Bridget Fonda, Michael O’Keefe, John E. O’Keefe, John Seitz, Georgine Hall
© Warner Bros.
Auf einer Brache nahe der örtlichen Gerberei der US-amerikanischen Kleinstadt Hope Falls, Upstate New York, steht der rot gestrichene Wohnwagen Jimmy Reades (Jeffrey Baum), darin eines Nachts ein Schuss fällt… An einem sonnigen Herbsttag läuft Drifter Frank Reade (Michael O’Keefe) in seiner Heimatstadt Hope Falls mit einer Reisetasche jene Straße entlang, in der er selbst aufwuchs. Er blickt auf sein Elternhaus, aus dem einige Leute die Treppe zur Veranda hinabgehen, und schließlich tritt er ein. Im Wohnzimmer sieht er den mit Blumen geschmückten Sarg, darin sein Bruder aufgebahrt liegt, doch niemand der Bürger, die sich einfanden, spricht ihn an, und auch Frank interessiert sich für keinen von ihnen. Er geht zu Jimmys Trailer, zerreißt die von Sheriff Bill Neff (John E. O’Keefe) davor angebrachten Absperrbänder und geht hinein. Im Inneren liegen Schallplatten, Klamotten und eine Gitarre herum. Hinter dem Schreibtisch liegt ein umgestürzter Stuhl, an der Wand dahinter prangt ein Blutfleck an der Wand. Frank wischt das Blut ab, holt ein altes T-Shirt seines Bruders mit einer Aufschrift der Hope Falls High School aus einer Kommode und zieht es an. Bei Anbruch des Abends und einsetzender Dunkelheit klopft er im Elternhaus an die Tür seines alten Zimmers. Doch Franks Wiedersehen mit seinem Vater Nat Reade (John Seitz) gestaltet sich überaus kühl und kurz, so sehr verabscheuen sie einander…
“To an extent Out Of The Rain (…) succeeds in grabbing the attention and keeping it. There’s a great noirish fatalism as the plot unfolds”, schreibt John Grant für Noirish, und das trifft es nach meiner Einschätzung voll und ganz. Solche frühe Hauptrolle für die zu Beginn der 90er Jahre aufstrebende Bridget Fonda in einem Neo Noir, der ebenso nüchtern trist wie im Hinblick auf seine Bildsprache raffiniert und eindrucksvoll aus einem schmalen Budget das Maximale herausholt, sie ist wie der Film selbst nahezu vergessen. Die von Drehbuchautor Shem Bitterman nach seinem eigenen Theaterstück verfasste Drehbuch über einen Heimkehrer, der einst der Kleinstadt, in der er unter der Fuchtel eines konservativen, ihm entfremdeten Vaters heranwuchs, den Rücken kehrte und zur Beerdigung seines jüngeren Bruders James “Jimmy“ Reade zurückkehrt, hat in der Tradition des Film Noirs und des Neo Noirs seine Vorläufer. In Vincent Shermans Affäre in Trinidad (USA 1952) und in Guy Greens Portrait Of Alison / Postmark For Danger (UK/USA 1955) suchen Geschwister das je plötzliche Ableben ihrer Brüder aufzuklären. In R.G. Springsteens Tiger By The Tail (USA 1970) oder in Mike Hodges‘ Jack rechnet ab (UK 1971) begeben sich Steve Michaelis (Christopher George) bzw. Jack Carter (Michael Caine) auf einen Rachefeldzug wider diejenigen, die ihre Brüder auf dem Gewissen haben. Gary Winicks Filmerzählung lässt es langsam angehen. Erst allmählich dämmert Frank Reade, dass Bruder Jimmy nicht Selbstmord verübte, sondern womöglich die Interessen diverser Bürger seiner Heimatstadt zu dessen Ermordung führten. Allerdings gibt es zu vieles, wovon er nichts weiß. Auch Jimmys seltsame Freundin Jolene (Bridget Fonda) scheint in weit mehr verwickelt zu sein, als sie preisgibt.
“This town gets dirtier and dirtier... I hate it.” Bridget Fondas Portrait einer hochgradig labilen und von ihrer Familie gegeißelten jungen Frau bezeugt das enorme Talent, das sie in zukünftigen Produktionen der 90er Jahre zur vollen Entfaltung bringen sollte, mit ihren Leistungen in Quentin Tarantinos Jackie Brown (USA 1997) und Paul Marcus‘ Break Up (CAN/USA 1998) als persönlichen Favoriten. Auch die anderen Schauspielerinnen und Schauspieler sind überzeugend. Nur Frank Reade, jene Figur im Zentrum des Films, die von Michael O’Keefe verkörpert wird, ist zu lakonisch, zu unbeteiligt, zu uninspiriert, um den Weltenbummler, den er darstellt, glaubhaft erscheinen zu lassen. So wortkarg und desinteressiert, wie er sich gibt, kann man sich für ihn und seine detektivische Arbeit nur schwer erwärmen. Gary Winicks Out Of The Rain ist ein solider Neo Noir der 90er, dessen Stärke die Tristesse der Kleinstadt selbst und deren Abgründe darstellen, darin Gier und Korruption der Alten das Elend der Jungen bedingen. In Ergänzung zu Bridget Fondas Jolene fehlt es an einer Figur als Handlungstreiber, wie sie in vorhergehenden Jahrzehnten u.a. von Sean Penn, Jeff Bridges oder Kris Kristofferson dargestellt wurde. Deren Klasse zeigt Frank Reade nicht, doch ist das eher ein Verschulden des Drehbuchs und nicht dasjenige Michael O’Keefes. Trotz eines klischeehaften Finales und des abrupten Schlusspunkts halte ich die oft negativen Bewertungen in den USA für ungerechtfertigt, wurde der Film in Werbetexten doch genau als das angepriesen, was er nicht ist, als rasanter Thriller.
Weltweit gibt es meines Wissens bis heute (2024) keine BD oder DVD des Films, der in den frühen 90er Jahren in den USA via Live Home Video als VHS-Videokassette (1991) und dank Image Entertainment als Laserdisc (1991) erhältlich war. In Deutschland erschien das Werk unter dem Originaltitel einmalig bei Warner Home Video als VHS-Kassette (1993) und zwar ungekürzt und womöglich auch im korrekten Bildformat, das mir jedoch unbekannt ist.