Stacy Keach, David Hemmings, Edward Fox, Stephen Boyd, Carol White
© Warner Bros.
London, England: Der ehemalige Inspektor von Scotland Yard und inzwischen abgehalfterte Privatdetektiv Jim Naboth (Stacy Keack) steigt betrunken aus der London Underground aus und fährt auf der Rolltreppe nach oben. Als er versucht seinen Trenchcoat anzuziehen, stürzt er die Stufen hinunter und bleibt ohnmächtig und blutend liegen. Ordnungskräfte eilen herbei und bald ist ein Krankenwagen zur Stelle, der den Verletzten in ein Hospital transportiert… In Träumen erinnert er sich an den Abend, an dem er alkholisiert aus einem Pub hinausflog. Als die Ärzte versuchen, ihm eine Spritze zu geben, randaliert er und muss festgehalten werden. Während einer Therapie erhält Naboth wiederholt ein Glas Whisky, indessen er Kopfhörer tragen muss, die einen unerträglich lauten Ton wiedergeben, sobald er am Glas nippt, so dass er den Alkohol ausspucken muss. So kommt der Tag, an dem er entlassen wird. Zwischenzeitlich hat er Krankenschwester Barbara (Hillary Gasson) kennengelernt, mit der der geschiedene Mann und allein erziehende Vater eine Affäre beginnt. Auf der Straße erwartet ihn sein Kumpel Teddy (Freddie Starr), der sich freut ihn wieder auf den Beinen zu sehen. Doch Naboth zieht es in den nächsten Pub, wo er einen Sherry bestellt. Teddy ist nicht begeistert, dass Jim es partout nicht schafft, dem Alkohol zu entsagen, doch fährt er ihn trotzdem nach Hause. Dort trifft Naboth Mrs. Devlin (Pamela Brighton) vom Sozialamt an, die sich inzwischen um seine Söhne Dave (Lee Strand) und Jack (Keith Miles) kümmerte…
“Teddy, I'm a Scotch drinker - you know that. I just have the occasional brandy when I'm not drinking.” Fast jeder Filmjournalist hat Michael Apteds bis heute unterschätzten und für eine lange Zeit fast vergessenen Neo Noir Der aus der Hölle kam mit Mike Hodges‘ Jack rechnet ab (UK 1971) und mit John Mackenzies Rififi am Karfreitag (UK 1980) verglichen. Es wundert mich nicht, denn ich hatte ähnliche Assoziationen bei diesem Großstadtthriller, der sich vor allem seiner exzellenten Schauspieler und des Londoner Lokalkolorits bedient, um mit einer atmosphärisch dichten und dabei extrem dreckigen und düsteren Inszenierung aufzuwarten. Der US-amerikanische Schauspieler Stacy Keach ist grandios in der Hauptrolle und erinnert mit der Verkörperung eines tragischen Alkoholikers stark an seine ebenfalls überragende Leistung in John Hustons Fat City (USA 1972), seinerzeit die Rolle, die ihm im Filmgeschäft den Durchbruch brachte. Stephen Boyd (45), David Hemmings (34) und Carol White (33) sehen in diesem im Oktober 1976 vor Ort in London gedrehten Film jeweils um 10 Jahre älter aus, als sie tatsächlich sind. Stephen Boyd erlag im Juni 1977 einem Herzinfarkt; Carol White, die so wie Boyd in einer ihrer letzten Filmrollen zu sehen ist, starb 1991 mit 48 Jahren an einem Leberleiden infolge von Alkoholismus. Ein kaum noch als jener drahtige Rebell der 60er erkennbarer, fettleibiger David Hemmings folgte ihnen 2003 mit 62 Jahren nach, ebenfalls infolge eines Herzinfarkts. Insofern ist Der aus der Hölle kam auch von Tragik gezeichnet, denn Boyd und Hemmings sind ebenso wie Keach, Edward Fox und Freddie Starr exzellent, und es ist allein White, die sich als wenig talentiert und schlicht fehlbesetzt erweist.
Wenn seine ex-Frau Jill (Carol White) samt deren Tochter Christine (Alison Portes), das Kind ihres neuen und reichen Ehemanns Foreman (Edward Fox), zu Opfern einer Entführung und versuchten Erpressung werden, muss Jim Naboth sich in Form bringen, um die beiden aus den Fängen der skruppellosen Gangster zu befreien. Solches gelingt mal mehr und mal weniger, allerdings werden die Schurken bald auf Jim Naboth aufmerksam, der sich durch ein ungeschicktes Manöver verrät. Also verlangen sie von Foreman, dass er den privaten Schnüffler bitte umbringe… Noch heute vermögen die 70er Jahre selbst eingefleischte Cineasten zu überraschen. In keinem anderen Jahrzehnt, scheint es, waren so viele Experimente und radikale Inszenierungen möglich, wurden der Mammon und die sklavische Sucht nach Wohlgefallen und Akzeptanz zugunsten eines unbändigen Willens zu konfrontieren und zu gestalten beiseitegedrängt. Wer einen Neo Noir wie Der aus der Hölle kam mit vielen der hoch polierten und überästhetisch aufbereiteten TV-Serien des 21. Jahrhunderts vergleicht, den weht eine Sehnsucht nach der rohen Besessenheit und fiebrigen Ausdrucksstärke jener Jahre an. Fazit: Für die Freunde europäischen Kinos und für solche des Neo Noirs ist Michael Apteds ungeschliffener Edelstein eine nahezu unverzichtbare Ergänzung des Werkskanons.
Es gibt eine US-amerikanische DVD-R (2010) in der Warner Archive Collection mit dem Film bild- und tontechnisch solide, ungekürzt und im Originalformat, mit der original englischen Tonspur ohne Untertitel, das Ganze auch ohne Extras. Unterm Titel Il racket die sequestri erschien auch eine italienische DVD (2012) via Cult Media und zwar mit sowohl dem englischen Originalton als auch mit der italienischen Kinosynchronisation und optional italienischen Untertiteln. Extras gibt es auch hier keine.