Don Murray, Diahn Williams, James Earl Jones, Lilia Skala, George S. Irving
New York: Der seit 18 Jahren im Dienst befindliche Polizeibeamte Edward A. Lacy (Don Murray) probt am Waschbecken und vor dem Spind der Umkleide seines Polizeireviers einige Worte, die er bei Moderation einer Wahlkampfveranstaltung für den rechten Bürgermeisterkandidaten Reilly (George S. Irving) ans Publikum adressieren möchte. Doch er ist unzufrieden mit sich und tut so, als würde er mit seiner Dienstwaffe auf jemanden schießen, indessen er seine Kernbotschaft wiederholt: “These are troubled times.“ Mit Juniorpartner Billings (Treat Williams) hinterm Steuer ihres Streifenwagens kurvt Ed Lacy durch die Bezirke der Stadt. Einst war er ein Detective, aber seine impulsive und gewalttätige Natur führten zu seiner Degradierung, und so fährt er nun erneut Streife. Billings will wissen, was es mit den Gerüchten auf sich habe, dass Ed in die Politik gehe, aber der Senior gibt sich wortkarg. Als sie einen Gauner erspähen, den Lacy davor warnte sich in seinem Revier nochmals blicken zu lassen, nehmen sie trotz Passanten eine lautstarke Leibesvisitation des Verdächtigen und seiner Begleiterin vor... In den Räumen hinter der Bühne eines Theaterhauses kommt die Cellistin Sally Devereaux (Dinah Williams) zu den letzten Vorbereitungen der heutigen Aufführung eines Tanztheaters. Regieassistent Victor (Joshua Mostel) instruiert sie hinsichtlich einiger Änderungen, die Sallys Funktion als Dirigentin betreffen. Allerorten laufen geschminkte Tänzerinnen und Musiker in knappen Kostümen herum…
“Deadly Hero is a worthy but sadly overlooked neo-noir in which Don plays a role that's as dark and disturbing as any he'd ever tackled”, liest man unterm Titel Reintroducing Don Murray anlässlich der Ankündigung einer Retrospektive mit Filmen des Charakterdarstellers in San Franciscos Roxie Theatre durch die Mid-Century Productions. Tatsächlich ist Don Murrays Portrait des hasserfüllten und bis ins Mark verkrampften Spießbürgers, der seine Karriere und damit seine Rolle als Polizist, Ehemann und Familienvater bedroht sieht, bis in Nuancen perfekt. Edward A. Lacy ist nicht per se böse, er ist nicht das Klischee eines Killer-Cops sondern eine einfache Natur, der den komplexen Verhältnissen und dem bizarren, entfesselten Hexenkessel der Metropole New York nicht gewachsen ist. Sein Status als Polizeibeamter und die damit verbundene Möglichkeit Gewalt anzuwenden, bieten ihm den einzig gangbaren Ausweg aus jener Überforderung, die sein Leben Tag für Tag bestimmt. Ed Lacy braucht für den Überdruck in seinem Inneren nahezu ständig ein Ventil. Da er weder zu seinem Lebensort noch zu sich selbst eine Distanz findet, sind Gewalt oder die Androhung von Gewalt stets eine Befreiung. Sally Devereaux ist Musikerin, die aus Boston, Neuengland, stammende Tochter eines Admirals der Kriegsmarine, und sie ist eingetaucht in jene wilde, wirre Post-Hippiekultur, die das nächtliche Treiben in New York so unvorsehbar aufregend erscheinen lässt. Als sie nach einer Aufführung am Theater von dem verrückten Rabbit Shazam (James Earl Jones) in ihrer eigenen Wohnung festgesetzt wird, weil jener ihren Vater wegen eines Lösegelds von 10.000 US-Dollar zu erpressen hofft, befreit ausgerechnet Ed Lacy die junge Frau aus der Gewalt des mit einem Klappmesser bewaffneten Afroamerikaners. Allerdings erschießt er Rabbit vor Sallys Augen, nachdem jener seine Waffe bereits zu Boden geworfen und sich Edward Lacy ergeben hatte. Genau damit beginnt für die beiden jedoch erst der Alptraum, darin sie bald zu Kontrahenten werden.
Ivan Nagys Neo Noir setzt fort, was mit Robert Quines Schachmatt (USA 1954) und mit Howard W. Kochs Shield For Murder (USA 1954) seinen Anfang nahm. Ein Gesetzeshüter bricht den Diensteid, missbraucht seine Befugnisse und wird zum Mörder. Dabei ähnelt Lacy vor allem Police Detective Paul Sheridan (Fred MacMurray) in Schachmatt, der ebenfalls aus einer selbst in Gang gesetzten Spirale aus Lügen und Gewalt nicht herausfindet, ohne dass er sich per se als amoralisch oder gar asozial einstufte. Im Gegenteil! Edward A. Lacy hält sich für einen vorbildlichen Beamten im Dienst jenes bürgerlichen, weißen Teils der US-Gesellschaft, der er angehört und der für ihn Vorbildcharakter hat. Sidney Lumets Serpico (USA/ITA 1973), Robert Hartford-Davis‘ The Take (UK 1974) und Burt Kennedys Der Mörder in mir (USA 1975) zeichneten ein vergleichbar düsteres Bild vom Polizeibeamten, obgleich ihre Antihelden bis auf Stacy Keach in Kennedys Jim-Thompson-Verfilmung meist aus Habgier korrupt waren. Auffällig ist die Parallele zwischen Deadly Hero und Martin Scorseses zwei Monate erschienenem Neo Noir Taxi Driver (USA 1976), darin der New Yorker Taxifahrer Travis Bickle (Robert De Niro), der ebenfalls versucht seine radikale Gesinnung im Wahlkampf eines Politikers gespiegelt zu sehen, genau wie Lacy aus lauter falschen Gründen zum Helden erklärt wird. Neben Don Murray ist in der weiblichen Hauptrolle Diahn Williams, die ihre Schauspielkarriere nach diesem Werk an den Nagel hängte, schlicht fantastisch. Danny DeVito und Deborah Harry haben fast nur Statistenrollen und sind leider kaum zu sehen. Fazit: Alles andere als leichte Kost und doch sehr zu empfehlen!
In den USA gibt es via Code Red eine jeweils bild- und tontechnisch exzellent restaurierte BD- und DVD-Ausgabe (2014, codefree) mit dem Film ungekürzt und im Originalformat, dazu die original englische Tonspur ohne Untertitel, als Extras jeweils Interviews mit Don Murray und mit Regisseur Ivan Nagy. In Deutschland erschien der Film erstmals 1985 unter dem irreführenden Titel Eiskalt auf VHS-Videokassette. Via MT Films gibt es eine bild- und tontechnisch ebenfalls sehr gute DVD (2020) mit der deutschen Synchronisation und mit der original englischen Tonspur, ebenfalls ungekürzt und im Originalformat.