie zur Entwicklung in den USA, in Frankreich und in England. Ab den späten Vierzigern kehrten die Exilanten aus Frankreich und aus Deutschland, die in den politisch erzkonservativen USA mit dem krisengeschüttelten und überzüchteten Studiosystem Hollywoods immer weniger zurecht kamen, nach Europa zurück. Erst kamen Max Ophüls und Peter Lorre, der nach dem Misserfolg von Der Verlorene (GER 1951) jedoch endgültig in die USA emigrierte. In den Fünfzigern folgten Robert Siodmak, Fritz Lang, John Brahm – lauter signifikante Regisseure des Film Noirs im Hollywood der Vierziger. Zwar erging es ihnen besser als Peter Lorre, doch Brahm drehte 1954/55 zwei Filme in Deutschland, bevor er in den USA zum Fernsehen wechselte. Fritz Lang beendete seine über vierzigjährige Filmkarriere mit Die 1000 Augen des Dr.  Mabuse (GER 1960). Einzig Siodmak gelang es, mit zwei Werken an seine Glanzzeit in Hollywood anzuschließen, mit der Verfilmung von Gerhart Hauptmanns Bühnenstück Die Ratten (GER 1955) und mit Nachts, wenn der Teufel kam. In seiner Autobiografie weist Robert Siodmak explizit darauf hin, dass von all seinen nach Verlassen der USA gedrehten Filmen ihn nur diese beiden mit Stolz erfüllten.
 
Sehr gute DVD-Ausgabe (2003) von Arthaus / Studiocanal mit dem Film bildtechnisch topp und ungekürzt im Originalformat, deutscher Ton und deutsche Untertitel, leider ohne Extras. Allemal ein Muss!
 

Film Noir | 1957 | International | Robert Siodmak | Georg Krause | Mario Adorf | Werner Peters

Gespeichert von Gast (nicht überprüft) am 4. Juli 2013 - 18:49

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Auch für mich zählt "Nachts, wenn der Teufel kam" zu den wenigen erinnerungswürdigen Werken im nationalen Filmschaffen der 50er Jahre.

Wenngleich Siodmaks Streifen in den Augen mancher Filmhistoriker und Chronisten nicht rundum gelungen ist: Enno Patalas und Ulrich Gregor attestieren in ihrem Standardwerk 'Geschichte des modernen Films' immerhin "einige gelungene Szenen, welche die Erinnerung an die deutsche Schule von 1930 wachrufen".

Während Kritiker Dieter Krusche ('Lexikon der Kinofilme - vom Stummfilm bis heute') ausführt: "...überhaupt ist die Konstruktion der Handlung besser geraten als der Dialog, der durch einige Witzeleien Zeitatmosphäre beschwören will. Gut in der Anlage und überzeugend verwirklicht sind vor allem die Figuren des Rossdorfs und Bruno Lüdkes. Messemer spielt einen gebildeten, wohlerzogenen, fanatischen und durch diese Mischung eminent gefährlichen SS-Mann..."

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