Neo Noir
| USA
| 1995
| David Fincher
| Brad Pitt
| Kevin Spacey
| Leland Orser
| Morgan Freeman
| Richard Portnow
| Richard Roundtree
| Gwyneth Paltrow
Bewertung
****
Originaltitel
Se7en
Kategorie
Neo Noir
Land
USA
Erscheinungsjahr
1995
Darsteller
Brad Pitt, Morgan Freeman, Gwyneth Paltrow, Kevin Spacey, R. Lee Ermey
Regie
David Fincher
Farbe
Farbe
Laufzeit
122 min
Bildformat
Widescreen
© Warner Bros.
Detective Lt. William Somerset (Morgan Freeman) hat noch sieben Tage im Polizeidienst, da er sich für eine Frühpensionierung entschieden hat. Der Alleinstehende will die Großstadt für alle Zeiten hinter sich lassen. Nach fast 30 Jahren kann und will er die hiesige Gewalt und das Elend, die Täter und ihre Opfer nicht mehr ertragen. Doch am ersten der letzten sieben Tage stößt erst der junge, hoch motivierte Detective David Mills (Brad Bitt) zu Somerset, der sich aus der Provinz extra hat versetzen lassen und jetzt mit seiner jungen Frau Tracy (Gwyneth Paltrow), einer Lehrerin, just hierher gezogen ist. Zum anderen besichtigt er mit Mills einen Tatort, wie sogar Lt. Somerset selten einen gesehen hat. Ein schwergewichtiger Mann (Andrew Kevin Walker) ist zu Tode gekommen, weil ihn ein Peiniger an einen Küchentisch fesselte und im Laufe einer stundenlangen Tortur dazu zwang, sich zu Tode zu essen. Bei der Obduktion fördert Dr. Beardsley (Richard Portnow) einige Plastikteile zutage, die Somerset auf die Spur einer Nachricht auf der Rückseite des Kühlschranks bringen. Dort steht “Gluttony“. Offenbar hat der Mörder ein Interesse daran, dass die Botschaft gefunden wird. Und nach dem ebenso grausamen Mord an Staatsanwalt Eli Gould (Gene Borkan) am darauffolgenden Tag entwickelt Somerset die Theorie, dass man es mit einem Serienkiller zu tun habe, der eine Mordserie den sieben Todsünden des Alten Testaments nachempfindet und dass weitere Taten folgten…
Gedreht wurde Sieben in Los Angeles, das im Film meist wie New York aussieht und wirkt, doch genannt wird die Großstadt der Filmhandlung ohnehin nicht. Tatsächlich ließ sich David Fincher für seinen zweiten Film nicht allein vom klassischen Film Noir inspirieren, atmosphärisch ist zudem David Lynch präsent, sondern nach eigenen Angaben von zwei der besten in New York angesiedelten Neo Noirs der Frühsiebziger, nämlich von Alan J. Pakulas Klute (USA 1971) und von William Friedkins French Connection / Brennpunkt Brooklyn (USA 1971). Trotz vieler Referenzen ans klassische Kino wirkt Finchers Werk auch Jahre nach seiner Entstehung nicht angestaubt, was sich von vielen Filmen der Neunziger – etwa den Neo Noirs Tarantinos – nicht sagen lässt. Das verdankt er auch seiner Handlungsstringenz, denn abgesehen von jener berühmt gewordenen, über sechsminütigen Verfolgungsjagd per pedes - komplementär derjenigen in French Connection / Brennpunkt Brooklyn, die per Auto und U-Bahn stattfindet - ist Sieben ein Film, der sich ausdrücklich auf jene vier Rollencharaktere bezieht, die im Mittelpunkt der Erzählung stehen. Vom Dialog bestimmte Filme von über zwei Stunden Länge sind dem auf Action und Tempo getrimmten Kinopublikum v.a. in den USA zumeist ein Dorn im Auge. Doch Sieben war nicht nur seinerzeit ein Überraschungserfolg, sondern avancierte über die Jahre zu einem einflussreichen Kultfilm. Vielleicht liegt es daran, dass Sieben sowohl in einem geradezu bösartigen Sinn enorm dunkel als auch brutal ist. Mit der Thematik eines emotionslosen und perfide strategischen Serienmörders, der im Urgrund religiös motiviert ist, überschreitet Fincher die Grenze zum Horror und zwar völlig diesseitig - in der Menschennatur selbst als Keim angelegt und zur Blüte gebracht.
Die Desillusionierung aller Charaktere, ihre Konfrontation mit grausamen Gewalttaten, die alles Vorstellbare überschreiten, sind vor dem Hintergrund einer sorgsam trist und feindlich stilisierten Atmosphäre in der Anonymität der Metropole keine leichte Kost. Das Finale verhält sich dann, und das ist in Hollywood die Ausnahme, zur Entwicklung im Ganzen nicht bloß konsequent, sondern konfrontiert Detective Mills mit den Grenzen seiner Ethik und den Zuschauer auch. Der sollte sich im Klaren sein, dass er sich einem handwerklich bemerkenswerten, darstellerisch teils brillanten und dramaturgisch spannenden Thriller aussetzt, der ans Eingemachte geht. Sieben ist starker Tobak, was in dem Fall Qualität bedeutet, doch es ist kein Film für Jedermann. Kein Funke Romantik und kaum ein solcher der Hoffnung bleiben zurück. Während 99% der Horrorfilme ihre sadistisch bestialische Gewalt in den Dienst des Voyeurismus‘ stellen, ist die Grausamkeit der Morde hier kein Selbstzweck. Sie ist der Abgrund, dahinein der Film den Zuschauer blicken lässt, denn das ist sein Begehr, und was sich zeigt, ist nicht der ausgekaute Antagonismus von Gut versus Böse. Das Studio hat seinerzeit versucht, das Ende des rabenschwarzen Werks zu ändern, da man einem so nihilistischen Werk beim Publikum keine Erfolgschance einräumte. Und wie immer in solchen Fällen hat sich Hollywood auch hier geirrt. All denjenigen, die sich diese Tour de force allemal vorstellen können, sei Sieben hiermit empfohlen.
Die BD- und auch die DVD-Editionen von Warner Home Entertainment sind alle ungekürzt im Originalformat, bildtechnisch topp und mit reichlich Tonspuren ausgestattet, darunter Englisch und Deutsch, ebenso gibt es viele Untertitel, auch Deutsch und Englisch, vor allem die 2DVD (2007) bietet eine Unmenge an hochwertigen Extras. Vorbildlich!