Jeff Bridges, Rosanna Arquette, Alexandra Paul, Randy Brooks, Andy Garcia
© Columbia Pictures Corporation
Los Angeles, Kalifornien: Auf dem Weg zu einem Einsatzort scherzt Polizeibeamte Matthew Scudder (Jeff Bridges) mit einem Kollegen darüber, wie sie als Jungs einst dieTV-Serie The Naked City sahen… Scudder und seine Leute schicken sich an, den Drogendealer Hector Lopez (Wilfredo Hernández) zu verhaften, der soeben mit seiner Frau (Luisa Leschin) und den Kindern (Elva García, Michael und Peter Galindo) beim Frühstück sitzt. Zwei Beamte versperren Lopez den Fluchtweg aus der Küche und Scudder, der Lopez gut kennt, redet durchs Fenster auf den geschockten Mann ein, Er wolle nicht zurück ins Gefängnis, gibt jener zu verstehen, dann packt ihn die Panik und er schlägt mit einem Baseballschläger auf die Polizisten ein, die zu Boden gehen. Scudder brüllt Lopez zu, er solle sofort aufhören, doch der reagiert nicht. Der Polizeibeamte schießt und trifft Lopez direkt in die Brust, so dass der Ehemann und Vater vor den Augen seiner Familie tödlich getroffen auf seinen Stuhl zurücksinkt… Matthew Scudder liegt mit freiem Oberkörper sturzbetrunken auf der Mauer seines Grundstücks, dahinter eine Autobahn stadteinwärts führt. Seine Frau Linda (Lisa Sloan) versucht ihm zu helfen, als er nur mit Mühe zurück in den Garten findet, doch jener stößt sie aggressiv von sich und seine Tochter Laurie (Christa Denton) ist von ihrem Vater entsetzt. Und so verschwimmt und verschwindet für Matthew Scudder sein Leben im Delirium. Linda trennt sich von ihm und Scudder quittiert seine Anstellung als Police Detective…
Was passiert, wenn ein exzentrischer Regisseur der 70er Jahre in den 80ern einen Neo Noir dreht, dem er den Geist jenes “New Hollywood“ genannten Zeitalters von einst jungen Regisseuren wie Martin Scorsese, Francis Ford Coppola und Alan J. Pakula einzuflößen sucht? Er schafft womöglich einen Hybrid, der seiner Zeit ebenso hinterher hinkt, wie er ihr vorauseilt. Das erste Drittel, solche ersten 40 Minuten des Films sind ebenso wild und wirr, wie sie unwiderstehlich sind. Jeff Bridges‘ Portrait des taumelnden ex-Cops Matthew Scudder, der mit aller Kraft in ein Leben strebt, das ihn vom Alkohol wegführt und seiner Tochter Laurie wieder nahebringt, ist in seiner Zurückhaltung eine Meisterleistung. Der freie Fall nach der missglückten Verhaftung von Hector Lopez, der Verlust des Jobs und seiner Familie sowie sein Auftritt bei den Anonymen Alkoholikern sind in der Summe herausragend. Ich selbst finde die Interpretation der Hure Sunny durch Alexandra Paul gelungen, obgleich sie dafür bis heute Kritik erntet. Die vibrierende, fast hysterische Angst und das auch bei Rosanna Arquettes Sarah immer wieder auflodernde Wissen ums dünne Eis, auf dem die eigene Existenz jeweils dahin schlittert, all das ist für Scudder ein ebenso penetrantes Übermaß an Furcht, wie es das für den Zuschauer ist. Sunny, so zeigt uns Ashby, ist schwer zu ertragen. Erst später verstehen wir und versteht auch Matthew Scudder, was und wie sie auf solchen Abgrund zutrieb… Aber in dem Augenblick, da der ex-Cop seinen wirklichen Widersacher ins Visier nimmt und herausfordert, ist es mit der Qualität dieses Films plötzlich vorbei. Die Konfrontation von Jeff Bridges‘ Matthew Scudder und Andy Garcias Drogenbaron Angel Maldonado soll uns als Kräftemessen großer Persönlichkeiten verkauft werden. Doch Garcias Imitation des Schauspiels von Al Pacino ist ein einziger Krampf und lässt seine Figur unglaubwürdig wirken. Hier passt so gut wie nichts zusammen.
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Noch heute lassen sich Filmvertriebe hinreißen, für ihre BD- und DVD-Editionen mit den Etikett “Oliver Stone“ zu werben, sollte er als Produzent oder als Autor beteiligt gewesen sein. Warum nur? Nicht nur ist sein Neo Noir U-Turn – Kein Weg zurück (FRA/USA/1997) ein Tiefpunkt des Kinos der 90er Jahre, auch sein Skript für Hal Ashbys 8 Millionen Wege zu sterben verlangt nach dem Mantel des Schweigens. Was der Film in seiner zweiten Hälfte an Ungereimtheiten serviert, wie uns Orte der Lagerung von Kokain und des Austauschs gegen eine Geisel in ihrer Logik als zwingend untergejubelt werden, ist grotesk. Und dass ein ex-Sträfling mit einem Spielcasino und einer Supermarktkette legal zum Multimillionär avanciert und doch ständig mit sonnenbebrillten und bewaffneten Schlägern durch die Gegend fährt, will einem ebenfalls nicht einleuchten. Die Blödheit der Akteure, vor allem solcher der Unterwelt, ist kaum in Worte zu fassen. Sind der Charme und Biss der ersten 40 Minuten verflogen, treten die Mängel der Handlungslogik allzu detailliert hervor. Bedauerlich ist, dass auch ein Robert Towne, der einst mit seinem Drehbuch zu Chinatown (USA 1974) Kinogeschichte schrieb, hieran Anteil hatte. Im Windschatten von William Friedkins Leben und Sterben in L.A. (USA 1985), dessen Einfluss offensichtlich ist, rangiert Hal Ashbys 8 Millionen Wege zu sterben - an den Kinokassen ein Riesenflop - nur knapp in der Mitteklasse der Neo Noirs seiner Zeit. Schade!
Erstklassige BD- und DVD-Editionen (2018) der Koch Media GmbH mit dem Film bild- und tontechnisch einwandfrei, ungekürzt und im Originalformat, dazu den den englischen Originalton und auch eine deutsche Tonspur, die nicht zu empfehlen ist, optional deutsche Untertitel, den Kinotrailer als Extra.