Film Noir
| USA
| 1948
| John Reinhardt
| Arthur O'Connell
| John Alvin
| John Ireland
| King Donovan
| Sheldon Leonard
| Jane Randolph
Bewertung
****
Originaltitel
Open Secret
Kategorie
Film Noir
Land
USA
Erscheinungsjahr
1948
Darsteller
John Ireland, Jane Randolph, Sheldon Leonard, Roman Bohnen, George Tyne
Regie
John Reinhardt
Farbe
s/w
Laufzeit
68 min
Bildformat
Vollbild
© Alpha Video Distributors, Inc.
Drei Männer überqueren in einer Kleinstadt eine nächtliche Straße, betreten die Bar namens The 19th Hole und gehen ins Hinterzimmer. An einem runden Tisch unter einer einsamen Leuchte mit einer nackten Glühbirne geht das Wort von Mund zu Mund: „Guilty!“… Der Fotograf Ed Stevens (Charles Waldron jr.) ist im Wohnzimmer seines Apartments allein, als es an der Tür läutet und er das Licht löscht. Doch es ist nur seine Vermieterin Miss Tristram (Anne O'Neal), die sich von der Dunkelheit in der Wohnung und von der Nervosität ihre Mieters irritiert zeigt. Plötzlich erhält Ed Stevens einen Anruf und nimmt zögernd den Hörer ab. Doch er entspannt sich, denn ein alter Freund, ein Kriegskamerad, so erzählt er kurz darauf Ms. Tristram, ist auf der Hochzeitsreise und möchte ihn noch heute Abend besuchen. Die Dame willigt ein, dass die jungen Leute in Ed Stevens‘ Wohnung übernachten und verabschiedet sich. Jetzt klingelt das Telefon erneut. Ed Stevens macht allerdings keinen frohen Eindruck mehr und verabredet sich mit einigen Leuten im Ort. Im Hausflur begegnet er seiner Vermieterin erneut und instruiert sie, ihn bei den Freunden zu entschuldigen, falls er nicht zeitig zurückkehren sollte. Schon in der Halle wird er von Ralph (John Alvin) und Mace (Bert Conway), die auch im Hinterzimmer der Bar anwesend waren, in Empfang genommen. Und als Paul Lester (John Ireland) und seine Frau Nancy (Jane Randolph) bei Ed Stevens ankommen, ist der Freund tatsächlich noch nicht zurückgekehrt…
Dieser Film sei ein “excellent independently-produced film noir social issue melodrama from the late 1940s“ heißt es auf der Rückseite der DVD-Edition von Alpha Video (2004) und das ist allemal richtig. Open Secret nutzt den Film Noir, stilistisch und mit Blick auf einige typische Themen, für ein sonst wenig berücksichtigtes Feld - Antisemitismus als Produkt der Rassenideologie des Nationalsozialismus in den Jahren nach Kriegsende. Zuvor hatten sich sowohl Edward Dmytryk mit dem exzellenten Film Noir Kreuzverhör (USA 1947) als auch Elias Kazan mit Tabu der Gerechten (USA 1947) des Antisemitismus’ in Reihen der US-Armee bzw. in den USA angenommen und sie gerieten beide dadurch ins Visier des House Committee on Un-American Activities (HUAC). Der Regisseur John Reinhardt (The Guilty, 1947) stammte selbst aus Wien, Österreich, doch im Gegensatz zu anderen Exilanten in Hollywood – Fritz Lang, Billy Wilder, Otto Preminger, Robert Siodmak – war ihm nicht vergönnt, für die großen Hollywoodstudios zu arbeiten und berühmt zu werden. Er hielt sich wie Edgar G. Ulmer (Detour, USA 1945) mit B-Produktionen für die Poverty Row Studios über Wasser, die wie im Fall von Open Secret (für die längst vergessenen Marathon Pictures) mit einem extrem knappen "shoestring budget“ abgedreht wurden, was man den Filmen besonders mit Blick auf deren Ausstattung ansah.
Doch Open Secret überrascht durch ein sorgfältig ausgearbeitetes Skript, seine Darsteller und Reinhardts gute Regie sowie die dynamische Kameraarbeit durch den Kameramann George Robinson (Blondes Eis, USA 1948). John Ireland und Jane Randolph (Katzenmenschen, USA 1942) zeigen eine gute Chemie miteinander und auch die örtlichen Kleinbürger, die sich dem Juden- und Fremdenhass verschrieben, sind ein erschreckend glaubwürdiger Verein. Der Film-Noir-Charakter ist Ed Stevens, dessen Desorientierung nach Rückkehr aus den Kriegswirren an Film-Noir-Titel wie Somewhere In The Night (USA 1946) oder eben Kreuzverhör (USA 1947) erinnern, wo ein Mann namens Mitchell (George Cooper) diese Rolle übernimmt. Demgegenüber verkörpert hier ex-GI Paul Lester, der den Fall des verschwundenen Freundes eigenmächtig untersucht, den selbstreflektierten Amerikaner, der sich der Tiefe des Falls in diesen ideologischen Sumpf voll bewusst ist. Trotz einer etwas „belehrenden“ Schlusssequenz zeigt Open Secret in manchen Szenen eine Einsicht in Sozialzusammenhänge, wie sie im Hollywood der Vierziger sonst völlig ausgeblendet wurden. Vor allem der Hass und die Verachtung Mae Lockes (Ellen Lowe) auf ihren Ehemann Roy (Roman Bohner), einen feigen, gewalttätigen Säufer und Versager, entspricht keinesfalls den Rollenklischees für Mann und Frau in der Mitte der Vierziger. Sicher kein Meisterwerk, doch ein überraschend guter und souverän inszenierter B-Film-Noir, der sich jedem klassisch orientierten Cineasten empfehlen lässt.
Das Manko ist die (keinesfalls schlechte) Edition von Alpha Video (2004) bzw. der Zustand der 68minütigen Fassung, die mit dieser DVD zur Verfügung steht. Bildtechnisch überraschend solide, wenn auch weit weg von jeglicher Brillanz, ist der Ton leider sehr verrauscht und einige Sprünge in der Schnittfolge lassen auf z.T. fehlende Sequenzen schließen. Dennoch für den kleinen Monitor und ggf. mit Kopfhörer durchaus ansehbar – im Originalformat und mit englischem Ton ohne Untertitel, zumal der Film (meines Wissens) nie außerhalb der USA ins Kino oder ins Fernsehen kam.