Martina

NOIR CITY 21 - Oakland 2024



Psychologische Verteidigung


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Eddie Muller


Wenn es Nach wird in Paris


Film Noir Collection Koch Media GmbH


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Bewertung
**
Originaltitel
Martina
Kategorie
Film Noir
Land
GER
Erscheinungsjahr
1949
Darsteller

Jeanette Schulze, Cornell Borchers, Siegmar Schneider, Albert Hehn, Werner Hinz

Regie
Arthur Maria Rabenalt
Farbe
s/w
Laufzeit
90 min
Bildformat
Vollbild

 


 

 © Verlag für Filmschriften Christian Unucka

 

In Berlin wird die Pension Eterna, ein als Stundenhotel genutztes Etablissement, gegen den Widerstand der empörten Leiterin zum Schauplatz einer Razzia seitens der Kriminalpolizei. Die Beamten holen die Bewohner aus ihren Zimmern. Nur Gangster und Zuhälter Donny (Albert Hehn) gelingt es durchs Küchenfenster zu fliehen. Schließlich wird man auch der minderjährigen Enerstine Kuczynski (Jeanette Schulze) habhaft, die gerade noch in der Badewanne lag und auf ihre wiederholte Verhaftung allein mit Geringschätzung reagiert. Beim Jugendgericht führt Gerichtsrat Lüders den Prozess gegen sie, welche als minderjährige Prostituierte zum wiederholten Mal straffällig wurde und sich der Meldepflicht beim Jugendamt entzogen hatte. Der Staatsanwalt fordert für Ernestine eine Gefängnisstrafe, aber der Gerichtsrat entscheidet, dass das Mädchen zur Fürsorgeerziehung in eine Besserungsanstalt eingeliefert werde und schließt die Verhandlung. Indessen eilt die junge Ärztin und Psychologin Irene Rist (Cornell Borchers) mit dem schwedischen Pressefotografen Volker (Siegmar Schneider) ebenfalls zum Gericht, wo sie ein Gutachten erstellen soll. Auf dem Korroidor begegnet die der von zwei Polizisten flankierten Ernestine Kuczynski, die soeben abgeführt wird. Irene bleibt schlagrtig stehen, und auch Ernestine rührt sich nicht vom Fleck. Einige Sekunden lang starren die jungen Frauen einander an, doch dann läuft Ernestine weiter. Irene ist schockiert, denn sie ist überzeugt, soeben ihre totgeglaubte Schwester Martina wiedererkannt zu haben… 

 

„Verrückte macht ihr gesund, und Euch selber macht ihr verrückt.“ So der liebestolle Volker, der als Verlobter der weit weniger liebestollen Irene seine Angebetete siezt, wie im Übrigen sie auch ihn. Doch das Zitat lässt die schmerzhafte Banalität der Dialoge kaum erahnen. Weder das Verhältnis der Schwestern noch die romantische Liaison zwischen Irene und Volker ist im Geringsten glaubwürdig. Neben der fehlenden Chemie zwischen den Figuren sind es die unfassbar gestelzten und laienhaft erscheinenden Einzelleistungen einiger Schauspieler, die den Film fast unerträglich werden lassen. Das gilt in erster Linie für Siegmar Schneider und auch für Cornell Borchers, die hier wie Jeanette Schulze in ihrem zweiten Spielfilm auftrat. Sogar in der Inszenierung und der Dramaturgie missraten entscheidende Szenen auf ganzer Linie. Das erste Treffen Irene und Martina Rists auf dem Korridor des Jugendgerichts hätte ein bewegender Moment sein können - sein müssen. Doch wie die junge Ärztin ihre seit Jahren totgeglaubte Schwester anglotzt und wie Martina die wiedergefundene Ältere fixiert, bleibt komplett nichtssagend. Als Zuschauer denkt man sofort: „Nein. So stimmt das nicht. Nie im Leben würden Geschwister in solchem Moment stumm und starr ihrer Wege gehen.“ Letzteres wird durch ein späteres Treffen bestätigt, wo wir erfahren, dass sie früher keineswegs Todfeinde waren. Plötzlich umarmen sie einander und bringen sich auf den neusten Stand. Warum Martina die Identität einer Enerstine Kuczynski annahm, wird hier gar nicht erwähnt. Auch das erscheint mit Blick auf ihr Verhältnis einfach grotestk.

 

 

Die vom Weltkrieg traumatisiert ins Leben Zurückgekehrten, von der eigenen Biografie und den Umständen der Zeit in Armut, Prostitution und Kriminalität gezwungene Jugendliche: Hier stecken relevante und dem Freund des Film Noirs vertraute Themen drin. In David MacDonalds Tanz in den Abgrund (UK 1948) werden die Zuschauer Zeugen des von der Jugendrichterin Ms. Thorpe (Flora Robson) geschilderten Lebenswegs der Teenagerin Gwen Rawlings (Jean Kent), die sich im England der Nachkriegsjahre aus der Tristesse und der Gewalt eines Lebens in armen Verhältnissen zu befreien sucht und scheitert. In Pietro Germis Verlorene Jugend (ITA 1948) ist es der soeben 20 Jahre alt gewordene Stefano Manfredi (Jacques Sernas), der im post-faschistischen Italien in Strudel der Kriminalität hinabgerissen wird und wider alle Bemühungen seiner Schwester Luisa (Carla Del Poggio) dem Untergang geweiht ist. Was beweisen solche Filme jedoch für ein sicheres dramturgisches Gespür und eine schonungslose Prägnanz! In Rabenalts Produktion der Comedia Film GmbH, Berlin, ließ Martina Rist ihre Identität in den Trümmern des Elternhauses zurück, das auch ihre Mutter und ihren Vater unter sich begraben hatte. Sie wird im Lauf der Filmhandlung Zeugin eines Mordes, und ihr Trauma wird sichtbar... Doch die Autoren, der Regisseur und Produzent Heinz Rühmann bringen unter tatkräftiger Mithilfe der Darsteller das Kunststück zuwege, Martinas Geschichte zur bieder-kleinbürgerlichen Farce verkommen zu lassen. Dass jemand als Psychologin noch unglaubwürdiger als Ingrid Bergmann in Alfred Hitchcocks Ich kämpfe um dich (USA 1945) aufträte, hätte ich mir nie träumen lassen. Cornell Borchers schafft es mühelos. Fazit: Trotz Werner Eisbrenners hochkarätiger Kameraarbeit fast durchweg ein Mumpitz, weshalb sich der Film schon seinerzeit an der Kinokasse als Flop erwies.

 

Von Martina gibt es eine bild- und tontechnisch solide deutsche DVD (2010) in der Reihe Magic Pictures Klassiker Edition mit dem Werk ungekürzt im Originalformat inklusive deutscher und englischer Untertitel und mit einem Kurzfilm als Extra.

 


 

Film Noir | 1949 | International | Arthur Maria Rabenalt | Arno Paulsen | Cornell Borchers

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