Film Noir
| USA
| 1958
| Don Siegel
| Hal Mohr
| Eli Wallach
| Emile Meyer
| George Eldredge
| John Maxwell
| Raymond Bailey
| Richard Jaeckel
| Robert Keith
Bewertung
****
Originaltitel
The Lineup
Kategorie
Film Noir
Land
USA
Erscheinungsjahr
1958
Darsteller
Eli Wallach, Robert Keith, Warner Anderson, Richard Jaeckel, MaryLaRoche
Regie
Don Siegel
Farbe
s/w
Laufzeit
86 min
Bildformat
Widescreen
© Columbia Pictures Corporation
San Francisco: Mit dem Passagierschiff Ancosia kommt Mr. Philip Dressler (Raymond Bailey), einer der führenden Mitarbeiter der San Francisco Opera Company, wieder in seiner Heimat an. Doch ein Träger nimmt plötzlich einen seiner Koffer, wirft ihn in ein wartendes Taxi und läuft selbst davon. Der Fahrer Lefty Jenkins (Guy Way) gibt Gas und will ebenfalls abhauen, doch er rammt einen Lastwagen, dessen Fahrer (Dick Crockett) steigt aus. Als Jenkins einfach weiterrast, stellt sich ihm der Polizist Don Moore in den Weg. Das Taxi überfährt den Mann, doch Moore zieht noch im Liegen seine Pistole, schießt hinter dem Wagen her und trifft Jenkins, der am Steuer zusammenbricht, indessen er auf die Eisenbahnschienen fährt und einen Güterwaggon rammt, der ihn zum Stehen bringt. Der Taxifahrer und der Polizist sind tot, als Lieutenant Ben Guthrie (Warner Anderson) und Inspector Al Quine (Emile Meyer) am Tatort ankommen und aus der Sache erst einmal nicht schlau werden. Sie laden Philip Dressler für den nächsten Tag zu einer Gegenüberstellung ein, um den Lastenträger identifizieren. Im Labor kann der Techniker Norm Thompson (John Maxwell) die Herkunft von Jenkins’ Pistole nicht nachverfolgen; die Seriennummer ist weggeätzt. Aber als Dresslers Koffer - nach Angaben seines Besitzers voller Dinge ohne Wert für einen Dieb - im Labor untersucht wird, stellt sich heraus, dass in einer in Hongkong erstandenen, chinesischen Statuette ein Tütchen reinen Heroins versteckt ist, das einen exorbitanten Wert hat…
”Despite being cited as noir by almost all of the usual sources, for a noir purist, The Lineup isn’t amongst the first group of films one would think of mentioning as defining the genre,” schreibt samspadefan für Film Noir of the Week und erörtert damit den zentralen Punkt. Der Henker ist unterwegs basiert auf der von 1950 bis 1953 im Runfunk als Hörspiele ausgestrahlten und von 1954 bis 1960 im Fernsehen fortgesetzen Polizeiserie The Lineup, die es in der zweiten Zeitspanne auf 191 Fernsehfolgen brachte. Die Serie bot herkömmliche TV-Unterhaltung, solide Krimikost für den Feierabend, mit den Schauspielern des Films, Warner Anderson und Emile Meyer, als Lieutenant Ben Guthrie und Inspector Al Quine - ein Cop-Duo also, wie in den Siebzigern Karl Malden und Michael Douglas in Die Straßen von San Francisco (USA 1972-77). Und niemand als Don Siegel führte 1954 Regie bei der Pilotfolge der TV-Serie The Lineup namens The Paisley Gang, darin sowohl Joe Turkel als auch Charles Bronson auftraten. Auch den Spielfilm Der Henker ist unterwegs umgibt eine Aura des Gewöhnlichen. Die Polizisten aus dem Drehbuch von Routinier Stirling Silliphant (Nightfall, USA 1957) sind zweidimensional und weit weg von den gebrochenen Figuren der klassischen Ära des Film Noirs – lauter beherzte und plichttreue Beamte. Und wie es für zukünftige Don-Siegel-Filme signifikant werden sollte, definiert sich vieles über Dynamik und Action. Sogar vom Film-Noir-Stil ist trotz des Kameramanns Hal Mohr eingangs wenig zu sehen - der Film spielt an einem von der Sonne überstrahlten Sommertag.
“Women have no place in society, they don't appreciate the need for violence.” Doch dann lässt Siegel die Gangster Dancer (Eli Wallach) und Julian (Robert Keith) einfliegen und bringt mit diesen Figuren eine ungeahnte Qualität in den Film. Die beiden entfalten in der Chemie miteinander - der pathologische Killer und sein intellektuell verbrämter Mentor - sowie im Bezug auf ihren naiv maskulinen Fahrer Sandy McLain (Richard Jaeckel) derart viele subtil abgründige Seiten, das der Film ab diesem Zeitpunkt zu einem cineastischen Genuss wird und seinen Zuschauer an gänzlich anderer Stelle packt. Don Siegel war weit mehr als ein Regisseur von Actionfilmen. Eine Besonderheit, die er ab seinem Regiedebüt The Verdict (USA 1946) kontinuierlich entwickelte, war die psychische Disposition seiner „Bösewichte“, hier der von Eli Wallach grandios porträtierte Dancer, der in absurden Situationen zum Leuchten gebracht wird - etwa, wenn ihm im Sutro Baths (wurde 1966 bei einem Feuer vollständig vernichtet) von einem Schulmädchen gedankt wird, nachdem er ihr in einer (völlig disparaten) Situation ein Fernrohr eingerichtet hatte. Exzellente Schauplätze in San Francisco, gute bis sehr gute Nebendarsteller, ein hartes Finale und ein grimmiger Schluss lassen den Film als Tour de force des Film-Noir-Reigens jener Spätfünfziger zu einer eigenwilligen und sehenswerten Ergänzung seines Kanons werden.
In den USA erschien Der Henker ist unterwegs in der 5DVD-Box Columbia Pictures Film Noir Classics I (2009), einer Kooperation der Sony Pictures Home Entertainment Inc. mit The Film Foundation, bildtechnisch topp, ungekürzt im Originalformat mit englischem Ton und englischen Untertiteln, den US-Kinotrailer als Extra.