Eric Bana, Olivia Wilde, Charlie Hunnam, Kate Mara, Sissy Spacek
© Studiocanal GmbH
Im US-Bundesstaat Michigan in der Nähe des Lake Huron kommt der Winter früh. Ende November ist am Tag vor Thanksgiving die Gegend tief verschneit. Ein Wagen fährt über die glatte Straße Richtung Kanada. Darin sitzen die Geschwister Addison (Eric Bana) und Liza (Olivia Wilde) mit ihrem Kumpanen Theo (Dennis Lafond) am Steuer. Die drei haben letzte Nacht ein Spielkasino überfallen, und während Liza auf der Rückbank die Beute zählt, berichtet Addison von ihrer Kindheit auf einer Farm in Alabama. Plötzlich knallt ein Reh auf die Frontscheibe, das Theo im dichten Schneetreiben nicht rechtzeitig sah. Der Wagen kommt von der Fahrbahn ab und überschlägt sich mehrfach. Theo hatte sich nicht angeschnallt und ist tot, indessen Liza und Addison den Unfall unverletzt überstehen. Während sie sich aus dem Wrack befreien und Liza die Banknoten zusammenrafft, kommt der Polizeibeamte Alan Townsend (Patrick Kerton) angefahren und sieht das tote Reh auf der Straße liegen. Er steigt aus, entdeckt auch den Unfallwagen und spricht Addison an, der die Böschung empor auf ihn zutritt. Im nächsten Augenblick zieht das vermeintliche Unfallopfer eine Pistole und tötet seinen Helfer mit mehreren gezielten Schüssen… Im Wayne-County-Gefängnis in Detroit begleitet ein Beamter (Kwasi Songui) den wegen Betrugs inhaftierten ex-Boxprofi Jay Mills (Charlie Hunnam) in die Freiheit. Aus einer Bar ruft Jay seine Eltern an, doch sein Vater Chet (Kris Kristofferson), einst der Sheriff von Bear Lake, bleibt wortkarg…
“Listen honey! You can pick the guy, but you just can’t pick the family.“ Der Film beginnt vielversprechend, bis er nach 15 Minuten mit ersten Entscheidungen seiner Protagonisten irritiert und sich im Verlauf seiner Handlung als zunehmend unglaubwürdig und mit der Brechstange konstruiert erweist. Sein österreichischer Regisseur Stefan Ruzowitzky hatte mit dem Drama Die Fälscher (AUS/GER 2007) den Oscar für den besten ausländischen Film erhalten. Mit Cold Blood – ein bemerkenswert sinnfreier deutscher Titel – hatte er die Gelegenheit, einen Film in den USA zu drehen. Das Skript kam vom Neuling Zach Dean, der sich offensichtlich von anderen Filmen inspirieren ließ, so etwa von John Frankenheimers desaströsem Wild Christmas (USA 1999). Auch dort geht es um einen Kasino-Überfall und der ex-Häftling Rudy Duncan (Ben Affleck) findet sich plötzlich in einer Liebesbeziehung mit der hübschen Ashley Mercer (Charlize Theron), die ihm später als Schwester des Gangsters Gabriel (Gary Sinise) vorgestellt wird, all das im tiefen Schnee zwischen dem Lake Michigan und der Grenze zu Kanada kurz vor Weihnachten. Zudem denkt mancher auch an Fargo (USA/UK 1996) von Joel und Ethan Coen oder an Sam Raimis Ein einfacher Plan (FRA/UK/GER/USA/JPN 1998), die ihre Film-Noir-Tradition ebenfalls mit viel Schnee und reichlich Familiendrama anreicherten.
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“Even the Snow Is Noir“, betitelte Kelly Vance seinen Artikel zum Film im Noir City E-Mag 01/2013 und fährt fort: "It’s the essence of film noir: three wrongos on a collision course with no hope of avoiding disaster." Und das ist soweit richtig. Weit weniger als ein Action-Thriller ist Cold Blood (oder Deadfall, wie der Film im Original heißt) ein Neo Noir. Insofern ich immer gern eine Lanze zugunsten des auf Charaktere und Dialoge fokussierten Erzählkinos breche, kann ich dem Film zugutehalten, dass sein Blick hinter die Fassaden mittelständischer US-Familien teils durchdacht und kunstvoll umgesetzt ist. Auch der Versuch, mit dem Finale und dem Schlusspunkt den drei familiären Banden einen Rahmen zu geben, der Tragik und Hoffnung gleichermaßen beinhaltet, ist (für mich) stimmig. Zudem ist der kommerzielle Misserfolg von Filmen wie Cold Blood auch jenen stereotyp redundanten Vermarktungsstrategien geschuldet, wo immer nur Thrill und Action zählen und der Trailer schon alles enthält. Aber das Skript patzt an vielen Schnittstellen. Warum lassen Addison und Liza den Wagen des toten Polizisten auf der Straße stehen und fliehen in untauglicher Kleidung in den Winterwald? Warum trennen sie sich? Warum ist Liza nach kurzem fast erfroren, während Addison stundenlang durch die Kälte stapft? Furchtbar blöde ist die frauenfeindliche Gesinnung des Sheriffs Marshall T. Becker (Treat Williams), der seine Tochter Hanna (Kate Mara) vor allen Kollegen als für einen Polizeieinsatz ungeeignet bloßstellt, weil sie im Wald womöglich ihren Tampon wechseln müsse… So einen Schwachsinn habe ich lange nicht gesehen oder gehört. Trotz sehr guter Leistungen von Sissy Spacek und Charlie Hunnam bleibt Ruzowitzkys Cold Blood damit klar hinter dem zurück, was er verspricht und sich vornimmt. Das ist letzten Endes auch bedauerlich, denn hier wäre eindeutig mehr drin gewesen.
Sehr gute BD- und DVD-Editionen (2013) der Studiocanal GmbH mit dem Film ungekürzt im Originalformat, inklusive der englischen und auch der deutschen Tonspur, dazu optional deutsche Untertitel, den Kinotrailer, ein Making Of, sowie Interviews mit Stefan Ruzowitzky und Eric Bana als Extras.