Francis Lederer, Gail Patrick, Ann Rutherford, Edward Ashley, Linda Stirling
New York: In der Kunstgalerie von George Hadley (Clifford Brooke) hängt das Ölgemälde The Night is Long des zeitgenössischen, ebenfalls in der Stadt lebenden Malers James Harlan Corbin (Francis Lederer), das eine lebensgroße Frau in einem Nachtgewand zeigt. Der Theaterkritiker des New York Evening Globe, John Earl (Edward Ashley), steht gerade davor, als sein Freund Hadley des Weges kommt und ihn begrüßt. Earl möchte wissen, wer für das Bild Modell gestanden habe und der Galerist erklärt, dass es dieselbe Frau sei, die seit 5 Jahren für Corbin die Rolle einnähme. John Earl scheint verwirrt und erläutert, dass er sie sicher kenne, aber Hadley entschuldigt sich und geht in sein Büro. Als Earl in der Zeitungsredaktion sein eigenes Arbeitszimmer betritt, wartet dort seine Sekretärin Ms. Joyce (Geraldine Wall) und informiert ihn, dass das Theaterstück des Abends nicht aufgeführt werde. Nachdem Joyce dessen Nummer aus dem Telefonbuch fischte, ruft John Earl bei James Corbin Zuhause an und erfährt von dem Maler, der von John Earls Anruf eigentümlich betroffen scheint, dass es sich bei seinem Modell um Helen North (Linda Stirling) handele. Corbin erhebt sich vom Sofa, auf dem er lag, wandelt durch sein Atelier und betrachtet mehrere Gemälde, darunter eines mit dem Titel The Madonna’s Secret. Als er sich ans Klavier setzt und eine Melodie anstimmt, kommt seine Mutter (Leona Roberts) und fragt, wer am Telefon gewesen sei, doch Corbin entgegnet ihr, dass er den Namen des Anrufers nicht behalten habe…
“Director William Thiele’s 1946 film noir (…) is a broodingly atmospheric, very acceptable mixture of mystery and romance”, schreibt Derek Winnert und trifft es. Mit Gail Patrick und Ann Rutherford, die seit den 30er Jahren in Hollywood aktiv waren, und mit Linda Stirling und Tanis Chandler, die je 1943 ihren ersten Filmauftritt hatten, zeigt das Werk des Poverty-Row-Studios Republic Pictures mehrere Schauspielerinnen im Alter von 22 bis 35 Jahren, deren Karrieren schon in den nächsten 2 bis 4 Jahren enden sollten. Hinzu kommen Clifford Brooke und Leona Roberts, die in den frühen 50er Jahren mit jeweils 78 und 74 Jahren verstarben. Doch ist gerade das Ensemble eine Stärke solchen Hybrids aus Film Noir und klassischem Whodunit. Der Kunstmaler James Harlan Corbin ist eine gepeinigte Seele. Die in seiner Zeit in Paris innigst geliebte Madeleine Reynard (Anne Chedister) endete als Mordopfer in der Seine. Zwar wurde der Maler freigesprochen, doch wurde die Tat nie aufgeklärt. Und so änderte er selbst seinen Nachnamen von Corbét zu Corbin und zog mit seiner Mutter vor 5 Jahren nach New York. Seither arbeitet er mit dem Model Helen North, aber plötzlich scheint sie ebenfalls in Gefahr… Die Erzählung nach einem Drehbuch von Bradbury Foote und Regisseur Wilhelm Thiele, eines Exilanten aus Österreich, dessen Hollywoodkarriere sich ebenfalls dem Ende zuneigte, ist nichts besonderes. Aber die Kameraarbeit John Altons (Flucht ohne Ausweg, USA 1948), selbst aus der k.u.k. Monarchie Österreich-Ungarn in die USA emigriert, ist der zweite Pluspunkt jener B-Produktion, der eine sorgfältige Inszenierung seitens der Regie, das großteils gute Schauspiel und Altons Fotografie eine eigentümliche Qualität verleihen. Spätestens ab der Filmmitte vorhersehbar geht es weniger ums Finale als um den Weg dorthin, der sich als kurzweilig erweist und jene für John Alton typische Licht-Schatten-Architektur bietet.
“I love it. The thrill of riding through the night with the throttle wide open and the sense of terror...“ Mitte der 40er Jahre wurde der Film Noir salonfähig und es waren zu dem Zeipunkt auch die Poverty-Row-Studios, die derlei Werke mit geringem Budget und soliden Schauspielern aus der zweiten Reihe in die Kinos brachten. Zusammen mit Detour (USA 1945), The Chase (USA 1946), Vergessene Stunde / Schwarzer Engel (USA 1946) oder High Tide (USA 1947) gehört The Madonna’s Secret zu jenem Katalog der heute oft vergessenen Produktionen, die den Filmstil definierten und erweiterten. Der Film ist alles andere als ein Meisterstück, erweist sich aber für ihre Zeit als durchaus eigenwillig, insofern der New Yorker Police Lieutenant Roberts (John Litel) in seinem Kriminalfall konsequent die falsche Spur verfolgt und zu guter Letzt die Betroffenen selbst die richtige Eingebung haben. Gail Patrick überzeugt als reiche Lebedame Ella Randolph, die wie alle seine Models dem nicht vorhandenen Charme des düsteren Künstlers verfällt, aber trotz all seiner aberwitzigen Eigenheiten halten Thiele und Alton ihre Geschichte für knapp 80 Minuten auf Kurs. Für den Connaisseur der US-amerikanischen Schwarzen Serie jener 40er Jahre ist The Madonna’s Secret allemal eine Ergänzung des Kanons.
Bis heute (2021) gibt es weltweit noch keine BD- oder DVD-Edition des Films, der im deutschsprachigen Raum meines Wissens seinerzeit nicht im Kino lief, dafür aber in einer erstaunlich gut restaurierten Fassung in diversen Online-Portalern auffindbar und somit greifbar ist.