Film Noir
| UK
| 1954
| Peter Cheyney
| Charles Saunders
| Harry Waxman
| Michael Balfour
| Belinda Lee
| Delphi Lawrence
Bewertung
**
Originaltitel
Meet Mr. Callaghan
Kategorie
Film Noir
Land
UK
Erscheinungsjahr
1954
Darsteller
Derrick De Marney, Harriette Johns, Peter Neil, Adrienne Cori, Belinda Lee
Regie
Charles Saunders
Farbe
s/w
Laufzeit
88 min
Bildformat
Vollbild
London: Ein schwergewichtiger Mann (Robert Adair) steht hinter seinem Schreibtisch und versucht, das Unvermeidbare noch abzuwenden. Aber da fällt ein Schuss und er bricht tödlich getroffen zusammen… Es ist weit nach 23:00 Uhr am Samstagabend, doch Effie (Delphi Lawrence), Sekretärin der Detektei Callaghan, ist stets im Büro und nimmt den Anruf eines William Meraulton (Peter Neil) entgegen, der zur späten Stunde noch mit Privatdetektiv Slim Callaghan (Derrick De Marney) sprechen will. Als letzterer schließlich in seinem Büro eintrifft, wundert er sich, dass Effie dort ist, und die beiden haben eine heftige Auseinandersetzung. Die junge Frau rät ihrem Chef dringend, die Detektei zu schließen und in Anbetracht der finanziellen Verhältnisse selbst einen Job anzunehmen. Slim Callaghan ist darüber erbost, zumal der Anruf William Meraultons, von dem Effie berichtet, auf einen neuen Auftrag hindeutet, und er feuert seine Sekretärin kurzerhand, Noch bevor sie aus dem Büro gehen kann, trifft Cynthia Meraulton (Harriette Johns) ein und Effie verlässt aufgebracht den Schauplatz ihrer Arbeit. Die hübsche Ms. Meraulton berichtet dem Detektiv, dass ihr steinreicher Onkel August Meraulton ein neues Testament aufgesetzt habe, darin einzig ihre Neffen Jeremy (John Longden), Bellamy (Roger Williams) und Paul Meraulton (Paul Henderson) bergünstigt würden. Sie und William befürchten nun, dass die drei Erbschleicher August Meraulton ermorden und ihnen die Schuld zuschieben könnten…
Der englische Autor Peter Cheyney ist international vor allem für die Figur des FBI-Agenten Lemmy Caution bekannt. Die französischen Verfilmungen mit dem US-amerikanischen Sänger und Schauspieler Eddie Constantine brachten es zwischen einem dem Film Noir zuzurechnenden Im Banne des blonden Satans (1953) bis zum Klamauk von Zum Nachtisch: Blaue Bohnen (1963) auf sieben Kinofilme. Weniger bekannt ist Peter Cheyneys Figur des Londoner Privatdetektivs Slim Callaghan, der in der Verkörperung durch Michael Rennie in der Verfilmung des Romans Uneasy Terms (UK 1948) das erste Mal auf der Leinwand zu sehen war. Der Film hieß in Deutschland allen Ernstes Bigamie…? und Cheyney schrieb dafür sogar das Drehbuch. Sechs Jahre später unternahm die Pinnacle Productions einen zweiten Anlauf, um sich mit der Figur Callaghans im Segment des britischen Film Noirs zu platzieren und brachte im Juni 1954 nach Cheyneys Roman The Urgent Hangman (EA 1938) den Spielfilm Meet Mr. Callaghan in die Kinos. Doch zumindest in der Adaption durch Theaterautor Gerald Verner und den Verfasser des Drehbuchs Brock Williams ist die Geschichte von Anbeginn derart hanebüchen, dass man sich veräppelt vorkommt. Was als handlungsrelevante Notwendigkeit dramatisiert wird, erweist sich im nächsten Moment als abstrus. Die Motivation und die Beziehungen der Personen sind zu Teilen grotesk. Und das ist längst nicht das einzige Problem des Films.
“The filmmakers try to make Slim Callaghan into a British Sam Spade, but Derrick De Marney’s stilted portrayal never quite works”, schreibt der US-amerikanische Autor Jamie S. Rich für DVDTalk. Und es trifft den Nagel auf den Kopf. Meet Mr. Callaghan - der Film hatte 1961 unterm Titel Detektiv Callaghan seine Erstaufführung im deutschen Ferhsehen - ist nicht vom US-amerikanischen Film Noir beeinflusst, sondern er kopiert ihn und scheitert damit auf ganzer Linie. Es ist offensichtlich, dass Regisseur Charles Saunders sich John Hustons Die Spur des Falken / Der Malteser Falke (USA 1941) und Edward Dmytryks Mord, mein Liebling (USA 1944) als Vorbilder ausgesucht hatte. Komplementär versucht Derrick De Marney, den Stil eines Sam Spade in der Verkörperung durch Humphrey Bogart oder eines Philip Marlowes durch Dick Powell zu imitieren und wirkt bestenfalls deplatziert. Slim Callaghan ist eine Karrikatur jenes “Tough Guy“, den wir als Privatdetektiv aus den Film Noirs der frühen klassischen Phase kennen und erscheint wie im falschen Film. Ergänzt wird der Eindruck durch eine Reihe von Knallchargen, die als Rollencharaktere der britischen Upper Class bloß lächerlich sind und den tendenziell flachen Humor mittragen. Die Musik Eric Spears ist in ihrem operettenhaften Gestus unpassend und sogar der Kameramann Harry Waxman (Brighton Rock, UK 1947) verleiht dem Film kaum Charakter. Meet Mr. Callaghan ist durch die Bank eine Enttäuschung, die man sich ersparen sollte. Der Film war als erster Teil einer Serie von Slim-Callaghan-Filmen geplant. Doch sein mäßiger Erfolg ließ den ebenfalls unterdurchschnittlichen Darsteller Tony Wright bis 1961 in drei Fortsetzungen auftreten.
In England publizierte die Renown Pictures Ltd. eine DVD-Ausgabe (2009) in erstklassiger Bildqualität – ungekürzt im Originalformat mit gut verstehbarem englischen Ton ohne Untertitel und ohne Extras. In den USA erschien der Film mit fünf weiteren Thrillern aus den Jahren 1951 bis 1956 auf der von VCI Entertainment herausgebrachten 2DVD (2009) British Cinema – Crime & Noir.
Tony Wright als Slim Callaghan
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Ich habe Ihren Bericht über den Film "Meet Mr. Callaghan" gerade gelesen und muß dazu einfach mal Stellung nehmen. Ihrer Anmerkung zu den Callaghan-Filmen mit Tony Wright kann ich in keiner Weise folgen. Sie nehmen die Callaghan-Filme einfach zu ernst. Diese Reihe mit Tony Wright war leicht und witzig, ohne jeglichen Anspruch auf hohe Qualität. Und Tony Wright war schon ein interessanter und gutaussehender Schauspieler, der allein durch seine Erscheinung diese Filme unvergessen machte. Leider gibt es im Fernsehen keine Wiederholung dieser Filmreihe. Sie würde ganz sicher auch heute noch zünden und die Zuschauer erfreuen. Und hier noch eine Frage an Sie: Gibt es irgendwo diese Callaghan-Filme in Deutscher Sprache auf Video oder DVD zu kaufen?